Alpine
Porträt
(Stand: Januar 2024) Zur Saison 2021 hat der Renault-Konzern sein Formel-1-Projekt neu aufgestellt und sein Werksteam in Alpine umbenannt. Dabei handelt es sich um eine Sportwagen-Marke, die bereits seit 1973 mehrheitlich zur Renault-Gruppe gehört. Mehr noch: Alpine hat einst den Formel-1-Prototypen gebaut, mit dem Renault in den 1970er-Jahren erstmals in der Königsklasse angetreten ist. Und nun steht Alpine im Rampenlicht.
Der Renault-Konzern hatte sich von 1977 bis 1985 erstmals werksseitig in der Formel 1 engagiert. In der ersten Turbo-Ära der Königsklasse stieg die fast ausschließlich mit französischen Piloten besetzte Truppe dank des jungen Alain Prost zum Spitzenteam auf und schaffte es 1983 auf den zweiten Platz in der WM. Der "Professor" schrammte knapp an seinem ersten Titel vorbei und trennte sich im Unfrieden von Renault. Das Projekt ging vor die Hunde, zwei Saisons später war Schluss - vorerst.
2002 kehrte Renault zurück auf die Grand-Prix-Bühne, indem es den Benetton-Rennstall übernahm und zum Werksteam umbaute, alles unter der Regie von Flavio Briatore. Er holte mit Fernando Alonso ein Nachwuchstalent zu Renault und formte die Mannschaft erneut zu einem Spitzenteam. Der Erfolg gibt ihm Recht: 2003 gewann Alonso erstmals, 2005 und 2006 gewann Renault je beide WM-Titel. Es sind die bis dato größten Erfolge der Marke in der Formel 1, abgesehen von diversen Gesamtsiegen, an denen Renault als Motorenlieferant beteiligt war.
Doch nach 2006 zeigte die Formkurve erst einmal nach unten, auch nach Alonsos Rückkehr. Negativer Höhepunkt: der "Crashgate"-Skandal beim Singapur-Grand-Prix 2008 um Briatore, Pat Symonds und Nelson Piquet jun.
Das einstige Weltmeister-Team wurde vor der Saison 2010 von der Investmentgruppe Genii Capital aus Luxemburg übernommen und Lotus getauft, ohne dass eine historische Verbindung zum originalen Lotus-Team bestanden hätte. Unter der Führung des Finanzinvestors Gerard Lopez gelang es, den Skandal hinter sich zu lassen und ein neues Kapitel aufzuschlagen. Trotz finanzieller Schreckensmeldungen und schmalem Budget wurden wieder Erfolge auf der Rennstrecke gefeiert.
Kimi Räikkönen glückte 2012 und 2013 je einen Grand-Prix-Sieg. Er führte Lotus zu vierten Rängen in der Konstrukteurs-WM. Allerdings war es auch der Finne, der 2013 die eklatanten finanziellen Nöte des Teams offenbarte, indem er öffentlich mitteilte, dass seine Gehälter nicht bezahlt wurden. Räikkönen verabschiedete sich in Richtung Ferrari, im Zuge der Krise verließ auch Teamchef Eric Boullier Lotus und schloss sich McLaren an. Mit den beiden gingen viele wichtige Techniker, darunter Technikchef James Allison.
Nach einem verspäteten Start in die Testsaison und mit wankelmütigen Renault-Antrieben im Heck hatten die Fahrer Romain Grosjean und Pastor Maldonado 2014 nicht zu lösende Probleme mit der Zuverlässigkeit und der Performance, was die schlechteste Saison seit dem Neustart bedeutete. Mercedes-Power sollte für Lotus 2015 der Schlüssel sein, um nach der Seuchensaison zurück zu alter Stärke zu finden, doch der Aufschwung blieb auf moderatem Niveau und die Finanzprobleme nahmen weiter zu.
Nach einer Hängepartie übernahm Renault im Dezember 2015 90 Prozent am Team, vollbrachte als Werksteam jedoch keine Wunder und hinkte praktisch von Anfang an den eigenen Plänen hinterher. Erst 2020 gab es die ersten Podestplätze seit dem Wiedereinstieg, aber immerhin: Es ging etwas voran, wenngleich der erstrebte Anschluss an die Topteams ausblieb.
2021, dann schon als Alpine, folgte ein Überraschungserfolg: Beim Ungarn-Grand-Prix profitierte Esteban Ocon von einem Startcrash, der einige Favoriten aus dem Rennen oder aus der Entscheidung genommen hatte, und erzielte seinen ersten Formel-1-Sieg, zugleich den ersten Sieg für Alpine. Alonso spielte hierbei eine Schlüsselrolle: Weil er Mercedes-Fahrer Lewis Hamilton bei dessen Aufholjagd geschickt aufhielt, hatte Ocon an der Spitze freie Bahn. Ocons Triumph war also teilweise auch Alonsos verdienst. Der Ex-Champion fuhr später in der Saison als Dritter in Katar ebenfalls unter die Top 3. Die erste Saison als Alpine-Team beschloss man auf P5 in der Gesamtwertung, gerade noch vor AlphaTauri.
2022 lieferte sich der Rennstall praktisch über die komplette Saison hinweg ein Duell mit McLaren um P4 in der Konstrukteurswertung. Trotz teilweise mangelhafter Zuverlässigkeit kam Alpine hier besser weg und wurde Vierter. Zu verdanken war das auch dem fahrerischen Einsatz von Alonso und Ocon, die konstant gute Ergebnisse ablieferten, sofern das Auto diese hergab. Abseits der Rennstrecke aber knirschte es gewaltig: Alonso gab während der Saison seinen Wechsel zu Aston Martin bekannt, Alpine verkündete Ersatzfahrer Oscar Piastri als neuen Stammfahrer - und der dementierte sofort, weil er zu McLaren wechseln wollte. Es folgte der Gang vor das Contract Recognition Board mit der Erkenntnis: Alpine hatte beim Fahrervertrag mit Piastri geschludert, der Australier durfte gehen. Als Alonso-Ersatz holte das Team schließlich Pierre Gasly von AlphaTauri.
Im ersten Jahr mit Gasly/Ocon gelang es Alpine 2023 nicht, die eigenen Ansprüche in die Tat umzusetzen. Zwar erzielte jeder Fahrer einen Podestplatz, aber weder Gasly noch Ocon schafften es unter die Top 10 der Fahrerwertung. Dazu knallte es auf der Strecke: In Melbourne räumten sich die Fahrer gegenseitig ab, es kam teamintern zur Eskalation. Wenig später musste Alpine-Boss Laurent Rossi gehen, auch das Formel-1-Team wurde umgekrempelt: Alpine musterte Teamchef Otmar Szafnauer aus und Bruno Famin übernahm. Neue Erfolge aber stellten sich trotzdem nicht ein.
Alpine operiert aus den bisherigen Renault-Standorten in Viry in Frankreich (Antrieb) und Enstone in England (Chassis) heraus. Der viermalige Formel-1-Weltmeister Prost war lange Zeit als Berater für den Rennstall tätig, schied nach der Saison 2021 jedoch aus dieser Rolle aus, weil ihm die Änderungen und Umstrukturierungen im Team missfielen. Unter anderem kam zur Saison 2022 der bisherige Aston-Martin-Teamchef Otmar Szafnauer als neuer Alpine-Teamchef an Bord - und stand bei "Piastri-Gate" gleich unglücklich im Mittelpunkt. Auch das dürfte zu Szafnauers Aus nach nur wenigen Monaten beigetragen haben.