Hamilton & Vettel sauer: Fragt doch endlich mal die Fahrer!
Ständige Regeländerungen und das Einbremsen der Formel 1 nerven die Stars: Sie wollen Mitspracherecht, nicht "mit 100 Kurswechseln nach Amerika segeln"
(Motorsport-Total.com) - Lewis Hamilton und Sebastian Vettel sind der Meinung, dass die Formel-1-Piloten bei der Entwicklung von Regeländerungen stärker einbezogen werden sollten. Wie die Topstars der Szene am Rande des Spanien-Grand-Prix (Formel 1 2018 live im Ticker) betonen, wünschen sie sich, dass Feedback der Aktiven stärker berücksichtigt wird. "Wir sollten die Entscheidungen treffen", sagt Vettel.
Was der Ferrari-Star meint: Die FIA, das FOM und die Teams sollen weiter Vorschläge ausarbeiten, sich aber anhören, was die Piloten dazu sagen und es beherzigen. "Wir behaupten nicht, allwissend zu sein und haben keine Ahnung von der Technik der Autos. Aber wir wissen, wie sie sich anfühlen und sich fahren", erklärt Vettel. Subtext: im Gegensatz zu Teamchefs, Managern und Ingenieuren.
Hintergrund seiner Aussagen ist die Prognose der FIA, dass die Formel-1-Wagen durch die neuen Aerodynamik-Regeln ab der kommenden Saison 1,5 Sekunden pro Runde langsamer würden. Von entsprechenden Äußerungen des Technikchefs des Automobil-Weltverbandes erfuhr Vettel jedoch erst, als er in der Pressekonferenz nach dem Qualifying in Barcelona darauf angesprochen wurde.
Fotostrecke: Die zehn denkwürdigsten F1-Regeländerungen
#10: Fahren dürfen nur die Hinterbänkler - Sie ist der große Trumpf der Williams-Mannschaft. Doch nicht nur deshalb will die FIA der aktiven Radaufhängung beim Kanada-Grand-Prix 1993 einen Riegel vorschieben. Die fortschrittliche, aber unglaublich kostenintensive Technik wird von den Kommissaren bei der technische Abnahme als Fahrhilfe eingestuft und bei allen Teams für nicht-regelkonform befunden worden. Gleiches gilt für die Autos, die auf eine Traktionskontrolle setzten. Hintergrund: Die Systeme beeinflussen hydraulisch die Aerodynamik respektive entziehen dem Piloten teilweise die Kontrolle über den Vortrieb. Es entsteht die Drohkulisse, dass die Scuderia-Italia-Hinterbänkler Michele Alboreto und Luca Badoer die einzigen Starter in Montreal sind. Das Verbot wird bis Anfang 1994 aufgeschoben, dann aber durchgesetzt. Fotostrecke
Solche Kommunikationspannen gehen Hamilton gegen den Strich - genau wie ständiges Herumdoktern an den Regeln, um für mehr Spannung auf der Strecke sorgen und das Überholen zu erleichtern. "In diesem Sport entwickeln wir uns technisch ständig weiter, um dann wieder eingebremst zu werden. Dabei macht es überhaupt keinen Unterschied", moniert der Mercedes-Star.
Hamiltons Argumentation: Von höheren Rundenzeiten würde das Racing nicht per se besser, während die Formel 1 aber natürlicherweise danach streben würde, Grenzen der Physik zu verschieben. Wieso also immer Energie auf das Einbremsen der Autos verschwenden und es als Patentmittel verkaufen? "Es war dieses Jahr das Spannendste, dass wir Rekorde gebrochen haben", findet Hamilton.
Auch Vettel kritisiert den Zickzack-Kurs der Formel 1 und erinnert daran, dass 2009 die Aerodynamik (vermeintlich zugunsten von mehr Überholaction) zusammengestrichen wurde, um 2017 wieder schnellere und spektakulärere Autos einzuführen, die höhere körperliche Ansprüche an die Piloten stellen. "Alle Fahrer haben sich bedankt", sagt Vettel. "Jetzt wollen wir sie wieder langsamer machen. Das ist, als würde man nach Amerika segeln und dabei 100 Kurswechsel vornehmen."
Hamilton unterstreicht, dass die Misserfolge der Vergangenheit gezeigt hätten, dass über neue Modi der Entscheidungsfindung nachgedacht werden sollten: "Es sind doch immer die gleichen Leute, die die Entscheidungen treffen und immer sind die Regeln ... nicht unbedingt die besten?" Das war diplomatisch ausgedrückt. Er findet: "Man sollte uns fragen, was es braucht, um zu überholen."
Die Pneus bleiben auch nach dem Einsatz von Heizdecken und einer intensiven Aufwärmrunde zu kalt und bieten kaum Grip - so wie eine härtere Gummimischung sich verhalten würde. "In Monaco fahren wir auf kalten Reifen herum, weil wir sie eh nicht auf Temperatur bekommen", flüchtet sich Hamilton in Sarkasmus und schüttelt auch über den neuen Fahrbahnbelag auf dem Circuit de Catalunya den Kopf: "Die Strecke musste nicht neu asphaltiert werden, aber es war wohl Geld dafür da."
Vettels und Hamiltons Wunsch, sich einzubringen, findet aber längst nicht überall Gehör. Williams-Technikchef Paddy Lowe glaubt, dass die Fahrer genügend Mitspracherecht hätten: "Viele Probleme sind solche, die Ingenieure betreffen. Wir erkennen, was Piloten können und was nicht." Deshalb ginge es darum, sich im Vorfeld Input zu holen und anschließend mit den Daten zu arbeiten.