Verjüngungskur: Welcher Youngster hält der Formel 1 stand?
Verstappen, Ocon, Vandoorne, Wehrlein: In der Königsklasse waren lange nicht so viele junge Talente unterwegs wie aktuell, doch wer ist dem Rennzirkus gewachsen?
(Motorsport-Total.com) - Mit Felipe Massa (Williams) und Jenson Button (McLaren) verlassen Ende der Formel-1-Saison 2016 zwei der ältesten aktiven Fahrer die Königsklasse - und machen Platz für junges Blut. Während McLaren in Test- und Ersatzfahrer Stoffel Vandoorne bereits einen Button-Nachfolger gefunden hat, könnten bei Williams Formel-3-Fahrer Lance Stroll (17) oder Felipe Nasr (24), derzeit noch bei Sauber, andocken.
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Junges Blut in der Formel 1: Ocon (links) und Wehrlein mischen die Königsklasse auf Zoom Download
Daneben ist auch Manor mit Esteban Ocon (19) und Pascal Wehrlein (21) jung aufgestellt. Von Formel-1-Youngster Max Verstappen (18) ganz zu schweigen. Er hat mit seinem ersten Sieg im ersten Grand Prix für Red Bull nicht nur der jungen Konkurrenz, sondern auch erfahrenen Piloten einigen Respekt abgerungen. Auch wenn er zuletzt für seine Fahrweise häufig in der Kritik stand, sehen viele in ihm einen zukünftigen Weltmeister.
"In der Realität gewinnst du nicht deinen ersten Grand Prix. Um das zu schaffen, brauchst du nicht nur ein gutes, leicht zu fahrendes Auto. Dazu braucht es mehr, und ich denke, das hat er", lobt Ex-Formel-1-Fahrer Alessandro Zanardi den jungen Niederländer. "Es ist faszinierend, was er macht. Er hat dazu gelernt, ist fähig, nicht nur schnell zu fahren, sondern auch ein gutes Ergebnis nach Hause zu bringen. Das ist außergewöhnlich."
Jenson Button: "Esteban Ocon sticht heraus"
Zugleich schwärmt Zanardi, der seit seinem schweren Unfall 2001 auf dem Lausitzring beinamputiert ist, von Verstappens Teamkollege Daniel Ricciardo: "Er ist eine richtige Rennmaschine und sucht die Chance, wo andere Fahrer noch nicht einmal daran denken." Dennoch konnte sich der Youngster gegen den fast zehn Jahre älteren Ricciardo schon einige Mal durchsetzen und hat im Gegensatz zu ihm 2016 schon einen Sieg auf dem Zettel.
Fotostrecke: Red-Bull-Junioren in der Formel 1
Christian Klien (2004-2010): Mit Unterstützung von Red Bull debütiert der Österreicher 2004 bei Jaguar in der Formel 1. Nach der Übernahme des Rennstalls durch den Engergy-Drink-Hersteller fährt Klien auch 2005 und 2006 bei den meisten Grands Prix für das nun Red-Bull-Racing genannte Team an der Seite von David Coulthard. Ende 2006 scheidet Klien nach Streitigkeiten über einen Wechsel in die ChampCar-Serie aus dem Red-Bull-Kader aus. Später ist der Österreicher Testfahrer für Honda und BMW-Sauber und fährt 2010 drei Rennen für HRT. Fotostrecke
Das teaminterne Gefüge scheint den selbstbewussten Verstappen also eher zu beflügeln als einzuschüchtern. "Max ist in einem tollen Team, er fährt gegen einen sehr guten und erfahrenen Teamkollegen und die nächsten Jahre werden ihn als Rennfahrer definieren", kommentiert Formel-1-Urgestein Button die Zukunft des Red-Bull-Talents in der Königsklasse. Für ihn sticht jedoch ein anderer aufstrebender Fahrer aus der Menge heraus: Esteban Ocon.
