Formel-1-Test 2022 Bahrain: Diese sechs Fragen verlangen nach Antworten
Beim Bahrain-Test von Donnerstag bis Samstag haben die Formel-1-Teams zum letzten Mal vor dem Saisonauftakt 2022 die Möglichkeit, ihre neuen Autos zu testen
(Motorsport-Total.com) - Der dreitägige Barcelona-Test Ende Februar war der erste Vorgeschmack auf die Formel-1-Autos 2022. Der von Donnerstag bis Samstag dieser Woche anstehende Bahrain-Test sollte nun ein klareres Bild davon vermitteln, wo die Teams stehen.
© Erik Junius
Nach dem Barcelona-Test im Februar (Foto) wird diese Woche in Sachir getestet Zoom Download
Im Laufe einer sehr langen Saison kann sich am Kräfteverhältnis noch viel ändern, aber in dieser Woche sollten wir zumindest eine Vorstellung davon bekommen, was wir bei den ersten Rennen im Formel-1-Kalender 2022 erwarten können.
Nachfolgend sechs der wichtigsten Fragen, für die der Bahrain-Test Antworten liefern könnte:
Bringen Red Bull und Mercedes revolutionäre Updates?
Es ist davon auszugehen, dass beim Bahrain-Test alle Teams neue Teile ausprobieren werden. Zwischen dem ersten Testtag in Barcelona (23. Februar) und dem Beginn der Testfahrten in Sachir lagen 15 Tage. Wenn man bis zu den ersten Filmtagen und Shakedowns einiger Teams zurückgeht, ist der Zeitraum bis zum Bahrain-Test sogar noch länger.
Für die Weiterentwicklung in einer Formel-1-Winterpause ist das ein beträchtlicher Zeitraum. Die Teams werden schon vor vielen Monaten geplant haben, einige Teile erst für den zweiten und nicht direkt für den ersten Test zu produzieren und einzusetzen.
Außerdem würde jeder, der etwas grundlegend Neues im Bereich Aerodynamik in Arbeit hat, es so lange wie möglich verstecken und nicht sofort in Barcelona alle Karten aufdecken wollen. In Spanien war klar, dass von den Topteams noch mehr kommen würde. In dieser Hinsicht liegt der Fokus nun darauf, was Mercedes und Red Bull für die zweite Testwoche im Gepäck haben werden.
"Ich glaube, wir werden in Bahrain einige Änderungen sehen", sagte Mercedes-Pilot George Russell und gab schon mal einen Vorgeschmack: "Ich bin mir sicher, dass die Entwicklung im Laufe der Saison für alle ziemlich rasant voranschreiten wird. Wer am schnellsten und effizientesten damit zurechtkommt, wird am Ende der Saison ganz oben stehen."
Die große Frage ist jetzt, wie viel Performance die beiden Topteams Mercedes und Red Bull für Bahrain noch zurückgehalten haben und wie schnell und effektiv sie neue Bauteile soweit haben werden, dass sie bei Rennen eingesetzt werden können.
Ist die Pace von Ferrari echt?
Der Ferrari F1-75 sah von Beginn des Barcelona-Tests an schnell aus. Charles Leclerc und der junge Carlos Sainz schienen in der Lage zu sein, mühelos und unter allen Bedingungen Topzeiten zu fahren.
Leclerc schloss im Gesamtergebnis der Barcelona-Testwoche als Fünftschnellster ab, fuhr seine persönlich schnellste Runde aber auf der Reifenmischung C3. Die vier vor ihm platzierten Fahrer waren auf den weicheren C5- oder C4-Reifen unterwegs. Entscheidend ist, dass der neue Ferrari viele Runden aufgebrummt bekommen hat und das Team somit viele Daten sammeln konnte.
"Ich glaube, das war wichtig, weil diese Autos einfach ganz anders sind", sagte Ferrari-Teamchef Mattia Binotto in Barcelona. "Das erste Ziel ist es, sie kennenzulernen. Zumindest bei diesem Test ging es uns darum, das Auto unter allen Bedingungen zu fahren und zu versuchen, die Korrelationen zwischen einerseits dem Windkanal und dem Simulator, und andererseits der Strecke zu verstehen."
Diejenigen, die die Zahlen des Barcelona-Tests ausgewertet haben, sind sich einig, dass die Pace von Ferrari im Vergleich zu den Hauptkonkurrenten eine gute war. Die Frage ist, wie sich der F1-75 nun in Bahrain im Vergleich zum Mercedes F1 W13 und zum Red Bull RB18 schlägt. Schließlich werden diese beiden Autos jetzt viel näher an der Spezifikation dran sein, die man auch beim Saisonauftakt am 20. März, ebenfalls in Bahrain, fahren wird.
