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Wer letzte Nacht am schlechtesten geschlafen hat: Der (traditionelle) Fan
Ein Mega-Zweikampf, der durch eine Kontroverse beendet wird, und unverständliche Entscheidungen der Kommissare: Der Fan fühlt sich nach Austin verarscht
(Motorsport-Total.com) - Liebe Leser,
© Motorsport Images
Schon am Start schickte Max Verstappen Lando Norris neben die Strecke Zoom Download
eigentlich war in meinem Kopf schon klar, dass ich Sergio Perez oder Yuki Tsunoda schlecht schlafen lassen werde, weil beim Auftritt von Liam Lawson die Alarmglocken beider aber mal so richtig angegangen sein dürften.
Aber was am Sonntag beim Rennen in Austin abgegangen war, dürfte vor allem einem ein richtig ungutes Gefühl mitgegeben haben: dem Formel-1-Fan. Also euch. Und uns.
Denn der Fan dürfte sich nach dem Grand Prix richtig verarscht vorgekommen sein, wenn er nicht gerade ein großer Anhänger von Max Verstappen ist. Und selbst unter diesen habe ich viele Kommentare gelesen, die mit den diversen Entscheidungen der Kommissare nicht einverstanden waren.
Nachzuvollziehen ist nämlich nicht immer, warum Fahrer A für eine Aktion eine Strafe bekommt, Fahrer B für eine ähnliche Aktion aber nicht - und das darf eigentlich nicht sein. "Es gibt da ein paar Unstimmigkeiten", sagte Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff nach dem Rennen.
Das Thema schien den Österreicher so stark zu beschäftigen, dass er sich noch in der Auslaufrunde zu George Russell ins Cockpit schaltete und ganz klar sagte, dass die Entscheidungen "a bit biased" gewesen seien - also parteiisch.
Austin für mich die zweitschlechteste Strecke
Ich möchte an der Stelle aber mit dem Grundproblem anfangen, und das sind viele der modernen Strecken in der Formel 1.
Es hat schon einen Grund, warum ich dem Circuit of the Americas in unserem ultimativen Streckenranking, das wir vor einigen Monaten erstellt haben, die zweitschlechteste Bewertung (nach Abu Dhabi) gegeben habe. Und irgendwie fühle ich mich nach dem Rennen bestätigt.
Ja, das Layout der Strecke ist per se nicht schlecht und bietet auch Möglichkeiten für gutes Racing, allerdings bringt jede Runde, die ich mir von Austin anschaue, meinen Blutdruck etwas höher. Ich kann Austin nicht genießen.
Und das liegt vor allem an den asphaltierten Auslaufzonen, die in mir schon so ein schwarzes Loch erzeugen, das jegliche Vorfreude raubt. Ständig schieben sich Fahrer neben die Strecke oder kommen ohne Konsequenz von der Fahrbahn ab.
Ich bin da ja ein Purist: Als ich als Kind Fan des Sports wurde, da war es noch eine Kunst, das Auto auf der Strecke zu halten und genau bis an das Limit zu gehen - und wenn du drüber warst, ja dann hattest du eben ein Problem.
Und heute? Heute kann man gefühlt einfach fahren, wo man will (Wer den DTM-Start in Hockenheim gesehen hat, weiß, was ich meine). Und wenn man es übertreibt, dann kostet es vielleicht mal ein paar Zehntel - wenn überhaupt.
Warum muss man denn den Randstein in Kurve 19 teilweise schwarz anmalen, damit er wie Asphalt aussieht, und die Streckenbegrenzung noch weiter nach hinten versetzen, damit die Fahrer besser durch die Kurve fahren können? Die Strecke ist zu Ende, wo sie eben zu Ende ist.
Doch diese Weisheit scheint in Austin nicht zu gelten, und das bringt die Kommissare vor immense Schwierigkeiten - und da spreche ich nicht einmal von den 43 gestrichenen Rundenzeiten im Rennen.
Schon der Start war grenzwertig
Für mich waren zumindest einige Entscheidungen nicht nachvollziehbar - und das begann schon am Start.
