• 22. Februar 2022 · 12:57 Uhr

Wurz verrät: Brief der Fahrer war Anstoß für neue Regeln in der Formel 1

Als Liberty Media die Formel 1 übernahm, war es ein Schreiben der Fahrer, dass die Bosse zum Umdenken bewegte und die neue Regelära 2022 in Gang setzte

(Motorsport-Total.com) - Wenn die neuen Formel-1-Autos 2022 am Mittwoch im spanischen Barcelona auf die Strecke gehen, ist dies der offizielle Beginn einer hoffentlich spannenden neuen Ära. Die neuen Bodeneffekt-Autos sollen den Rennsport besser machen und spannendere Kämpfe in Zukunft mehr Zuschauer anlocken.

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George Russell im neuen Mercedes W13 bei seiner ersten Ausfahrt Zoom Download

Aber im Kern geht es um etwas noch Wichtigeres: einen Sport zu schaffen, der für die Fahrer selbst spannend ist. Denn sowohl sie als auch die Fans haben Grand-Prix-Autos, die so schwer zu überholen waren, nie besonders gemocht.

Wenn man die Ursprünge der Entscheidung der Formel-1-Bosse zurückverfolgt, die Regeln neu zu überdenken, war einer der Katalysatoren für den Wandel ein Vorstoß der Fahrer selbst.

Die Fahrervereinigung GPDA unter ihrem Vorsitzenden Alexander Wurz kam kurz nach der Übernahme der Formel 1 durch Liberty Media Ende 2017 zusammen und setzte ein Schreiben an die neuen Chefs auf. In diesem Brief, so erklärt Wurz, wurde betont, dass die alte Aerodynamik-Philosophie der Formel 1 der Feind von engen Rennen sei - also etwas, das geändert werden müsse.

Fahrervereinigung drängte auf neue Aero-Regeln

"Wir (die GPDA) arbeiteten an einem Dokument, das den neuen Eigentümern vorgelegt werden sollte, und es fiel genau mit dem Eintritt von Ross (Brawn) und Pat (Symonds) bei Liberty zusammen", verrät Wurz über den Vorstoß zur Änderung der Regeln.

"Wir wussten, dass es eine Chance gab, Veränderungen zu initiieren und zu unterstützen, also schickten wir unseren Brief an Liberty, die Teams und die FIA, um eine Studie zur Änderung der Aerodynamikregeln zu beantragen.

"Wir baten sie, die Abschaffung des Hauptkonzepts der Strömungsempfindlichkeit des Frontflügels zu prüfen und zu einer robusteren aerodynamischen Plattform überzugehen, die den Fahrern helfen sollte, einander eng zu folgen."


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Wurz, der seit langem für seine technischen Qualitäten und analytischen Einsichten in den Motorsport bekannt ist, wusste, dass ein wissenschaftlicher Ansatz erforderlich war, um der Formel 1 zu helfen, den richtigen Weg für einen besseren Rennsport einzuschlagen.

"Die Luft hinter einem Rennwagen ist turbulent", sagt er. "Das führt dazu, dass das nachfolgende Auto einfach die Bodenhaftung und die Fähigkeit verliert, schnell hinter einem anderen Konkurrenten zu fahren. Deshalb ist die Aerodynamik seit Jahrzehnten ein Feind des Überholens und des Kampfs auf der Strecke."

Wurz lobt Zusammenarbeit der Interessengruppen

"Im Laufe der Jahre hat der Sport versucht, Lösungen zu finden. Aber das waren nur Schnellschüsse und keine neuen, systematisch entwickelten Konzepte", kritisiert Wurz. "Der Brief der Fahrer war keine wissenschaftliche Arbeit, aber er war ein klarer und starker Anstoß und eine Aufforderung an die Formel 1, selbstbewusst nach Lösungen zu suchen, die dem Sport helfen."

"Daher glaube ich, dass die neuen Regeln ein großartiges Beispiel dafür sind, dass die vier wichtigsten Interessengruppen (Formel 1, FIA, Teams und GPDA) an einem Strang ziehen und gemeinsam an mittel- und langfristigen Zielen arbeiten, die von den eigenen leistungsorientierten Agenden der Teams getrennt sind."

