Aston-Designer Dan Fallows: Wie er seine Ehefrau wahnsinnig macht
Aston-Martin-Technikdirektor Dan Fallows verrät, warum er Red Bull nach so langer Zeit verlassen hat und wie er auf seine besten Aerodynamikideen kommt
(Motorsport-Total.com) - Aston-Martin-Technikdirektor Dan Fallows ist mittlerweile mehr als ein halbes Jahr im Amt, nachdem der Brite zuvor jahrelang die Aerodynamikabteilung von Red Bull geleitet hat. Im hauseigenen Aston-Martin-Feature 'Undercut' hat Fallows über seinen Wechsel von Red Bull zu Aston Martin sowie über seine große Leidenschaft, "schnelle Autos zu bauen" gesprochen, womit er zum Teil seine Ehefrau wahnsinnig macht.
© Red Bull Content Pool
Ex-Red-Bull-Aerodynamiker Dan Fallows ist jetzt Technikdirektor bei Aston Martin Zoom Download
"Normalerweise um drei Uhr nachts", antwortet Fallows auf die Frage, wann er auf seine besten Ideen kommt. "Das macht meine Frau wahnsinnig, dass ich plötzlich mitten in der Nacht mit einer Idee aufwache. Das ist wirklich seltsam. Es ist, als würde das Gehirn im Hintergrund all diese Prozesse ablaufen lassen, während man schläft", sagt er.
"Ich liebe das, fast bis zu dem Punkt, an dem ich versuche, mit einem Problem im Kopf von der Arbeit zu gehen und zu mir selbst zu sagen: 'Gut, los geht's', und mein Gehirn an die Arbeit gehen zu lassen. Manchmal ist man enttäuscht, aber manchmal schlägt der Blitz ein und man wacht auf und denkt: 'Oh ja, das muss ich einfach machen.' Das ist schon seltsam."
Fallows: Gute Ideen kommen nicht vor dem Computer
"Es ist wirklich interessant zu verstehen, wie Menschen am besten arbeiten und wie sie auf Ideen kommen - das ist bei jedem anders. Bei mir ist es aus irgendeinem Grund mitten in der Nacht, bei anderen passiert es, wenn sie spazieren gehen oder joggen, aber es ist fast nie das Ergebnis davon, stundenlang auf dasselbe Problem zu starren."
"Deshalb untersuchen wir, wie wir in der neuen Fabrik [von Aston Martin] Freiräumen Vorrang schaffen können, denn diese Dinge fallen einem nicht ein, wenn man die ganze Zeit auf einen Bildschirm starrt", erklärt Fallows.
Auch wenn die Ergebnisse bei Aston Martin noch nicht wirklich stimmen und sein Ex-Team Red Bull aktuell von einem Erfolg zum nächsten marschiert, hat Fallows seinen Wechsel noch nicht bereut: "Es war bisher eine faszinierende Reise und ich bin erst seit einigen Monaten hier", sagt er.
Wo Aston Martin strukturell noch Nachholbedarf hat
"Am auffälligsten ist für mich, dass Aston Martin sich immer noch wie ein Rennteam anfühlt - jeder unterstützt den anderen sehr. Wenn ein Team in sehr kurzer Zeit stark wächst, kann es unübersichtlich werden und die Abteilungen sprechen nicht richtig miteinander. Aber die Kommunikationswege sind hier sehr einfach und klar - wir müssen sicherstellen, dass wir das nicht verlieren."
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Doch auch das Personal in Silverstone hat Fallows ermutigt: "Die hohe Qualität der Leute, die wir bei Aston Martin haben, hat mich wirklich beeindruckt. Das Ingenieurstalent ist wirklich auf dem Niveau, das es haben muss - großartige Ideen, wirklich gute Kreativität."
"Das Einzige, was noch fehlt, ist eine einheitliche Zielsetzung - und ich hoffe, dass ich dazu beitragen kann. Es geht darum, von Anfang an bei der Entwicklung des Autos im Blick zu haben, was man auf der Rennstrecke erreichen will."
Warum Fallows Red Bull verlassen hat
Auf dem Papier könnten sich einige wundern, warum der Aerodynamikexperte Red Bull in einer Phase des Aufschwungs Richtung Aston Martin verlassen hat, besonders weil die aktuellen Erfolge von Max Verstappen auch noch Früchte seiner Arbeit sind, doch Fallows brauchte anscheinend einen Tapetenwechsel.
"Ich wollte eine neue Herausforderung", sagt er. "Die schönsten Momente in meiner Laufbahn waren die, in denen ich vor eine Herausforderung gestellt wurde, die ich dann auch bewältigt habe. Es geht aber nicht nur um die Herausforderung, sondern auch um die Möglichkeit, Teil von etwas zu sein, das sich von etwas Bescheidenem zu etwas Spektakulärem entwickelt."
