• 01. Dezember 2015 · 08:41 Uhr

Analyse: Die Machtspielchen hinter dem Red-Bull-Renault-Deal

Was die französische Regierung mit dem Red-Bull-Motorendeal zu tun hat und warum das Team 2016 möglicherweise Red-Bull-Nissan heißen wird

(Motorsport-Total.com) - Nach wie vor ist nicht geklärt, mit welchen Motoren das Red-Bull-Team 2016 in der Formel 1 an den Start gehen wird, und das trotz einer Ankündigung von Helmut Marko, wonach diese Frage noch in Abu Dhabi geklärt werden sollte: "Dieses Wochenende sollte eine Entscheidung fallen, entweder Samstagnacht oder am Sonntag. Vielleicht haben wir morgen schon alle Antworten", so der Red-Bull-Motorsportkonsulent in einem Interview, das am Samstagabend von der offiziellen Formel-1-Website 'Formula1.com' veröffentlicht wurde.

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Konzernchef Carlos Ghosn hat sich noch nicht für einen Verbleib entschieden Zoom Download

Doch seither geschah wieder einmal nichts. Das bringt Red Bull in Erklärungsnot: "Helmut ist voll bewusst, dass wir nicht in einer Position sind, unseren Motor bekannt zu geben", so Teamchef Christian Horner am Sonntagabend nach dem Rennen in Abu Dhabi. "Aber die Situation ist klar: Wir haben eine Vereinbarung für nächstes Jahr. Das Bedauerliche ist: Ich wäre gern dazu in der Lage, darüber zu sprechen, aber leider kann ich das heute nicht."

Horner erklärt, "einen unterschriebenen Vertrag für einen Motor, dessen Details ich hoffentlich innerhalb der nächsten Woche bekannt geben kann", in der Tasche zu haben, bleibt ansonsten aber vage. Laut Informationen von 'Motorsport-Total.com' meint er damit jenen Vertrag mit Renault, der bis Ende 2016 läuft und trotz widersprüchlicher Aussagen aus dem Red-Bull-Lager in den Sommermonaten offenbar nie formell gekündigt wurde.

Nissan statt Renault bei Red Bull?

Auf Nachfrage von 'Motorsport-Total.com', ob denn denkbar sei, dass der Motor unter einem japanischen Markennamen verwendet wird, antwortet Horner: "Ich kann nichts bestätigen oder dementieren." Hintergrund: Offenbar wird ernsthaft darüber nachgedacht, die Marke Renault völlig aus der Partnerschaft mit Red Bull zu entfernen und stattdessen mit Nissan oder Infiniti zu arbeiten. Beides sind Marken aus der Renault-Nissan-Allianz.


Fotostrecke: F1 Backstage: Abu Dhabi

Dass Renault in der Formel 1 die japanische Marke Nissan promoten könnte, wird von Paddock-Insidern übrigens als bewusst gesetzte Spitze gegen die französische Regierung verstanden. Denn zwischen Renault-Konzernchef Carlos Ghosn und dem französischen Wirtschaftsminister Emmanuel Macron, der sich stärker in die Renault-Nissan-Allianz einmischen möchte, tobt seit Monaten ein erbitterter Machtkampf.

Die französische Regierung erhöhte ihren Aktienanteil am Renault-Konzern im April von 15 auf 19,7 Prozent, um sich, durch eine begünstigte Stellung für langjährige Aktionäre, doppelte Stimmrechte zu sichern. Das missfällt Ghosn, der befürchtet, dass ihm die de facto alleinige Kontrolle über den Konzern entzogen werden könnte, und seither mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln gegen Macrons Einflussnahme ankämpft.

Machtspielchen mit französischer Regierung

Als Gegenmaßnahme könnte nun beispielsweise Nissan mehr Renault-Aktien übernehmen, denn wenn Nissan mehr als ein Viertel der Anteile an der Konzernmutter besitzt, verliert die Konzernmutter, also Renault, laut japanischem Recht die Stimmrechte für den Aktienanteil in Höhe von 43,4 Prozent, den Renault besitzt. Mit solchen Muskelspielchen reagiert Ghosn auf die Regierung. Renault hatte Nissan bekanntlich 1999 vor der Insolvenz gerettet.

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Nissan tritt auch in der WEC mit einem (wenig erfolgreichen) Programm an Zoom Download

Die Formel 1 ist in diesem großen Krieg zwar bestenfalls ein Nebenschauplatz, doch völlig ausgeschlossen ist eine Umbenennung des Renault-Motors in Nissan nicht: "Wartet ab, wie er heißt. Es wird gut. Ich glaube nicht, dass Ron Dennis sehr glücklich sein wird", wird Horner von der 'BBC' zitiert. Woraus man schließen kann, dass Red Bull mit Nissan einen direkten japanischen Konkurrenten von Honda ins Rennen schicken könnte.

Horner kann sich bei der Gelegenheit übrigens eine weitere Spitze gegen Dennis nicht verkneifen, wenn er sagt, dass der McLaren-Boss "in letzter Zeit sowieso nie besonders glücklich" gewesen sei. Die Vorgeschichte hat sich beim letzten Treffen der Formel-1-Kommission zugetragen, bei dem Dennis sehr aggressiv aufgetreten ist und Horner mit den Worten "suck it up" direkt attackiert hat. Dennis streitet das gegenüber 'Sky Sports F1' nicht einmal ab: "Das waren meine Worte."

Lotus-Deal alles andere als sicher

Wie dem auch sei: Ob Renault Red Bull 2016 zumindest für ein Übergangsjahr Motoren zur Verfügung stellen kann (unter welchem Namen auch immer), ist Stand heute einzig und allein die Entscheidung von Ghosn. Das wird auch davon abhängen, ob die geplante Übernahme von Lotus durch Renault klappt. Die Chancen dafür stehen laut Informationen von 'Motorsport-Total.com' aus zuverlässiger Quelle schlechter als 50 Prozent.


Machtkampf Renault vs. französische Regierung

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Sollte sich Renault gegen einen Formel-1-Einstieg entscheiden, könnte das auch für das Motorenprogramm das Aus bedeuten. Horner nimmt das aber gelassen zur Kenntnis, denn: "Wir haben einen unterschriebenen Vertrag. In den vergangenen paar Wochen haben sehr viele Aktivitäten stattgefunden. Ich kann nicht verraten, welche Aktivitäten das sind, aber ich bin mir sicher, in einer Weile wird einiges klarer sein."

Womit wir bei einer weiteren denkbaren Variante wären: Sollte Renault Lotus nicht übernehmen und auch das Motorenprogramm beenden, könnte immer noch ein Tuner wie Mario Illien oder Mecachrome in Zusammenarbeit mit der österreichischen Firma AVL die bestehenden Renault-Motoren kaufen oder leasen und in Eigenregie weiterentwickeln. Das war 1998, ebenfalls nach werksseitigem Renault-Ausstieg, schon einmal so - ist Stand heute aber reine Spekulation.

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