• 20. März 2010 · 10:39 Uhr

Sutil-Kolumne: "Wir sind bei der Musik"

Enttäuscht über das Ergebnis, glücklich über den Speed: Adrian Sutil analysiert den Saisonauftakt und blickt voraus auf das Rennen in Melbourne

(Motorsport-Total.com) - Liebe 'Motorsport-Total.com'-Leser,

Foto zur News: Sutil-Kolumne: "Wir sind bei der Musik"

So hatte ich mir das vorgestellt: Gleich im ersten Qualifying in den Top 10! Zoom Download

meine Bilanz nach dem ersten Rennwochenende der Saison fällt überwiegend positiv aus, obwohl es nicht zu den erhofften WM-Punkten gereicht hat, denn unsere gute Performance im Winter hat sich bestätigt. Ich war vor Bahrain guter Dinge, aber dass es gleich so gut laufen würde, war auch für mich eine kleine Überraschung und ein beruhigendes Gefühl. Bestzeit im ersten Training, Top 10 im Qualifying und zweitschnellste Rennrunde - das spricht für unseren Speed.

So macht es Spaß, wenn man bei der Musik ist! Wir sind nahe dran, vor allem an McLaren und Mercedes, und wenn wir gut weiterentwickeln, können wir vielleicht noch die eine oder andere Position gutmachen. Im Moment sind wir hinter Red Bull, Ferrari, McLaren und Mercedes das fünfte Team, knapp vor dem Rest des Mittelfeldes, würde ich schätzen - auch wenn man nach dem ersten Rennen natürlich noch nicht alles hundertprozentig genau einordnen kann.

Kein Vorwurf wegen der Startkollision

Ich bin mit den harten Reifen sehr entspannt ins Rennen gegangen und war am Start sehr vorsichtig, trotzdem ist es zu einer kleinen Kollision gekommen. Zum Glück konnte ich bis ins Ziel weiterfahren und die Erfahrungswerte mitnehmen, aber es ist immer schade, wenn in der ersten Kurve etwas passiert. Ausschlaggebend war der Rauch von Mark Webber, der ein bisschen Chaos gemacht hat. Da hat keiner mehr was gesehen und man war für eine halbe Sekunde ein bisschen abgelenkt. Dadurch wurde es eng.

Ich war für die zweite Ecke, eine Linkskurve, innen, Robert Kubica außen. Er hat mich nicht gesehen und blieb einfach auf seiner Ideallinie. Ich war überrascht, dass es geknallt hat, denn wir waren auf ähnlicher Höhe. Aber mein Gott, man kann dafür niemandem die Schuld geben. Darüber muss ich mit Robert auch gar nicht mehr groß diskutieren - die Situation mit dem Rauch war halt blöd, da hat er mich ein bisschen übersehen. Absicht unterstelle ich ihm keine.

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Nach der Startkollision mit Robert Kubica war das Rennen leider gelaufen Zoom Download

Da das Rennen im TV nicht besonders spektakulär rüberkam, gibt es schon erste Kritik an den neuen Regeln. Wie ich schon in meiner letzten Kolumne geschrieben habe, ist es jetzt einfach eine andere Art des Rennfahrens - mehr ein Langstreckenrennen. Man kann nicht mehr so gut überholen, weil man nicht mehr so viel pushen kann. Jeder denkt an seine Reifen: "Wenn ich jetzt einen überhole, muss ich dafür die Reifen strapazieren - und vielleicht bekomme ich die Rechnung dafür dann nach fünf oder sechs Runden präsentiert." Dann kann man dann auch mehr als eine Position verlieren. Natürlich spukt das im Kopf der Fahrer herum. Man muss sich das Rennen einteilen.

Dass die meisten Fahrer nicht ans Limit gegangen sind, kann man daran ablesen, dass Fernando Alonsos schnellste Rennrunde um eine Sekunde schneller war als meine, der ich ja Zweiter dieser Tabelle war. Es ist ein bisschen schwierig, die schnellsten Rennrunden zu bewerten, denn ich war am Ende auf weichen Reifen, die meisten anderen Fahrer aber auf harten. Fernando war extrem schnell, aber er hatte auch nur eine Runde, in der er wirklich gepusht hat - warum auch immer.

Reifen: Kompromiss gefragt

Man kann im Rennen entweder konstant seine Runden abspulen und am Ende eine gute Durchschnittszeit haben, oder man kann ab und zu mal extrem schnelle Runden einlegen, muss danach aber wieder Tempo rausnehmen, damit die Reifen nicht überhitzen. Das muss man sich einteilen. Fernandos Vorsprung war aber sehr groß - zu groß! Ich glaube, da hätten ein paar andere Fahrer für eine schnelle Runde auch ein bisschen mehr machen können, wenn sie gewollt hätten.