Der 19-Jährige löste in der laufenden Saison Rio Haryanto bei Manor ab, zuvor fuhr er für Mercedes in der DTM. Button schätzt ihn ähnlich stark ein wie Verstappen: "Ich habe sie beide in der Formel 3 gegeneinander fahren sehen. Sie sind sehr talentiert." Und auch wenn die Formel 1 für Ocon anders als für Verstappen, der 2015 bereits für Toro Rosso an den Start ging, brandneu sei, betont Button: "Für mich ist er derjenige, der auffällt."
Formel 1: Wer nicht abliefert, ist weg vom Fenster
"In jeder Testsession, die ich mit Ocon gesehen habe, war er genauso schnell oder schneller als sein Teamkollege", lobt der Brite dessen Tempo. Er weiß aber auch, dass es darauf allein nicht ankommt: "Wenn du in diesen Sport kommst, geht es nicht nur darum, schnell zu sein. Du brauchst eine gewisse mentale Stärke, du brauchst gute Leute um dich herum, ein gutes Team, gute Ingenieure. Und du brauchst Charakterstärke."
Das gilt nicht nur im Falle des Erfolgs, um nicht abzuheben, sondern auch und erst recht bei Rückschlägen. So wurde Ocons Vorgänger Haryanto gnadenlos aussortiert, weil weder die Leistung stimmte noch das nötige Kleingeld vorhanden war. "Es ist schwer, in die Formel 1 zu kommen, aber es ist noch schwerer, zu bleiben und dabei konkurrenzfähig zu sein", weiß Button. "Wenn du nicht ablieferst, wartet der nächste Kandidat."
Er selbst entschloss sich nach zwei recht erfolglosen Jahren bei McLaren für seinen Rücktritt, wird dem Team aber als Entwicklungsfahrer erhalten bleiben und in dieser Funktion auch Nachfolger Vandoorne unterstützen. "Ich kenne ihn nicht gut genug. Aber immer, wenn er ins Auto steigt, ist er konkurrenzfähig. Wir werden sehen, wie es von hier aus für ihn weitergeht", sagt Button über Vandoorne und lobt dessen Erfolge in anderen Formel-Serien.
Alessandro Zanardi: Autos sind nahezu perfekt
Dort ist die Leistungsdichte wie auch in der Formel 1 extrem hoch - Fluch und Segen zugleich. "Es gab Zeiten, da war es deutlich schwerer, sich als junger Fahrer in der Formel 1 durchzusetzen und mit gutem Material ausgestattet zu werden", schätzt Zanardi die aktuelle Situation ein und erinnert an sein Debüt: "Ich fühlte mich am komplett falschen Platz, das Auto war unfahrbar. Dann nach ein paar Runden habe ich mich der Herausforderung gestellt."
Heutzutage setzten sich die Fahrer ins Cockpit und könnten sofort ans Limit gehen. "Die Autos haben immer noch viel Power, aber sie sind einfacher zu fahren", urteilt der Italiener und gibt ein Beispiel: 2006 stieg er für BMW Sauber erneut in ein Formel-1-Auto. Damals war Sebastian Vettel für das Team als Testfahrer unterwegs. "Er hat 40+ Runden gefahren, um zu prüfen, dass alles okay ist, und eine Rundenzeit von 1:18.20 Minuten gesetzt."
"Nach nur 16 Runden bin ich 1:18.40 Minuten gefahren. Mir fehlten also nur zwei Zehntel auf Vettel", erklärt Zanardi weiter. Dass er als beinamputierter Ex-Rennfahrer fast gleichauf mit Vettel war, konnte der er kaum fassen: "Ich denke zwar, ich bin ein guter Fahrer und sehr anpassungsfähig, aber das war zu viel." Das Auto sei unglaublich gewesen, nahezu perfekt, "aber umso schwieriger ist es auch, als Pilot einen Unterschied zu machen".