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O'Wards "märchenhafter" Karriereplan: Indy-500-Sieg mit McLaren, dann F1
IndyCar-Pilot Patricio O'Ward berichtet nach starkem Abu-Dhabi-Test von immensen Fortschritten im Formel-1-Auto und erläutert, wie er weiter vorgehen will
(Motorsport-Total.com) - Mit seiner Berufung in den Pool der Ersatzfahrer in McLarens Formel-1-Programm ist IndyCar-Pilot Patricio "Pato" O'Ward vor wenigen Tagen seinem Traum nähergekommen, irgendwann Stammfahrer in der Formel 1 zu werden. Einen weiteren Schritt auf diesem Weg hat der 24-jährige Mexikaner am Dienstag getan. Den Formel-1-Test in Abu Dhabi schloss er in Reihen der 25 angetretenen Piloten als Zweitschnellster ab.
© Motorsport Images
Mit P2 und großen Fortschritten überzeugte "Pato" O'Ward beim Abu-Dhabi-Test Zoom Download
Max Verstappen, Lewis Hamilton und Co. waren am Dienstag zwar nicht im Einsatz. Der zweimalige Weltmeister Fernando Alonso aber und auch Rennsieger wie Daniel Ricciardo, Sergio Perez, Charles Leclerc, Carlos Sainz, George Russell sowie Esteban Ocon (der letztlich Testbestzeit fuhr) waren am letzten Testtag des Jahres durchaus auf der Strecke.
O'Ward, für den es vier Tage nach seinem Freitagseinsatz zum Abu-Dhabi-Grand-Prix erst der zweite Einsatz überhaupt im aktuellen McLaren MCL60 war, schloss den Test mit nur 0,269 Sekunden Rückstand auf Ocon ab. Viel wichtiger als die persönlich beste Rundenzeit sind für den IndyCar-Piloten aber die Fortschritte, die er im Vergleich zu seinem ersten Formel-1-Test erzielt hat.
Erstmals in einem modernen Grand-Prix-Boliden saß O'Ward vor genau zwei Jahren, beim Abu-Dhabi-Test 2021. Bei jener Gelegenheit fuhr er den damals aktuellen McLaren MCL35M. Dieses Auto bewegte der Mexikaner anschließend noch mehrere Male bei Testfahrten. Parallel dazu gab er im November 2022 in Abu Dhabi sein Debüt als Freitagsfahrer.
Den bisher stärksten Eindruck - nicht zuletzt für sich selber - hat O'Ward nun beim Abu-Dhabi-Test 2023 hinterlassen. Sieht er sich jetzt näher an einem Formel-1-Stammcockpit als jemals zuvor? "Absolut", antwortet O'Ward auf entsprechende Nachfrage und führt aus. "Mit jedem weiteren Freitagstraining, mit jedem weiteren Testtag, bekommst du mehr Zeit im Cockpit. Das bedeutet, dass es jemanden gibt, der an dich glaubt und der die Chance bietet bereit zu sein, sobald sich die Türen tatsächlich öffnen."
Die McLaren-Stammpiloten haben derzeit bis Ende 2025 (Lando Norris) beziehungsweise sogar Ende 2026 (Oscar Piastri) Vertrag. So schnell wird sich für O'Ward also keine Gelegenheit auf einen Platz als Formel-1-Stammfahrer für McLaren ergeben. Aber der Mexikaner hat in der IndyCar-Serie, wo er seit 2019 fährt (seit 2020 für McLaren) ohnehin noch einiges vor.
O'Ward will "derjenige sein", der für McLaren das Indy 500 gewinnt
"Ich bin voll darauf fokussiert, was ich in der IndyCar-Serie zu tun habe. Ich will McLaren den Indy-500-Sieg schenken", sagt O'Ward und erklärt: "Ich will derjenige sein, der ihnen dieses Geschenk macht, weil ich jetzt schon vier Jahre für dieses Team fahre und vor meinem fünften stehe. Wir waren schon so dicht dran, sowohl in Indy als auch in der Meisterschaft. Ich will das für das Team und für mich selber einfach schaffen."
Beim Indy 500, dem mit Abstand prestigeträchtigsten und traditionsreichsten aller IndyCar-Rennen, fuhr O'Ward sowohl 2022 als auch 2023 um den Sieg mit. 2022 wurde er Zweiter hinter Ex-Formel-1-Pilot Marcus Ericsson. 2023 waren es genau die beiden, die in der Schlussphase im Kampf um Platz zwei aneinandergerieten. Während Ericsson das Rennen als enttäuschter Zweiter beendete, schied O'Ward beim Zwischenfall mit dem Vorjahressieger aus.
In der IndyCar-Gesamtwertung hat es O'Ward in den vier Jahren seit seinem Wechsel zu McLaren dreimal in die Top 4 geschafft, davon einmal (2021) in die Top 3. Der IndyCar-Titel und auch der Sieg beim Indy 500 fehlen ihm noch. 2024 findet das IndyCar-Saisonfinale auf dem Stadtkurs in Nashville statt, und zwar am 15. September. "Sobald ich in Nashville mit allem fertig bin, wird mein erstes Rennwochenende mit dem [Formel-1-]Team dann Singapur sein", blickt O'Ward schon mal fast ein Jahr voraus.
