Cadillac in der Formel 1: Alles über den geplanten Einstieg
Neues Formel-1-Team: Wann Cadillac einsteigen will, mit welchem Motor, warum die Formel 1 zunächst ablehnend reagierte und welche Rolle der Andretti-Clan spielt
(Motorsport-Total.com) - Die Formel 1 und das elfte Team: Automobil-Gigant General Motors aus den USA steht mit seiner Marke Cadillac vor dem Einstieg in die "Königsklasse" des Motorsports. Dieser Artikel erklärt, was genau es mit dem US-amerikanischen Formel-1-Projekt auf sich hat und warum dessen Entstehungsgeschichte als "kompliziert" eingestuft werden kann.
Denn eigentlich hätte alles ganz anders kommen sollen: Der frühere Formel-1-Fahrer Michael Andretti - bestes Ergebnis: ein dritter Platz in seiner einzigen Saison 1993 - wollte mit seinem Familienrennstall das elfte Team werden. Die Formel 1 aber lehnte ab. Nun scheint das Projekt unter neuem Namen und ohne Michael Andretti trotzdem ans Ziel zu gelangen. Aber der Reihe nach ...
Warum will Cadillac in die Formel 1 einsteigen?
General-Motors-Präsident Mark Reuss hat es im November 2024 so beschrieben: "Die Formel 1 ist die Königsklasse im Motorsport und verlangt grenzüberschreitende Innovationen und Spitzenleistungen. Wir wollen dort Ingenieurskunst und Technologieführerschaft beweisen."
Es sei eine "Ehre" für GM und Cadillac, an einer solchen Meisterschaft beteiligt zu sein", versichert Reuss. "Wir verpflichten uns, mit Leidenschaft und Integrität anzutreten, um den Sport aufzuwerten."
Dan Towriss als Geschäftsführer von GM-Partner TWG Global ergänzt: "Wir wollen der Formel 1 eine dynamische Präsenz verleihen."
Wann will Cadillac in die Formel 1 einsteigen?
Vermutlich zur Saison 2026, sofern die noch ausstehenden Genehmigungen rechtzeitig vorliegen. Bislang hat Cadillac mit der Formel 1 und dem Automobil-Weltverband (FIA) lediglich eine grundsätzliche Vereinbarung getroffen.
Im November 2024 hieß es, man werde das Bewerbungsverfahren "vorantreiben" und "zu gegebener Zeit" weitere Informationen veröffentlichen. Eine finale Bestätigung steht aber noch aus. Sollte sie nicht rechtzeitig erfolgen für 2026, könnte sich der Einstieg auf 2027 verschieben.
Wovon hängt Cadillacs Formel-1-Einstieg ab?
Von der finalen Startplatzzusage durch Formel 1 und FIA.
Immerhin: Beide Parteien zeigten sich im November 2024 zufrieden mit den "operativen Meilensteinen" und dem "Engagement" von General Motors, ein eigenes Team an den Start bringen zu wollen und "zu einem späteren Zeitpunkt" auch als Motorenlieferant aufzutreten. Seither ruht der Bewerbungsprozess.
Wer steht hinter dem Cadillac-Projekt für die Formel 1?
Ursprünglich hatte Michael Andretti im Jahr 2022 den Bewerbungsprozess für einen Formel-1-Startplatz begonnen, war dabei aber wiederholt auf Widerstände gestoßen - obwohl er mit General Motors und bekannten Großsponsoren namhaften Partner vorweisen konnte.
Zwar erteilte die FIA dem Projekt zunächst ihre Freigabe, die Formel 1 aber legte ein Veto ein. Begründung: Andretti biete keinen Mehrwert.
Um das Scheitern der Bewerbung zu verhindern, wurde das Team 2024 komplett umgekrempelt. Dabei trat Michael Andretti als Teamgründer vollständig von seiner Verantwortung zurück und auch der Name Andretti verschwand gänzlich.
Stattdessen rückte General Motors mit seiner Tochtermarke Cadillac in den Vordergrund, unterstützt von TWG Global, dem Besitzer und Betreiber von Andretti Global. Das scheint einen Nerv bei der Formel 1 getroffen zu haben. Mit einem potenziellen GM-Werksteam ist offenbar ein Mehrwert gegeben.
