• 03. November 2022 · 12:41 Uhr

Ausgerechnet: Was die Budgetstrafe gegen Red Bull konkret bedeutet

Red-Bull-Teamchef Christian Horner schlägt vor, die sieben Millionen für die Rettung der W-Serie zu verwenden, während Marc Surer den Härtegrad der Strafe einordnet

(Motorsport-Total.com) - Sieben Millionen US-Dollar Geldstrafe und zehn Prozent weniger Windkanal- und CFD-Kapazitäten für ein Jahr: Die Strafe gegen Red Bull Racing im Streit um die 2021 überzogene Budgetobergrenze war beim Grand Prix von Mexiko ein großes Diskussionsthema im Paddock. Viele insbesondere Red-Bull-kritische Beobachter empfinden das Urteil als zu mild. Eine Haltung, die Formel-1-Experte Marc Surer nicht ganz nachvollziehen kann.

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Red Bull muss mit weniger Aero-Ressourcen auskommen als die anderen Teams Zoom Download

Der ehemalige Rennfahrer findet, dass das Urteil "genau richtig" ist, denn: "Es braucht eine harte Strafe, und das ist hier gegeben. Die sieben Millionen tun sicherlich der FIA gut, und ich hoffe, dass die dann für etwas Gescheites eingesetzt werden. Aber die harte Strafe sind sicherlich die begrenzten Windkanalstunden und Simulationen, die ja ebenfalls eingeschränkt werden", sagt er in einem Interview auf dem YouTube-Kanal von Formel1.de.

Zehn Prozent weniger aerodynamische Testressourcen (ATR), das sei "eine enorme Zahl", fürchtet Red-Bull-Teamchef Christian Horner und negiert Annahmen, wonach Red Bull die Strafe erst 2024 so richtig spüren werde, weil die Entwicklung des 2023er-Boliden bereits weit fortgeschritten sei: "Die Sanktion greift ab jetzt für zwölf Monate, und sie wirkt sich unmittelbar auf das nächstjährige Auto aus."

Horner behauptet, dass die öffentliche Vorverurteilung, die durch seiner Einschätzung nach von Konkurrenzteams gefütterte Medienberichterstattung und Aktionen wie etwa den Brief von McLaren-CEO Zak Brown an die FIA der Härtegrad des Urteils beeinflusst werden sollte.

Horner: Haben McLaren & Co. das Urteil beeinflusst?

Er sagt: "Die FIA hätte auch andere sportliche Strafen verhängen können. Aber für diese wurde am intensivsten lobbyiert, weil die anderen Teams genau wussten, dass sie uns am härtesten treffen würde."

"Einige von ihnen hatten wenig Hemmungen, in den Medien darüber zu sprechen. Ich bin sicher, einige werden noch mehr reden. Ich bin sicher, selbst wenn sie unseren Windkanal niederbrennen würden, wäre das als Strafe nicht hart genug für sie", erklärt Horner.

"Um ganz ehrlich zu sein: Ich finde, dass uns einige unserer Rivalen eine Entschuldigung schulden, für einige der Behauptungen, die sie aufgestellt haben. Wir entschuldigen uns nicht für das, wie wir uns verhalten haben. Wir nehmen zur Kenntnis, dass wir daraus etwas lernen müssen. Vielleicht haben wir in unserer Einreichung Fehler gemacht. Im Nachhinein wissen es alle besser."

"Aber: Es war keine böse Absicht und nichts Unredliches dran. Und ganz sicher war es kein Betrug, wie das in manchen Ecken behauptet wurde. Ich habe daher nicht das Gefühl, dass wir uns entschuldigen müssen."

"Wir haben unser Fett wegbekommen, und das auf sehr öffentliche Art und Weise, durch die Vorwürfe, die von anderen Teams erhoben wurden. Unsere Fahrer wurden an den Rennstrecken ausgebuht. Der Schaden, der durch diese Vorwürfe für unsere Reputation entstanden ist, war signifikant. Das muss jetzt aufhören", fordert Horner.

Ausgerechnet: So hart ist die Strafe wirklich

Den sportlichen Schaden, der durch die Strafe entstehen könnte, beziffert er mit "0,25 bis 0,5 Sekunden pro Runde". Auf Nachfrage von 'Motorsport-Total.com' präzisiert Horner: Damit meine er die Auswirkungen einerseits der ATR-Strafe, andererseits aber auch der Handicapregel, durch die Red Bull als Führender in der Konstrukteurs-WM am wenigsten aerodynamische Ressourcen verwenden darf.

Das geht so: Das FIA-Reglement legt einen Koeffizienten von 100 Prozent fest. Dieser entspricht 320 Windkanalsessions, bei denen der Windkanal insgesamt 80 Stunden laufen und die im Windkanal verbrachte Zeit 400 Stunden nicht überschreiten darf. Windkanalsessions müssen auch vor- und nachbereitet werden, daher so ein großes Delta zwischen Brutto- und Nettolaufzeit. Überwacht wird das durch FIA-Livekameras im Windkanal.

