Todt stichelt gegen Pleite-Teams: "Unterschrieben haben alle"
Trotz eigener Versäumnisse: Der FIA-Präsident wirft den Mahnern vor, nur in den Medien zu poltern und keine belastbaren Vorschläge auf den Tisch zu legen
(Motorsport-Total.com) - Die Argumentation klingt nach Bernie Ecclestone: Der Formel-1-Zampano begegnet dem Vorwurf, mit den in den kommerziellen Rahmenverträgen festgehaltenen Fixgagen für die großen Rennställe die Königsklasse kaputt und die Chancen der "Kleinen" zunichte zu machen, mit dem Pochen auf seine Kontrakte. Jean Todt schließt sich an: "Es frustriert mich, dass diejenigen, die klagen, auch diejenigen sind, die nicht den besten Deal gemacht haben. Warum haben sie dann unterzeichnet?", fragt der FIA-Präsident.
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Todt teilt kräftig aus: Dass Teams sich nur in den Medien beschweren, missfällt ihm Zoom Download
Dass immer wieder an den Automobil-Weltverband herangetragen wird, er müsse in dieser Hinsicht für eine Verbesserung sorgen, ärgert Todt: "Erwartet man von der FIA, dass sie an der Verteilung der kommerziellen Rechte etwas ändert, gebe ich auf", schüttelt er den Kopf. "Wie soll ich mir etwas anmaßen, das nicht in unserer Verantwortung liegt?" Tatsache: Seit Ende der Achtzigerjahre ist die Vermarktung der Königsklasse, im TV oder bei den Promotern, Sache des Formula One Mangement (FOM).
In Abwesenheit eines allgemeinen Concorde-Agreement sind die von ihm mit den Mannschaften auf individueller Basis geschlossenen Verträge bindend. Sauber, Force India, Lotus und Manor-Marussia ist sie ein Dorn im Auge, weil Ecclestone die "Rolling Stones" unter den Konstrukteuren mit reichlich leistungsunabhängigen Boni belohnt. Seine Logik: Spielen die Superstars unter den Teams nicht mit, will auch keiner die Formel 1 sehen - und die Privatiers können auch wieder kein Geld verdienen.
Am Mikrofon poltern, im Meeting schweigen
Todt geht es aber offenbar auch gegen den Strich, in welcher Art und Weise aus ihren Reihen Kritik geübt wird. Fast jede Woche werden Warnungen und Untergangszenarien publik, doch hinter verschlossenen Türen seien die großen Mahner mucksmäuschenstill: "Es gibt ein, zwei oder drei Jungs, bei denen ich mich gelegentlich beschwert habe. Ich nenne keine Namen, habe aber gesagt: 'Hört' zu, ich habe eure Interviews gelesen, also warum bitte habt ihr im Meeting die ganze Zeit geschwiegen?'", so Todt.
Fotostrecke: Legendäre Formel-1-Teams a. D.
Nummer 12: Der italienische Pasta-Millionär Franco Ambrosio sowie die ehemaligen Shadow-Techniker Alan Rees, Jackie Oliver, Dave Wass und Tony Southgate (die Initialen ihrer Nachnamen bilden den Teamnamen) gründen 1977 den Rennstall Arrows. Bereits beim dritten Rennen, in Long Beach 1978, sammelt Riccardo Patrese den ersten WM-Punkt. Zwischen 1991 und 1996 heißt das Team, das zwischenzeitlich mit Porsche-Motoren fährt, wegen des Engagements des japanischen Geschäftsmannes Wataru Ohashi Footwork. Fotostrecke
"Jeder kann sich äußern", macht der Franzose klar und vermutet, dass hinter dem Schweigen keine Feigheit, sondern Ratlosigkeit steckt. "Wenn sie Lösungen oder Vorschläge haben, dann bitte! Dann versuchen wir, sie umzusetzen. Aber das ist gar nicht der Fall." Die Darstellung muss verwundern: Mit dem Vorschlag, ein gemeinsames Chassis zu bauen oder eine allgemeine Kostenobergrenze einzuführen, gab es insbesondere in den Reihen Saubers und Force Indias durchaus Konzepte, die einen Ansatz darstellen.
Todt betont, dass Verhandlungen über die bis 2020 juristisch wasserdichten Verträge erschwert würden, wenn die Profiteuere Ferrari, Red Bull und McLaren mit den Vereinbarungen glücklich seien. Dabei stimmt er den kleinen Teams in der Sache zu: "Ich bin jemand, der die Formel 1 für zu teuer hält", pflichtet der frühere Rennleiter der Scuderia bei, betont aber Errungenschaften auch unter Max Mosley: "Sie ist günstiger als vor zehn Jahren. Es wurde vieles richtig gemacht, auch von meinen Vorgänger."
Antriebsfrage: Todt räumt Versäumnisse ein
Der Brite ist weiter ein Verfechter einer Kostenkontrolle und sagt der 'BBC' auch weit nach seinem Ausscheiden aus dem Amt des FIA-Präsidenten noch: "Das fundamentale Problem ist, dass es so teuer wird, wenn man ausgeben kann, was man will. Zwei oder drei Teams an der Spitze investieren nach Lust und Laune, diejenigen im Hinterfeld geraten in Probleme." Mosley wünscht sich deshalb, dass die kleinen Teams mehr technische Freiheiten erhalten, sich dafür aber einer Budgetobergrenze beugen.
Auch wenn Todt überzeugt ist, dass ihm teilweise die Hände gebunden sind, so räumt er in Sachen Sportliches und Technisches Reglement Versäumnisse ein: "Ich übernehme die Verantwortung dafür, für die Kunden nicht das Maximum eingespart zu haben. Wir müssen uns dem lieber jetzt als nie widmen." Gemeint sind die Turbo-Hybridantriebsstränge, die bei den Privatiers seit 2014 für das größte Loch in der Kasse sorgen. Von einem Ausgabenplus von 20 Millionen Euro pro Jahr und mehr ist die Rede.
Für den Mangel an Spannung auf der Rennstrecke will Todt die Technik indes nicht verantwortlich machen: "Wir wissen: Wenn es neue Regeln gibt, macht ein Team oder ein Hersteller seinen Job besser als die anderen", kommentiert er die Überlegenheit der Mercedes-Truppe. "Deshalb halte ich stabile Regeln für so wichtig, weil nach zwei oder drei Jahren die Dinge wesentlich balancierter sind." Er ist vor dem Hintergrund der Ferrari-Aufholjagd überzeugt, dass es nur eine Frage der Zeit sei, bis "drei, hoffentlich sogar vier Hersteller einander sehr nahe" sind. Das Sorgenkind ist offenbar Neueinsteiger Honda.