Mag sein, dass Lando Norris sich in Kurve 1 härter gegen Max Verstappen hätte verteidigen müssen, allerdings hat sich der Niederländer einfach mit der Brechstange reingedrückt und Norris neben die Strecke geschoben. Ferrari hat Danke gesagt.
Eine Strafe gab es dafür nicht. Gut, nun könnte man das Argument mit Kurve 1, Runde 1 bringen, doch das ist nicht meine Auffassung von Rennsport. Wenn beide nebeneinander sind, muss man dem anderen Platz lassen - das hat Verstappen nicht getan. Das Mindeste wäre gewesen, wenn Verstappen Norris wieder hätte vorbeilassen müssen.
Ich möchte Verstappen selbst dabei übrigens keinen Strick drehen, denn ähnliche Fälle hat es auch in der Vergangenheit gegeben. Und wenn man die Spielregeln im Vorfeld so festgelegt hat, dann spielt man eben danach - auch wenn es vor allem älteren Formel-1-Fans vielleicht nicht gefallen mag.
Mal gibt's Strafen, mal nicht ...
Das Problem war aber, dass die Spielregeln irgendwie nicht wirklich klar waren - oder sie wurden für Fahrer unterschiedlich ausgelegt.
Mehr als einmal schickten sich Fahrer im Zweikampf gegenseitig in die Auslaufzone, ohne dass die Kommissare eingriffen. Bei George Russell und Yuki Tsunoda wurde aber plötzlich auf "Forcing off the track" entschieden. Sie hatten einen anderen Fahrer neben die Strecke geschickt und wurden mit jeweils fünf Sekunden bestraft.
Der große Aufreger kam dann aber wenige Runden vor Schluss im packenden Duell der beiden WM-Rivalen Max Verstappen und Lando Norris. Rundenlang lieferten sich die beiden einen Zweikampf, der so spannend war, dass selbst meine Freundin, die sich einen Scheiß für Formel 1 interessiert, mit sitzen blieb und zuschaute, was dort gerade passierte.
Doch das Ende mit der Strafe gegen Norris war ein Rohrkrepierer. Für mich ist die Bewertung des Zweikampfs der beiden nicht nachvollziehbar - und für viele Fans da draußen auch nicht.
Klar, neben der Strecke überholen geht halt nicht, aber dass Max mit seiner Aktion wieder straffrei davongekommen ist, das ist für mich auch falsch.
Denn als er den Angriff seines Gegners abwehrte, fuhr er dabei selbst neben die Strecke - und das ohne Not. Warum ist das in dem Fall kein Abdrängen? Wo ist der Unterschied zur Szene mit etwa George Russell?
Ralf Schumacher: "Nicht fair"
"Ich finde es schade", urteilt Ex-Pilot Ralf Schumacher bei Sky. "Lando ist vorne und Max fährt einfach rein und ihn treibt es auch raus. Er schafft die Tracklimits auch nicht", sagt der Deutsche und betont daher im Hinblick auf die Strafe: "Ich halte es nicht für fair."
Auch ich finde: Wenn man eine Strafe ausspricht, dann gegen beide!
Der souveräne Doppelsieg von Ferrari oder die tollen Leistungen von Liam Lawson und Franco Colapinto gingen neben der Kontroverse am Ende komplett unter. Schade.
Austin und ich werden in diesem Leben wohl keine Freunde mehr - außer Texas findet in den nächsten zwölf Monaten noch ein paar Tonnen Kies.
Aber so kann ich mir auch DTM in Hockenheim anschauen und mich genauso ärgern - nur dass das wenigstens nach einer Stunde schon vorbei ist.
Euer
Norman Fischer
P.S.: Wer Christian Nimmervoll vermisst hat: Der hat es richtig gemacht und sich statt Austin Urlaub gegönnt. In Mexiko kommt diese Kolumne wieder regulär von ihm. In der Schwesterkolumne "Wer letzte Nacht am besten geschlafen hat" lässt Frederik Hackbarth diesmal einen Rückkehrer hochleben.