Gleichzeitig warnt er: "Ich bin mir zwar sicher, dass die neuen Regeln eine sehr gute Richtung sind, aber wir müssen auch realistisch sein, was wir jetzt erwarten können und was nicht."

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Alexander Wurz glaubt, dass die neue Regeln langfristig Früchte tragen werden Zoom Download

So sei es unrealistisch anzunehmen, dass die Regeln 2022 schon beim ersten Rennen greifen. Wurz ist der Meinung, dass es eine Eingewöhnungsphase geben muss, in der sich die Startaufstellung nach einer wahrscheinlich größeren Spanne in der Anfangsphase im Verlauf weiter und weiter verdichten kann.

Ex-Formel-1-Pilot weiß: Überholen wird nie einfach

Und da er weiß, wie gut die Fahrer sind, glaubt er, dass das Überholen nie super einfach sein wird: "Wenn die besten Fahrer gegeneinander antreten und nur wenige Fehler machen, dazu noch die Performance der Autos sehr ähnlich ist, ist das Überholen natürlich schwierig."

"Ich hoffe, niemand erwartet, Hunderte von Überholmanövern pro Rennen zu sehen. Aber auf lange Sicht werden wir ein kompakteres Feld und ein besseres, natürliches Racing sehen."

"Ein Überholmanöver wird immer ein Akt des Könnens und des Mutes sein, weshalb wir alle ein großartiges natürliches Überholmanöver viel mehr lieben als zehn oder mehr DRS-Überholmanöver. Ich denke jedoch, dass das Feld anfangs in seinen Rundenzeiten weiter auseinanderliegen wird, was ein üblicher Effekt neuer Regeln ist."

"Ein Team wird unweigerlich das Optimum eines neuen Regelwerks schneller finden als andere. Aber selbst wenn wir 2022 ein weiter auseinanderliegendes Feld sehen, bin ich mir sicher, dass das neue Regelwerk der Schlüssel für eine bessere Zukunft der Formel 1 ist."


Fotostrecke: Die Formel-1-Autos 2022 in Bildern

Wenn alle Teams die Regeln erst einmal ausgearbeitet und verinnerlicht haben, erwartet Wurz "ein viel kompakteres Feld und auch viel engere Rennen". "Die Aussicht auf die neuen Regeln ist also sehr spannend - wenn wir realistisch und geduldig bleiben."

Zudem glaubt Wurz, dass, wenn das Feld enger zusammenrückt und der Rennsport besser ist, es auch einige unbeabsichtigte Vorteile in anderen Bereichen geben wird, die die Natur der Formel-1-Rennen, wie sie bisher waren, verändern werden.

Formel-1-Teams werden strategisch umdenken müssen

"Wenn das gesamte Feld enger zusammenliegt, wird die Gesamtstrategie deutlich schwerer vorhersehbar sein", blickt voraus. "Bisher wussten die Spitzenteams, dass sie aufgrund ihrer überlegenen Leistung nach 15 bis 20 Runden ein sicheres Boxenstoppfenster hatten.

"Wenn sich dieses Fenster nun nie öffnet, wird die Strategieplanung plötzlich viel komplexer und unberechenbarer. Das ist ein willkommener Nebeneffekt. Und all dies entspricht dem Kernpunkt, auf den die Fahrer immer gedrängt haben: Wir müssen sicherstellen, dass die Formel 1 ein Sport und keine inszenierte Show ist."

"Je näher das Feld beieinander ist, desto aufregender wirkt die Formel 1. Das haben wir mit dem erstaunlichen Wachstum der Popularität gesehen, das durch andere Schlüsselfaktoren unterstützt wurde, wie die Öffnung des Social-Media-Outputs von Teams und Fahrern, alternative Verbreitungswege und die Freiheit, die Fahrer Stars sein zu lassen, anders als in den vergangenen Jahrzehnten."

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