Binotto war nach dem Barcelona-Test bemüht, Ferraris eigenes Upgrade-Programm für Bahrain herunterzuspielen, indem er sagte: "Es wird nicht viel anders sein als das, was wir haben. Ich glaube, dass der erste Schritt für uns darin bestehen wird, das zu optimieren, was wir haben."
Kann Alpine an Tempo zulegen?
Vom Alpine-Team wird in diesem Jahr viel erwartet, aber der Barcelona-Test war kein guter Auftakt. Am frühen Morgen des letzten Testtages blieb der A522 von Fernando Alonso auf der Strecke stehen, nachdem ein Leck im Hydrauliksystem ein Feuer ausgelöst hatte. Und nachdem das Team den Schaden begutachtet hatte, beendete man den Test vorzeitig und trat die Heimreise an.
Das Ergebnis: Alpine belegte in der Tabelle der beim Barcelona-Test zurückgelegten Runden nur den achten Platz. Das bedeutet auch, dass die Fahrer die Möglichkeit verpasst haben, am letzten Tag mit wenig Sprit im Tank und mit weichen Reifen zu fahren. Die Rundenzeit, die Alonso am Vormittag des letzten Testtages mit C3-Reifen gefahren hatte, brachte Alpine auf den achten Platz der Zeitentabelle, womit man lediglich Haas und Alfa Romeo hinter sich ließ.
Das Team aus Enstone war bezüglich der Rundenzeit ohnehin gehandicapt, nachdem man am ersten Tag beschlossen hatte, aus nicht näher genannten Gründen auf ein Flachstellen des Heckflügels (DRS) zu verzichten. Außerdem wurde der neue Renault-Motor vom Typ RE22 zum ersten Mal auf der Strecke eingesetzt. Da es noch viel zu lernen gab, wurde das Aggregat nicht bis an die Grenzen belastet.
Mit anderen Worten: Alpine hat wahrscheinlich mehr als jedes andere Team sein wahres Potenzial noch nicht ausgeschöpft. Der Bahrain-Test bietet nun Gelegenheit, Fortschritte zu zeigen. "Ich will nicht sagen, dass alles in Ordnung ist und wir völlig entspannt sind", sagte Alpine-Sportdirektor Alan Permane in Spanien und weiter: "Natürlich sind wir besorgt. Es ist aber keineswegs so, dass wir uns die Frage stellen würden, ob wir in der Zeitenliste ganz unten auftauchen werden."
Finden Bottas und Alfa Romeo mehr Speed?
Auch für Alfa Romeo war die Testwoche in Barcelona eine schwierige. Der C42, der erst im Anschluss an die Testwoche offiziell präsentiert wurde, fuhr auf dem Circuit de Barcelona-Catalunya noch als Erlkönig. Technisch gesehen litt das Auto unter einer Reihe von mechanischen Problemen. Ersatzfahrer Robert Kubica schaffte in seiner einzigen Session (Vormittag des ersten Tages) nur neun Runden. Stammfahrer Valtteri Bottas fuhr nachmittags nur 23 Runden.
Bei Abschluss des Tests hatte der neue Alfa Romeo 175 Runden zurückgelegt, einzige Haas kam auf weniger Runden. Das waren keine guten Nachrichten für Guanyu Zhou, der als Formel-1-Neuling dringend mehr Kilometer braucht. Aber auch für Bottas, der hohe Erwartungen an sein neues Team hat, war der Test in Spanien eine herbe Enttäuschung.
"Es fühlt sich so an als befänden wir uns im Kennenlernprozess des Autos noch in einem sehr frühen Stadium", sagte Bottas. "Ich bin kaum gefahren, konnte nur zwei Reifenmischungen ausprobieren und wir konnten kaum Veränderungen an der Abstimmung des Autos vornehmen."
"Es gibt also noch viel zu tun. Deshalb wollen wir bis zum zweiten Test hart arbeiten, um in Bahrain hoffentlich ein besseres Verständnis zu bekommen. Keine Frage, es gibt noch viel Arbeit. Ich habe aber durchaus das Gefühl, dass in diesem Paket Potenzial steckt", sagte Bottas.
Auch Alfa-Romeo-Teamchef Frederic Vasseur räumte ein, dass Barcelona nicht einfach war: "Es war ein ziemlich schwieriger Test. Wir müssen die Köpfe zusammenstecken und uns voll auf den nächsten Test konzentrieren. Wir versuchen, für Bahrain alles in Ordnung zu bringen, sodass wir dann nach vorne schauen können."
Werden die neuen Reifen zum Gesprächsthema?