Wie viel Andretti steckt noch im Cadillac-Team?
Michael Andretti ist aus dem Projekt ausgeschieden und das Team wurde umbenannt. Der Name Andretti aber spielt weiterhin eine Rolle für den Formel-1-Rennstall aus den USA. Denn Ex-Champion Mario Andretti - der Vater von Michael - wird als Direktor im Vorstand des neuen Teams tätig sein und damit eine vergleichbare Rolle einnehmen wie früher Niki Lauda bei Mercedes.
Wie groß sein Schmerz ist, dass es nun doch keine reine Familienangelegenheit wird? Mario Andretti selbst spricht von einer "Erleichterung", das Projekt auf dem richtigen Weg zu wissen, denn jetzt habe das Team eine Zukunft. "Alle sind glücklich, auch mein Sohn Michael. Das ist das Wichtigste."
Michael Andretti meint, er sei sehr stolz auf die Arbeit des Teams und die bislang investierte Vorbereitung. Die Grundsatzvereinbarung mit der Formel 1 sei ein "bedeutender Schritt", zu dem er ausdrücklich "gratuliere". Und auch wenn er nicht mehr direkt beteiligt ist, er werde das Team weiter "anfeuern".
Wie soll die Fahrerbesetzung des Cadillac-Teams aussehen?
Der US-amerikanische IndyCar-Fahrer Colton Herta gilt schon von Anfang an als Favorit auf eines der beiden Cadillac-Cockpits in der Formel 1. Das hat Mario Andretti im Herbst 2024 noch einmal bestätigt, als er sagte: "Das bleibt immer noch eine Priorität, soweit ich weiß. Ich bin sicher, dass er in diese Richtung gehen möchte."
Fraglich ist nur, ob Herta den Wechsel in die Formel 1 tatsächlich vollziehen kann: Noch fehlen ihm die notwendigen Lizenzpunkte für den "Formel-1-Führerschein". Ein Top-4-Ergebnis in der IndyCar-Gesamtwertung 2025 wäre für ihn Pflicht, um das Ticket für die Superlizenz zu lösen.
Laut Mario Andretti will Cadillac "mindestens" einen US-Amerikaner am Steuer haben. Sollte Wunschfahrer Herta dabei sein, dann wäre diese Voraussetzung schon erfüllt.
Darüber hinaus stellt sich Andretti einen in der Formel 1 "erfahrenen Mann" für das zweite Cockpit vor. Hier ist die Auswahl theoretisch groß und womöglich käme der bisherige Red-Bull-Fahrer Sergio Perez in Frage - auch aufgrund seiner vielen Sponsoren.
Der frühere Sauber-Fahrer Marcus Ericsson ist wohl eher kein Thema für einen Stammplatz. Aber: Der Schwede hat bereits verschiedene Simulatoreinheiten für Cadillac bestritten, weil der Rennstall sich hier neu aufstellen will und noch auf der Suche ist nach dem optimalen Material. Ericsson als Testfahrer lag nahe: Er fährt in der IndyCar-Serie für Andretti.
Wer wird Teamchef bei Cadillac in der Formel 1?
Im Dezember 2024 hat Cadillac Graeme Lowdon als Teamchef vorgestellt. Der Brite ist kein Unbekannter in der Formel 1: Er war in der Vergangenheit bereits für Manor und dessen Vorgängerteams Marussia und Virgin tätig und hatte jeweils die Rolle des Geschäftsführers inne.
Hinter den Kulissen hatte Lowdon bereits am Cadillac-Projekt mitgewirkt und das Team zwei Jahre lang als Berater unterstützt. Cadillac schätzt an Lowdon dessen "Erfahrung auf technischer und organisatorischer Ebene in der Formel 1 und in anderen Motorsportprojekten". Zu diesen "anderen Projekten" zählt zum Beispiel, dass Lowdon zuletzt als Fahrermanager von Guanyu Zhou aktiv war.
Lowdon selbst ist sich der gewaltigen Aufgaben bewusst, die vor ihm liegen: "Ich unterschätze das nicht und habe größten Respekt vor der Konkurrenz. Aber ich freue mich auf die Herausforderung und bin stolz, ein Teil davon zu sein."