Fallows: Geht nicht darum die Top-Teams zu kopieren
"Aston Martin ist sehr ehrgeizig - von Lawrence Stroll an der Spitze bis hin zum gesamten Team. Daher ist es unglaublich aufregend, dass man mich gebeten hat, das Team auf seinem Weg zu begleiten, aber auch, dass man mir die Ressourcen zur Verfügung stellt, die ich habe", erklärt der Technikdirektor.
"Es ist unglaublich aufregend, wenn jemand so viel Vertrauen in einen setzt und er im Grunde sagt: 'Hier ist ein Formel-1-Team, mach es zu dem, was du willst, hol dir die Leute, die du willst, führe es so, wie du willst, mach es erfolgreich und mach dir einen Namen'. Ich habe diese Herausforderung angenommen, weil ich das Gefühl hatte, dass die Dinge anders gemacht werden können."
"Es geht nicht darum, die Dinge auf die Red-Bull-, Mercedes- oder Ferrari-Art zu machen. Es geht darum, einen besseren Weg zu finden - den Weg von Aston Martin. Wenn man an der gleichen Stelle bleibt und erfolgreich ist, wird man immer wieder dasselbe tun - und das wird irgendwie langweilig", so Fallows.
Fallows: Aston Martin erinnert mich an Anfangsjahre bei Red Bull
Angesprochen auf mögliche Gemeinsamkeiten zwischen Red Bulls Anfangszeit in der Formel 1 und aktuell Aston Martin, sagt er: "Einer der aufregendsten Abschnitte der Reise von Red Bull war, als sich das Team aus Jaguar entwickelte. Ein kleines Team mit einem sehr begrenzten Budget verfügte plötzlich über deutlich mehr Budget, mehr Ressourcen und mehr technische Stärke an der Spitze."
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"Es war unglaublich aufregend, das Team wachsen zu sehen, Teil dieses Wachstums zu sein, Teil des Erfolgs zu sein, sogar Fehler zu machen und aus ihnen zu lernen. Was jetzt bei Aston Martin passiert, fühlt sich sehr ähnlich an wie das, was damals bei Red Bull passiert ist."
Fallows: Das war mein größter Fehler bei Red Bull
Für seine Aufgabe bei Aston Martin verfügt Fallows über einen breiten Erfahrungsschatz, vor allem, weil er in seiner Karriere schon einige Fehler gemacht hat, aus denen er lernen konnte: "In der Vergangenheit habe ich versucht, Menschen zu sehr zu ermächtigen", reflektiert Fallows.
"Menschen zu ermächtigen ist der richtige Weg, aber man kann jemanden so sehr ermächtigen, dass die Freiheit, die man ihm gibt, schnell dazu führen kann, dass er sich nicht mehr unterstützt fühlt. Man sollte den Leuten Raum geben, Fehler zu machen - keine Angst davor zu haben, Fehler zu machen - und aus ihnen zu lernen, aber nicht so viel, dass sie sich nicht mehr gebunden fühlen."
"Ich habe gelernt, dass ein kleines Eingreifen, eine lenkende Hand zur richtigen Zeit, die Menschen beruhigen und sicherstellen kann, dass sie nie das Gefühl haben, zu weit vom richtigen Weg abzuweichen", erklärt er.
Wie Fallows die Übergangszeit genutzt hat
Insgesamt hat Fallows zusammen mit Red Bull an neun Meisterschaften einen entscheidenden Einfluss gehabt, zuletzt am Fahrertitel von Max Verstappen in der abgelaufenen Saison. Ende Juni 2021 war jedoch Schluss bei Red Bull und Fallows musste eine neunmonatige Übergangszeit machen, ehe er im März zu Aston Martin stoßen konnte.
Auf die Frage, was er in der sogenannten Zeit des "gardening leave" gemacht habe, sagt Fallows: "Ich habe die Zeit genutzt, um über die acht Jahre nachzudenken, in denen ich Leiter der Aerodynamikabteilung bei Red Bull war."
"Die Fehler, die ich gemacht habe; die Dinge, die ich gut gemacht habe; die Dinge, die ich ausprobiert habe und die funktioniert haben und die, die nicht funktioniert haben. Und ich legte für mich fest, wie ich als technischer Leiter sein will, wie ich mich präsentieren würde, wie ich will, dass die Leute mich wahrnehmen, welche Art von Leuten ich um mich herum haben will und wie ich will, dass die technischen Teams arbeiten", erklärt er.
"Als ich bei Aston Martin ankam, hatte ich eine klare Vorstellung davon, wie ich die Dinge angehen werde, wie die Menschen im Team miteinander umgehen und kommunizieren sollten und so weiter."
Mit dem neunten Platz in der Konstrukteurswertung bleibt das Aston-Martin-Team aktuell weit hinter den eigenen Erwartungen, doch mit dem Bau einer neuen Fabrik und den Verpflichtungen einer Reihe von erfahrenen Mitarbeitern aus Top-Teams, wie Fallows oder auch Fernando Alonso, stehen die Zeichen gut, dass das Team in den kommenden Jahren einen großen Sprung machen könnte.