Beim Test in Barcelona konnten Teams und Fahrer zum ersten Mal ernsthaft die finale Spezifikation der Reifen für die neuen 18-Zoll-Räder testen. Im vergangenen Jahr hatte man die größeren Räder lediglich an vorübergehende Testträger geschraubt.
In Anbetracht der technischen Herausforderungen, die mit der Umstellung auf die größeren Räder verbunden sind, war es vielleicht überraschend, dass kaum über die neuen Pirelli-Reifen gesprochen wurde. Vielmehr wurden die Gespräche dominiert von den enormen Veränderungen der Aerodynamik und vom sogenannten Porpoising-Effekt.
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Nur wenige Fahrer äußerten sich in Spanien öffentlich zu den Reifen, aber einer der interessantesten Kommentare kam von Ferrari-Pilot Sainz: "Im Vergleich zu anderen Jahren ist die Überhitzung vielleicht etwas geringer, aber es ist immer noch ein Reifen, der abbaut, ein Reifen, der überhitzt. Ich persönlich habe aber das Gefühl, dass er ein bisschen besser ist. Die von Pirelli im vergangenen Jahr geleistete Arbeit und die Entwicklung scheinen sich langsam auszuzahlen."
Werden die Reifen in der zweiten Testwoche ein größeres Thema sein? Möglich.
Erstens werden die Temperaturen in Bahrain viel höher sein als es in Spanien der Fall war. Das wird nicht nur hinsichtlich des Saisonauftakts in Sachir selbst, sondern auch für die folgenden Rennen in wärmeren Gefilden, von Bedeutung sein.
Zweitens zählt der Bahrain International Circuit zu den Strecken, auf denen die Reifen relativ stark beansprucht werden. Grund ist der raue Asphalt mit einem hohen Anteil Granit. Für den Grand Prix von Bahrain hat Pirelli einen konservativen Weg gewählt und seine drei härtesten Mischungen - C1, C2, C3 - ausgewählt. Beim Bahrain-Grand-Prix 2021 hatte man für die damalige Generation der Reifen die Mischungen C2, C3, C4 nominiert.
Bei den Testfahrten werden sich die Teams naturgemäß auf die Reifenmischungen konzentrieren, die für das Rennwochenende nominiert sind. Die weicheren Mischungen stehen beim Test aber ebenfalls zur Verfügung und können ausprobiert werden. Mit den weicheren Reifen zurückgelegte Runden könnten für zukünftige Rennen nützliche Daten liefern.
Bleibt Porpoising ein Thema?
Das als Porpoising bezeichnete "Schwimmen" der Autos war beim und nach dem Barcelona-Test das Hauptgesprächsthema. Das wird wahrscheinlich auch in Bahrain so sein. Die Teams hatten jetzt zwei Wochen Zeit, sich damit zu befassen. Da sie aber trotz aller Windkanal- und CFD-Sessions das Problem nicht vollständig vorhersehen konnten, bleibt abzuwarten, inwiefern sie dem Phänomen nun in der letzten Testwoche vor der neuen Saison entgegenwirken können.
Die Formel-1-Autos 2022 wurden so konzipiert, dass sie mit möglichst geringer Bodenfreiheit gefahren werden. Sollte eine Vergrößerung der Bodenfreiheit ein Teil der Lösung gegen das Porpoising sein, dann haben die Teams beim Test in Bahrain und in weiterer Vorbereitung auf das erste Rennwochenende noch jede Menge Anpassungsarbeit vor sich.
Zudem bleibt abzuwarten, inwieweit sich die Teams dazu entschließen, ein gewisses Maß an Porpoising zu akzeptieren, sofern das schnellere Rundenzeiten bedeutet und für die Fahrer nicht zu unangenehm ist. Alfa-Romeo-Technikchef Jan Monchaux sagte beim Barcelona-Test: "Wir waren ein wenig überrascht davon. Ich glaube, so ging es allen, oder zumindest den meisten, Teams."
"Ich gehe davon aus", so Monchaux weiter, "dass wir das mit einigen Modifikationen, vor allem am Unterboden, in den Griff bekommen werden. Diese sollten es uns ermöglichen, unserem Optimum etwas näher zu kommen. Aber beim derzeitigen Stand der Regeln gehe ich auch davon aus, dass wir alle mit etwas mehr Bodenfreiheit fahren müssen als wir zu Beginn dachten."
"Die Frage wird sein, wie viel höher. Sind es drei bis fünf Millimeter oder sind es 20 Millimeter? Ich hoffe, dass es fünf sein werden, denn dann wird die Nacharbeit am Auto geringer ausfallen", so der Technikchef des Alfa-Romeo-Teams.