"Schadensbegrenzung" bei Verstappen: "Von vorn hätten wir um Sieg gekämpft"

Max Verstappen baut seinen WM-Vorsprung trotz einiger Hindernisse in Spa sogar noch aus: Für die zweite Saisonhälfte herrscht bei Red Bull aber Alarmstufe Rot

(Motorsport-Total.com) - Viel kann sich Max Verstappen nach dem Großen Preis von Belgien nicht vorwerfen: Mit seiner Hypothek von zehn Startplätzen Strafversetzung für den Motorwechsel geht der Weltmeister am Sonntag gehandicapt ins Rennen - und nimmt, auch begünstigt durch die Disqualifikation von Sieger George Russell, als Vierter am Ende trotzdem reichlich Punkte mit aus Spa.

Im Getümmel: Max Verstappen musste in Spa von Platz elf aus starten

"Von unserer Seite war es Schadensbegrenzung", ordnet Verstappen nach dem Rennen ein, und macht klar, worauf es in dieser Phase der Saison vor allem für ihn ankommt: "Ich war auch noch vor Lando, und das ist mein Gegner in der Meisterschaft", sagt der Red-Bull-Pilot. Zwei Punkte mehr als McLarens Norris holt Verstappen, liegt zehn Rennen vor Schluss nun 78 Zähler vor dem Briten.

"Wenn man auf die Meisterschaft schaut, war es ein positiver Tag, ich habe meinen Vorsprung ausgebaut, obwohl wir hier auch leicht Verluste hätten schreiben können", sagt Verstappen. Dass er um den Sieg diesmal kein Wörtchen mitreden konnte, müsse man eben so hinnehmen: "Ich wusste schon, dass heute schwierig wird, weil wir die letzten paar Rennen nicht die Schnellsten waren. Vom elften Platz nach vorne zu fahren, das geht jetzt nicht."

Die Zeiten der Dominanz von Red Bull sind schließlich vorbei - hinzu kommt in Spa am Sonntag aber auch ein großes Überholdelta, wie Red Bulls Motorsportberater Helmut Marko bei ServusTV erklärt: "Letztlich war das Überholen gleich schwer wie in Ungarn, obwohl die Gerade viel länger ist. Es hat sich herausgestellt, dass du im Mittelsektor nicht dranbleiben kannst, da ruinierst du dir die Vorderreifen."

Der Österreicher verrät in Bezug auf Verstappen: "Wenn er zu nah auffährt, also unter einer Sekunde, werden die Vorderreifen heiß, und damit verliert er die Balance. Ich glaube es war auch falsch, dass man hier die DRS-Zone verkürzt hat, ohne Notwendigkeit. Mit einer etwas längeren DRS-Zone wäre es vielleicht leichter möglich gewesen, zu überholen."

Die Formel 1 hat einen Vierkampf: Ferrari vor Mercedes, Red Bull und McLaren

So fällt Markos Fazit weniger positiv aus: "Wir sind leicht enttäuscht. Wir haben uns mehr erwartet", sagt der Grazer, und bemängelt unter anderem den fehlenden Topspeed bei Red Bull. Dass Verstappen sich mit seinen eher steilen Flügeleinstellungen am Sonntag das Leben zusätzlich schwer gemacht hat, glaubt der Niederländer selbst nach dem Rennen trotzdem nicht:

"Ich denke nicht. Die Balance des Autos war damit in den ersten Runden nicht zu schlecht, aber natürlich bin ich viel im Verkehr gefahren, was dann wahrscheinlich nicht geholfen hat. Aber ja, wir waren einfach nicht schneller als die Autos um uns herum", sagt Verstappen - langsamer allerdings auch nicht zwingend ...

Verstappen: "Wir haben ein bisschen Arbeit vor uns"

"Wenn wir von vorn starten, mit der Pace die wir hatten, hätten wir meiner Meinung nach trotzdem um den Sieg gekämpft", sagt der Red-Bull-Star: "Aber von Platz elf wird es natürlich immer schwer." Dabei half Verstappen am Sonntag weder der DRS-Zug, in dem er bald steckte, noch der Umstand, dass die Konkurrenten am Schluss allesamt auf harten Reifen waren, und er auf Mediums.

"Wir hatten nur einen harten Satz, im letzten Stint war es dann schwierig. Alle anderen hatten die harten Reifen, da kannst du schon ein bisschen mehr pushen", erklärt Verstappen bei Sky, warum am Ende nach vorne nichts mehr ging, und er sogar nach hinten gegen Norris abdecken musste.

Max Verstappen baute seinen WM-Vorsprung in Belgien trotzdem weiter aus

Am aktuellen Kräfteverhältnis, beziehungsweise der Ausgeglichenheit an der Spitze, habe sich nicht viel geändert: "Es dreht sich immer ein bisschen, aber natürlich ist McLaren wirklich konstant schnell, Mercedes auch, aber nicht überall. Und wir haben ein bisschen Arbeit vor uns, das wissen wir", sagt Verstappen vor der Pause: "Wir müssen einige Dinge analysieren, um zu sehen, was wir mit dem Auto für den Rest der Saison machen."

Geht es nach Helmut Marko, muss Red Bull aber nicht nur auf technischer, sondern auch auf operativer Seite über neue Lösungsansätze nachdenken - wie etwa in Bezug auf die bei den letzten Rennen aufgetretene Überholproblematik: "Es scheint, dass diese Autos von der Aerodynamik so ausgeklügelt sind, dass sie durcheinander kommt, sobald du nahe hinterherfährst", sagt der ehemalige Rennfahrer.

Marko: Ab sofort voller Fokus aufs Qualifying

Markos Schlussfolgerung ist deshalb eine praktische: "Zandvoort und Monza, da man muss fast alles aufs Qualifying legen", meint der Red-Bull-Berater vor dem Hintergrund dieser neuen Erkenntnis: "Es ist letztlich fast nur noch das Qualifying, das über den Ausgang eines Rennens entscheidet."

Während Marko mit Blick aufs Rennen in Spa Mercedes zu ihrer gelungenen "Hauruck-Aktion" gratuliert, wie der Österreicher den Umbau des W15 in der Nacht vor dem Qualifying nennt, zeigt er sich auch von Ferrari überrascht: "Wir haben auch nicht gedacht, dass Ferrari im Trockenen so schnell sein wird."

Ganz neue Gegner: Max Verstappen tat sich im Verkehr teilweise schwer

Das Feld sei also weiter "zusammengerückt", so Marko, der daraus mit Blick auf die zweite Saisonhälfte ableitet: "Es wird ein Vierkampf werden. Jeder Punkt zählt." Damit sein Team aus diesem als Sieger hervorgehen kann, müsse nun "von der Technik her mehr Stabilität" geschaffen werden, damit "die Balance über die Renndistanz nicht so variiert".

"Ob man das aber schafft, das Auto trotzdem stabil zu halten, auch wenn man hinterherfährt, wird glaube ich schwierig", sagt der Red-Bull-Berater. Deswegen, frei nach Markos neuer Vorgabe, in Zukunft lieber gleich von vorne starten ...