Fotos: Adrian Sutil, Großer Preis von Bahrain


In Bahrain war eben alles noch unbekannt, keiner wusste genau, was einen erwartet. Jeder war da ein bisschen vorsichtiger, als es wirklich notwendig gewesen wäre. Es hat wahrscheinlich auch noch nicht jeder das Limit ausgeschöpft im Durchschnitt - da können sich alle noch ein bisschen steigern. Aber es war das erste Rennen und man sollte jetzt nicht gleich wegen der Regeln Panik schieben. Bahrain war in den letzten Jahren immer langweilig. Ich habe schon das Gefühl, dass die Rennen im Laufe des Jahres noch interessanter werden können.

Im Nachhinein kann man sich fragen, ob eine Zweistoppstrategie aufgehen hätte können, weil das erlaubt hätte, etwas mehr zu pushen. Das hätte man vielleicht probieren können, aber das Problem ist immer, wo man dann rauskommt. Man muss genau schauen, wann die anderen stoppen, und darauf muss man seine Strategie einstellen. Ohne Verkehr kann eine Einstopp- oder eine Zweistoppstrategie funktionieren, aber bei zwei Stopps kann es sein, dass man hinter einem Gegner festsitzt und den Vorteil dann nicht herausfahren kann. Darauf muss man achten.

Strategie im Rennen angepasst

Wir mussten auch unsere Strategie ein bisschen anpassen, obwohl wir sie eigentlich nach dem Qualifying anders geplant hatten. Wir haben während des Rennens gesagt, wir stoppen um einiges früher und versuchen, einen ganz langen Stint auf weichen Reifen zu fahren, weil es mit dem Verkehr nicht anders ging. Das hat mich letztendlich wieder weit nach vorne gebracht. Gestartet war ich ja als einziger Top-10-Qualifyer auf der härteren Gummimischung.

So musste ich mit den weichen Reifen 34 Runden fahren, was eigentlich ganz okay war. Natürlich war es wie auf der Rasierklinge zu fahren und ich musste darauf achten, aber ich habe das ganz gut hingekriegt. 34 Runden auf den weichen Reifen überleben zu können, das hätte vorher wohl keiner gedacht. 15 bis 20 Runden schienen den Teams realistisch zu sein, wir haben aber das Gegenteil bewiesen. Das ist ja auch so ein Zeichen dafür, dass beim ersten Rennen einfach noch niemand die absolute Sicherheit hatte.

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Der VJM03 sollte auf allen Strecken ähnlich konkurrenzfähig sein Zoom Download

Ich bin jetzt zu Hause. Am Sonntagabend fliege ich nach Melbourne weg, am Dienstagmorgen komme ich dann dort an. Nach Australien fliege ich immer ein bisschen früher, weil der Zeitunterschied so groß ist. Um zehn Stunden Differenz aus den Beinen zu bekommen, braucht man ein paar Tage. Ich werde dort ein bisschen trainieren und die Zeit vor dem Rennen genießen. Ab Donnerstag geht dann das normale Programm an der Strecke los.

Die Tage davor gehe ich meistens viel an den Strand. Untergebracht bin ich in einem Hotel in der Stadt, das gleich in der Nähe eines riesigen Einkaufszentrums mit schönen Restaurants ist. Ich bin keiner, der immer ins gleiche Restaurant geht, sondern ich probiere lieber jedes Jahr etwas Neues aus. Nur ins Casino gehe ich jedes Jahr! Weniger zum Zocken, denn Gambler bin ich keiner, sondern zum Beobachten der Leute. Da sind meistens auch ein paar Freunde dabei. Ich selbst spiele vielleicht ein-, zweimal am Roulettetisch, aber ums Spielen geht es mir dabei eigentlich weniger.

Im ersten Training nicht im Cockpit

Erstmals im Cockpit sitzen werde ich übrigens am Freitagnachmittag, denn die erste Session darf unser Testfahrer Paul di Resta statt mir bestreiten. In Malaysia fährt er dann den Freitagmorgen statt Tonio. Klar, Vorteil ist das keiner, aber es ist auch nicht so tragisch. Wir haben uns darauf vor dem Jahr geeinigt. Ich glaube, ich muss dieses Jahr sieben Freie Trainings auslassen deswegen. Auf den neuen Strecken wird Paul nicht fahren, aber die, die Tonio und ich schon kennen, darf er freitags meistens einsteigen.

Natürlich frage ich mich, ob uns Melbourne besser liegen wird als Bahrain. Im Endeffekt glaube ich, dass es ziemlich ähnlich sein wird, denn unser Auto funktioniert jetzt auf allen Strecken gut. Es gibt mit dem VJM03 nicht mehr diese eine Strecke, auf der wir extrem schnell sein werden, dafür auf anderen langsamer, sondern es ist sehr durchschnittlich geworden. Wir haben sehr viel Arbeit reingesteckt, um den Anpressdruck zu verbessern.

Für mich persönlich sollte Melbourne eine gute Strecke sein, ich fahre sehr gerne dort. Deswegen sollte alles passen. Große Updates auf technischer Seite sind nicht geplant, ein paar Kleinigkeiten aber schon. Das Ziel ist, die ersten Punkte zu holen. Vom Speed her hätten wir das nämlich auch in Bahrain schon draufgehabt...

Euer
Adrian Sutil

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