Sutil-Kolumne: Noch einmal in Übersee
Adrian Sutil berichtet von seinem Duell mit Kumpel Lewis Hamilton, blickt voraus auf den Grand Prix von China und zieht zufrieden Zwischenbilanz
(Motorsport-Total.com) - Liebe 'Motorsport-Total.com'-Leser,
© Force India
In Malaysia habe ich meine ersten Punkte gesammelt, in China will ich nachlegen! Zoom Download
es ist wie so oft: Wenn ihr diese Kolumne lest, sitze ich wahrscheinlich gerade im Flieger oder befinde mich am Flughafen in Schanghai. Die Zeit nach Malaysia habe ich nämlich auf Bali verbracht. Das ist zum einen eines meiner Lieblingsreiseziele, zum anderen aber auch eine tolle Location, um Fitnesstraining zu machen. Mein Physiotherapeut war aus diesem Grund auch dabei. Nur zwischendurch war ich kurz für zwei Tage beim Team in England, um im Simulator zu testen.
Das letzte Mal habe ich mich vor Melbourne bei euch gemeldet. Über das Rennen dort gibt es eigentlich nicht viel zu erzählen, denn es war ziemlich kurz! Dennoch war es alles in allem ein ermutigendes Wochenende, denn wir hatten nach dem Auftakt in Bahrain wieder eine ordentliche Pace. Natürlich fand ich es schade, dass es durch einen technischen Defekt zum Ausfall kam, aber das muss man so akzeptieren. Trotzdem nahm ich eine Menge Motivation für Malaysia mit.
Malaysia: Punktekonto eröffnet
Dort hat es dann umso besser geklappt. Der fünfte Platz war nach einem wirklich sehr guten Wochenende mit einem tollen Qualifying und einem starken Rennen ein sehr, sehr gutes Ergebnis. Ich war auf der Ziellinie nur ein paar Sekunden hinter Robert Kubica und Nico Rosberg. Was das für das Kräfteverhältnis bedeutet? Es wird vorne natürlich immer enger - und damit auch schwieriger für uns, weiter aufzuholen, denn die Teams, die wir jetzt herausfordern wollen, sind die absolute Spitze in der Formel 1. Da vorne ist die Luft natürlich sehr dünn.
Wir geben aber unser Bestes und wollen jetzt erst einmal Renault herausfordern. Die sind immer noch ein bisschen vor uns - je nach Strecke um ein bis zwei Zehntelsekunden pro Runde. Aber die sind ganz klar das nächste Ziel für uns. Kubica in Malaysia noch zu gefährden, war trotz des knappen Abstands unmöglich. Dafür konnte ich Lewis hinter mir halten. Das war natürlich schön, denn einerseits sitzt Lewis in einem absoluten Topauto und andererseits sind wir gut befreundet, wir ihr vielleicht wisst.
Ich habe ihn 2004 kennengelernt, als wir beide dem Mercedes-Kader für die Formel 3 angehörten. Im Jahr darauf waren wir dann bei ASM sogar Teamkollegen. Lewis wurde Meister und ich Vizemeister. Wir haben in der Zeit durch den Mercedes-Kader viel gemeinsam trainiert. Dabei lernten wir uns auch privat kennen und wir hatten eine richtig gute Zeit. In der Formel 3 hatten wir tolle Zweikämpfe, wir konnten voneinander aber auch profitieren, weil wir uns richtig gepusht haben. Lewis war zu dem Zeitpunkt ja schon etwas weiter als ich, weil ich später als er mit dem Motorsport angefangen habe.
Trennung von Beruflichem und Privatem
Wenn man in die Formel 1 kommt, hat man dort normalerweise kaum Freunde, aber wir kannten uns vorher schon und üben den gleichen Beruf aus, von daher passt das gut zusammen. Wir verbringen viel Zeit miteinander, haben viel Spaß - und können die Rennstrecke und das Private gut voneinander trennen, wie man in Malaysia gesehen hat. Viel hat mit Respekt zu tun, dass man akzeptieren kann, wenn der andere mal besser war. Und privat reden wir eigentlich sowieso eher selten über die Formel 1.
Wenn Lewis jetzt wie in Malaysia in meinem Rückspiegel auftaucht, weiß ich zwar, dass er es ist, aber letztendlich macht es keinen Unterschied, ob der Druck von ihm kommt oder von jemand anderem. Ich weiß dann ganz genau, dass er mich unbedingt überholen will, und dagegen muss ich ankämpfen. Das Schöne ist, dass wir uns immer gegenseitig gratulieren, wenn wir aussteigen - egal, wer am Ende vorne ist. Zwischen uns gibt es da keinen Neid.
Am kommenden Wochenende geht es in Schanghai weiter. Das ist eine Strecke mit ganz anderen Kurven. Die erste Kurve, die ihr als "Schneckenkurve" kennt, ist zum Beispiel extrem langgezogen und geht auf die 270 Grad zu. Man muss dafür gar nicht bremsen, sondern lässt das Auto reinrollen und wird bis zum Scheitelpunkt immer langsamer. Und so gibt es einige Kurven, in denen das Auto unter starker Belastung steht. Das ist besonders für die Vorderreifen sehr belastend.
Schanghai keine meiner Lieblingsstrecken
Ich finde, Schanghai ist eine interessante Strecke - nicht meine Lieblingsstrecke oder auch nicht eine meiner Lieblingsstrecken, aber doch ganz interessant. Es hat auch eine lange Gerade, auf der man gut überholen kann, und davor eine Kurve, die überhöht ist. Man merkt das im Cockpit schon, dass das eine Steilkurve ist, und beim Rausfahren gibt es eine kleine Bodenwelle, die man mitnimmt. Man weiß da, dass es einen hält, aber wenn man am Limit ist, rutscht man trotzdem ein bisschen raus, sodass es am Ausgang eng werden kann.
China ist übrigens der letzte Grand Prix in Übersee, bevor es zurück nach Europa geht. In Schanghai gibt es statt der Motorhomes diese kleinen Häuschen für die Teams. Mir ist unser eigenes Motorhome lieber, denn da ist alles beisammen und ich habe meinen Raum, wo ich genau weiß, was mir alles zur Verfügung steht. Das Fahrerlager in Schanghai insgesamt ist einerseits schön, aber auch viel zu groß. Wenn man von der Hospitality zur Box laufen soll, muss man mal eben fünf Minuten einkalkulieren. Letztendlich ist mir das aber ziemlich egal, denn wenn man einmal im Cockpit sitzt, konzentriert man sich sowieso auf andere Dinge.
Technische Neuerungen haben wir für Schanghai nicht, da kommt erst für Barcelona wieder etwas. Aber wir haben einen sehr guten Start erwischt und ich blicke dem Rest der Saison zuversichtlich entgegen. Es sind gerade mal drei Rennen gefahren, aber 16 kommen noch. Da kann alles passieren. Ich möchte mich einfach darauf konzentrieren, konstante Rennen zu fahren und das Maximum herauszuholen. Wenn es uns gelingt, immer in die Punkte zu fahren, haben wir schon viel erreicht.
Euer
Adrian Sutil