Welche weiteren bekannten Namen arbeiten für Cadillac?
Cadillac hat einige langjährige Formel-1-Spezialisten unter Vertrag genommen, darunter den früheren Technischen Direktor Pat Symonds, der lange für Renault gearbeitet hat. Auch dessen Renault-Kollege Nick Chester ist jetzt bei Cadillac, genau wie Rob White als früherer Renault-Motorenchef.
Welche technischen Partner wird Cadillac haben?
Cadillac ist bei seinem geplanten Formel-1-Einstieg zur Saison 2026 auf Kundenantriebe angewiesen, weil die eigene Motorenproduktion erst für (frühestens) 2029 realistisch ist. Deshalb hat das US-Team einen Vertrag mit Ferrari unterzeichnet: Die italienische Traditionsmarke stellt ab 2026 für mehrere Jahre Formel-1-Antriebsstränge und Getriebe für Cadillac zur Verfügung, vermutlich mindestens drei Jahre lang.
Für Ferrari ergibt das Sinn: 2026 wird Ferrari-Langzeitpartner Sauber zum Audi-Werksteam und setzt Audi-Antriebe ein. Weil aber mit Cadillac ein neuer Kunde dazukommt, beliefert Ferrari weiterhin zwei andere Teams mit Formel-1-Antrieben. Das andere Ferrari-Partnerteam ist Haas, schon seit 2016. Bedeutet: Beide US-Rennställe setzen ab 2026 auf Ferrari-Technik.
"Bis zum Ende des Jahrzehnts" plant Cadillac eigene Werksmotoren einzusetzen. Dazu hat General Motors in Zusammenarbeit mit TWG Global eine neue Firma gegründet, die für die Entwicklung der Antriebe verantwortlich zeichnen soll: GM Performance Power Units.
Wo wird das Cadillac-Team seine Basis haben?
Cadillacs Formel-1-Projekt wird keine zentrale Niederlassung, sondern mehrere Werke haben. Noch unter Andretti-Regie ist in Silverstone in England eine Formel-1-Fabrik entstanden, die Cadillac als Europa-Basis zur Koordination seiner Einsätze nutzen wird.
Fotostrecke: Erste Bilder vom neuen Formel-1-Werk von Andretti in Silverstone
So sieht das neue Formel-1-Werk von Andretti in Silverstone aus. Der US-Rennstall mit Hauptsitz in Indianapolis hat ... Fotostrecke
Forschung, Entwicklung und Produktion von Cadillac sollen in Amerika stattfinden: General Motors baut bis 2026 eine neue Motorenfabrik in der Nähe seines Technikzentrums in Charlotte. Der Autobau soll in der Andretti-Zentrale bei Indianapolis erfolgen. Weitere Aktivitäten werden in einem weiteren GM-Technikzentrum in Warren stattfinden.
Was ist die Geschichte von Cadillac im Motorsport?
General Motors und seine Tochtermarken waren bisher nur beiläufig in die Formel 1 involviert: Von 1951 bis 1953 nahmen verschiedene Fahrzeuge mit GM-Antrieben an den 500 Meilen von Indianapolis teil, die zu dieser Zeit zum Kalender der Formel-1-Weltmeisterschaft zählten. Das Rennen selbst wurde aber nie nach Formel-1-Regeln ausgetragen. Und keines der Autos mit GM-Motor überstand die Qualifikation.
Ebenfalls in den 1950er-Jahren war Cadillac für wenige Jahre in der US-amerikanischen NASCAR unterwegs und trat erst einige Jahrzehnte später wieder prominent im Motorsport auf, nämlich als Antriebslieferant in der amerikanischen Le-Mans-Serie ab 2000. Mangels Erfolgs zog sich die Marke jedoch bald wieder zurück.
Seit 2017 mischt Cadillac wieder mit im Prototypensport und verzeichnet in der US-amerikanischen IMSA-Sportwagen-Serie einige Erfolge. 2023 baute Cadillac sein Motorsport-Projekt auf der Langstrecke aus und startete zusätzlich in der Langstrecken-WM (WEC) und bei den 24 Stunden von Le Mans. Ergebnis: Vier IMSA-Gesamtsiege, der vierte Platz in der WEC 2023 sowie Platz drei in Le Mans 2023.