• 24. November 2013 · 10:30 Uhr

Fahrer lieben Interlagos: Samba-Saurier mit Kuschelfaktor

Der Klassiker in Brasilien hat unter den Piloten wegen seiner "Oldschool-Kurven" und der Stimmung viele Freunde - Refugium für Freunde des Kiesbetts

(Motorsport-Total.com) - Ob Südkorea, Indien, China oder einst die Türkei: Nicht wenige, insbesondere der neueren Grand Prix müssen sich den Vorwurf gefallen lassen, dass auf den Tribünen Totentanz herrscht und von den Stimmung nichts zu spüren ist. Ganz anders verhält es sich bei einem Klassiker im Kalender: Die Rede ist vom Brasilien-Grand-Prix, der an diesem Wochenende zum 41. Mal ausgetragen wird. "Das ist so, wie der Rennsport früher war", schwärmt ein von der Bahn in Sao Paulo angetaner Adrian Sutil.

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In Sao Paulo findet die Rennaction noch in Sichtweite zur Metropole statt Zoom Download

Das Fahrerlager des Autodromo Jose Carlos Pace ist klein, eng, gedrungen und längst nicht so aseptisch wie die Paddocks der Retortenbahnen, die in den vergangenen Jahren entstanden. "Die Boxenanlagen sind recht bescheiden, aber ich finde es trotzdem ganz gemütlich", sagt der Force-India-Pilot. "Man sieht viel mehr Leute, man sitzt mit anderen Teams am Tisch. Das hat auch seinen Reiz", so Sutil weiter. Interlagos zu dem, was es ist, machen aber die Fans, die Jahr für Jahr in Massen an die Strecke strömen.

Die rustikale und in die Jahre gekommene Haupttribüne, hinter der ein Armenviertel Sao Paulos liegt, fängt an den Rennsonntagen nicht selten an zu vibrieren und zu beben. Von der Atmosphäre sind die Aktiven der Formel 1 begeistert: "Die Brasilianer lieben Motorsport und haben auf der Strecke eine große Historie", sagt Mark Webber dem Journalisten Peter Windsor und geht d'accord mit Toto Wolff: "Interlagos ist eingebettet inmitten der Stadt. Es macht Spaß, nicht nur auf Retortenstrecken herumzuhängen", so der Mercedes-Motorsportchef gegenüber 'Sky'.

Härtetest für die Nackenmuskulatur

Die Nähe zu Armut und Kriminalität hat auch ihre Schattenseiten: Mehrmals wurden Formel-1-Fahrer Opfer von Überfällen, zuletzt entkam Jenson Button nur knapp einem Kidnapping. Für ein breites Grinsen sorgt bei den Fahrern aber die Tribünensamba sowie der 4,309 Kilometer lange Kurs, der gegen den Uhrzeigersinn gefahren wird und daher selbst für eine top austrainierte Nackenmuskulatur zur Belastung wird. Die vielen Unebenheiten im Belag und die oft hohe Luftfeuchtigkeit tun ihr übriges hinzu, um den Brasilien-Trip auch zu einer physischen Herausforderung zu machen.

Besonders anspruchsvoll und intensiv bei den G-Kräften ist die Vollgas-Auffahrt auf die Start- und Zielgerade. Körperliche Fitness zahlt sich in Interlagos, was wörtlich übersetzt "zwischen den Seen" bedeutet, also aus. Wer würde sich da heimischer fühlen als Abenteuersportler Mark Webber? "Es ist nicht dieses Copy&Paste wie auf anderen Strecken", weiß der 37-Jährige, der im kommenden mit Porsche und der Langstrecken-Weltmeisterschaft (WEC) zurückkehren wird, zu berichten. "Das hat noch Charakter. Die Randsteine sind in jeder Kurve unterschiedlich."

Sicherheitsrisiko Boxeneinfahrt?

"Super oldschool, aber sie funktionieren." Wolff freut sich, in Brasilien wieder an eine "klassische Rennstrecke" zu kommen. Weiterer Vorteil: Die Bahn ist keiner der neuen "Parkplätzen", bei denen das Überfahren aufgemalter Begrenzungen regelmäßig für einen Zankapfel hinter den Kulissen sorgt. Neben der Strecke ist Gras oder ein Kiesbett. "Ich finde es interessant, dass es eine Rennstrecke der alten Art ist", lobt Sutil, der sich nur noch den einen oder anderen Kilometer mehr wünscht. "Man wird bestraft, wenn man einen Fehler macht. Das muss immer noch drin sein", so der Gräfelfinger, der keine Bedenken wegen zu kleiner Auslaufzonen hat.

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Die Formel 1 soll bis 2020 nach Interlagos zurückkehren - Rio wurde ausgestochen Zoom Download

Doch so viel Retro ruft auch Kritik hervor: Während Sutil den Denkmalschützer spielt und sich höchstens größere Garagen wünscht, glaubt Sergio Perez, dass es eklatante Sicherheitsmängel gäbe. "Die Boxeneinfahrt ist wirklich schwierig", warnt der scheidende McLaren-Pilot vor der Zufahrt, die direkt im Vollgas-Linksknick auf dem Weg in Richtung Zielstrich liegt. "Man sieht einfach den Eingang nicht. Wenn es am Auto ein Problem gibt, landet man direkt in der Boxenmauer. Das ist übel", mokiert sich der Mexikaner.

Genau deshalb wird immer wieder ein Umbau des Autodromo Jose Carlos Pace, einem der letzten Dinosaurier des Kalenders, gefordert - etwa von Formel-1-Zampano Bernie Ecclestone, der besonders auf auf ein modernes Boxengebäude pocht und diese Forderungen bei den langen Verhandlungen über eine Vertragsverlängerung mit Interlagos immer wieder ins Spiel brachte. Allerdings ist die Tinte mittlerweile trocken, Sao Paulo bis zum Jahr 2020 mit der Partie. Es wird nicht nur die alten Hasen freuen.

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