Auch die CFD-Simulationen sind mit 2.000 genau definierten Einheiten gedeckelt. Der Koeffizient 100 Prozent wird aber für das siebtplatzierte Team in der Konstrukteurs-WM angewendet. Bei Red Bull, derzeit WM-Leader, greift Koeffizient 70. Das bedeutet maximal 224 Sessions im Windkanal (oder 56 Netto- beziehungsweise 280 Bruttostunden).

Dieser sogenannte ATR-Koeffizient wird halbjährlich angepasst. Sprich: Bis 31. Juni 2022 war noch Mercedes als Konstrukteurs-Weltmeister 2021 auf P1 und Red Bull auf P2 der Tabelle (Koeffizient 75 Prozent für P2). Seit 1. Juli 2022 ist Red Bull als Erster am stärksten gehandicapt. Und weil Red Bull bereits als Weltmeister 2022 feststeht, bleibt das auch bis mindestens 31. Juni 2023 so.

Vom derzeitigen Red-Bull-Koeffizienten von 70 Prozent werden weitere zehn Prozent durch die FIA-Strafe abgezogen, sodass der neue Koeffizient nur noch bei 63 liegt. Unabhängig vom ATR-Koeffizienten, wie er sich durch die Handicapregel errechnet, werden diese zehn Prozent bis Oktober 2023 zusätzlich abgezogen.

Surer über Härte der Strafe: "Das tut weh"

"Das tut weh", weiß Marc Surer. In der Formel 1 seien Windkanal und CFD "das wichtigste Instrument, um ein Auto schnell zu machen. Aber da wird jetzt eingeschnitten, und das ist schon ein bisschen Gleichmacherei, denn den Schnellsten bestraft man und den Hinteren hilft man. Das wird langfristig dazu führen, dass die Autos näher zusammenrücken."

Für Horner ist klar: "Wir sind Opfer unseres eigenen Erfolgs. Wir haben 15 Prozent weniger Windkanalzeit als das zweitplatzierte Team der Konstrukteurs-WM und sogar 20 Prozent weniger als das drittplatzierte Team. Eine drakonische Anzahl. Diese zehn Prozent werden sich nächstes Jahr auf unsere Leistungsfähigkeit auf der Strecke auswirken."

Bei Red Bull hat man das Gefühl, durch die Strafe doppelt getroffen zu werden, weil der hauseigene Windkanal in Milton Keynes bereits in die Jahre gekommen ist. "Der wurde knapp nach Kriegsende gebaut", erklärt Red-Bull-Motorsportkonsulent Helmut Marko im Interview mit 'Sky'. "Wenn es draußen zu kalt oder zu warm ist, brauchen wir noch länger, bis wir die richtige Temperatur haben."

Was das alles mit Dartpfeilen zu tun hat

Für Red Bull bedeutet das, dass effizienter gearbeitet werden muss als bisher. Wenn jede Entwicklung, die in den Windkanal geht, dort rasch als Verbesserung verifiziert werden kann, tut die Strafe am Ende gar nicht weh. Oder, wie Chefredakteur Christian Nimmervoll in der aktuellen Ausgabe des Formel-1-Podcasts 'Starting Grid' erklärt: Man kann mit 200 Dartpfeilen zweimal ins Schwarze treffen; theoretisch reichen dafür aber auch zwei.

"Das heißt, wir dürfen keinen Fehlschuss mehr machen", nickt Marko. Doch was das betrifft, ist Horner optimistisch, denn: "Was wir an ATR verloren haben, das haben wir an Motivation dazugewonnen. Vielleicht haben wir zehn Prozent an ATR verloren, aber dadurch haben wir 25 Prozent Motivation eines jeden einzelnen Mitarbeiters in Milton Keynes gewonnen!"

Horner fordert: Geld für W-Serie einsetzen!

Übrigens: Die sieben Millionen Dollar Strafe, die kann Red Bull insofern ganz gut verkraften, als diese nicht im vom Deckel erfassten Budget verbucht werden müssen. Sportlich wird sich die Geldkomponente der Strafe also nicht auswirken. Aber viele fragen sich, was mit dem Geld jetzt passiert und was die FIA damit anstellen wird.

Horner könnte sich vorstellen, das Geld in die W-Serie zu investieren, in der nur Frauen startberechtigt sind und die aufgrund akuter Finanzprobleme ihre Saison vorzeitig einstellen musste: "Es ist Sache der FIA, zu entscheiden, was mit diesem Geld passiert. Wir hoffen nur, dass es sinnvoll eingesetzt wird. Wir sehen, dass es Meisterschaften gibt, die im Moment Probleme haben. Vielleicht kann man denen helfen."


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