Herausforderung Formel 1: Kein Schalter, den man einfach umlegt
Und dann? "Es wäre natürlich absolut märchenhaft, die Herausforderung Formel 1 anzunehmen und hier nicht nur mitzufahren, sondern anzutreten, um zu gewinnen", sagt O'Ward nach seinem erfolgreichen Abu-Dhabi-Test. Denn: "Wir treten nun mal an, um zu gewinnen. Wir sind nicht hier, um die schönen Seiten des Sports zu genießen. Das ist nun mal ein wettbewerbsorientierter Sport. Und anhand dessen, was ich bisher in meiner Karriere gelernt habe, musst du dich in unkomfortable Situationen begeben, wenn du weiterkommen willst."
"Für mich war das vor zwei Jahren eine ausgesprochen unkomfortable Situation", denkt O'Ward an den Abu-Dhabi-Test 2021 und sein Debüt in McLarens Formel-1-Programm zurück. "Es ist einfach etwas ganz anders [als IndyCar]", sagt er. "Es sind jede Menge Augen auf dich gerichtet und es braucht einfach eine gewisse Zeit, um sich an alles zu gewöhnen. Es ist nicht einfach ein Schalter, den du sofort umlegen kannst nach dem Motto sagen: 'Jetzt kann ich es, jetzt weiß ich es.' In Wahrheit bedarf es einer Menge Arbeit und jeder Menge Details."
Einige dieser Details auf seiner Liste hat O'Ward am Dienstag im Verlauf von 103 zurückgelegten Runden abhaken können. "Heute hatte ich das wirklich wunderbare Gefühl, dass das Auto genau das gemacht hat, was mir wünsche. Es war nicht mehr dieses Gefühl des Herantastens und Ratens, was das Auto wohl als nächstes machen wird. Diese Autos sind so gut. Man muss sich da wirklich Schritt für Schritt vorarbeiten und das Vertrauen aufbauen, um das Auto am Limit bewegen zu können", erklärt der 24-Jährige.
O'Ward staunt über Ground-Effect und freut sich über starken Hals
"Ich konnte im Verlauf des heutigen Tages wirklich spüren, dass ich riesige Fortschritte gemacht habe. Allein, wenn ich meinen vorletzten Run auf den weichen Reifen mit meinem letzten Run auf den weichen Reifen vergleiche, dann ist der Unterschied riesig", freut sich O'Ward und sagt: "Es läuft einfach so, dass du dir die Daten anschaust, du versuchst daraus zu lernen und du dann versuchst, es auf der Strecke umzusetzen."
"Aber", so der IndyCar-Pilot weiter, "du kannst dir noch so viele Daten und Linien ansehen. Du wirst dabei niemals so viel lernen wie wenn du im Auto sitzt und es tatsächlich umsetzt. Das ist der einzige Weg, voranzukommen. Du musst diese Erfahrung einfach machen, um das Auto zu verstehen und in der Lage zu sein, den nächsten Schritt zu machen. Das wird dir einfach nicht gelingen, solange du nur auf Linien starrst".
Dass O'Ward am Dienstag in Abu Dhabi so gut zurechtgekommen ist und sich in der Schlussphase des Tages sogar noch steigern konnte, das führt er nicht zuletzt auf sein rigoroses Fitnessprogramm der vergangenen zwei Jahre zurück.
"Ich bin heute mehr als 100 Runden gefahren und mein Hals hat die weggesteckt wie ein Weltmeister", berichtet der IndyCar-Pilot und weiter: "Darauf bin ich wirklich sehr stolz. Denn ihr könnt euch nicht vorstellen, wie ich in den vergangenen zwei Jahren geschuftet habe, um meinen Hals darauf vorzubereiten. Ich habe ihn wirklich Tag für Tag für Tag regelrecht zerstört, sodass er den Belastungen und den Fähigkeiten dieser [Formel-1-]Autos standhält."
"Vor allem in den schnellen Kurven ist es einfach nur unglaublich, mit wie viel Tempo man sowohl am Eingang als auch am Ausgang der Kurven fahren kann. Man kann an Stellen aufs Gas treten, an denen man das niemals für möglich halten würde. Aber es geht tatsächlich, weil diese Autos einfach am Boden kleben", schwärmt O'Ward vom immensen Abtrieb der modernen Ground-Effect-Autos in der Formel 1 und unterstreicht: "Das ist wirklich überwältigend!"
"Wenn es klappt, fantastisch! Wenn nicht, dann ..."
Ungeachtet dessen, wie seine Karriere in den kommenden Jahren weiter verläuft, so glaubt Patricio O'Ward, dass ihn seine Einsätze als Test- und künftig Ersatzfahrer im Formel-1-Cockpit zu einem insgesamt besseren Rennfahrer machen.
"Das alles kann manchmal sehr frustrierend sein. Aber ich habe in meiner Karriere gelernt, dass man hart arbeiten muss. Deshalb ist das für mich eine schöne Herausforderung, die ich gerne annehme. Wenn es [mit einem Stammcockpit] klappt, fantastisch! Ich weiß, dass ich gut genug bin. Wenn es aber nicht klappt, dann wird mich das überall anderswo besser machen", so der McLaren-Youngster aus Mexiko.