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Symonds: "Beim MR02 liegen wir im Plan"
Pat Symonds spricht über die Entwicklung bei Marussia - 2013 fährt das Team von Timo Glock mit Cosworth-Motoren und dem KERS von Williams
(Motorsport-Total.com) - Seit 18 Monaten ist Pat Symonds, der frühere Technische Direktor des Renault-Teams, für Marussia tätig. Nach seiner Verwicklung in die sogenannte "Crashgate-Affäre" ist er zwar offiziell nur Technischer Berater des Rennstalls, doch seit gut einem Jahr leitet der Brite die Geschicke in der Marussia-Fabrik. Im Interview verrät Symonds, das Marussia auch im kommenden Jahr mit Cosworth-Motoren fahren wird und trotz der Kooperation mit McLaren ein KERS von Williams einsetzen wird. Außerdem gibt er Einblicke in die Entwicklung des Autos und den Aufbau des Teams.
Frage: "Pat, was waren aus Sicht des Teams bisher die Höhepunkte der Formel-1-Saison 2012?"
Pat Symonds: "Wir haben uns während der Saison laufend verbessert. Sicherlich war der Saisonstart sehr schwierig für uns, aber seitdem haben wir einige wichtige Ziele erreicht. Unser Windkanal-Programm ist angelaufen, wir haben die Leistung des Autos kosteneffektiv gesteigert und haben unsere Arbeitsabläufe optimiert. Wir müssen immer wieder daran erinnern, dass wir ein sehr junges Team sind, daher gibt es sehr vieles, was angesprochen werden muss. Anstelle eines einzelnen Höhepunkts erleben wir eine stetige Verbesserung. Wir bewegen uns langsam voran in Richtung der Führenden und unserer direkten Gegner. Das gibt uns die Zuversicht, dass wir uns in die richtige Richtung bewegen."
Frage: "Wie beurteilst du generell die Saison? Ist es vielleicht die beste aller Zeiten?"
Symonds: "Durch die Unberechenbarkeit, die wir in dieser Saison erleben, ist es für die Zuschauer sehr aufregend. Wir haben elf von 20 Rennen gefahren, und es ist immer noch schwierig vorherzusagen, wer am Ende des Jahres Weltmeister sein wird. Das ist ungewöhnliche Situation, die sowohl den Gelegenheits-Zuschauer als auch den Hardcore-Fans gleichermaßen begeistert. Ja, ich denke es ist bisher eine extrem gute Saison."
Frage: "Gibt es Bereiche, in denen das Team die Erwartungen nicht erfüllt hat?"
Symonds: "Ich glaube nicht. Wir waren sehr realistisch, daher waren unsere Erwartungen zwar ambitioniert, aber wir haben uns keine Ziele gesetzt, von denen wir wussten, dass wir sie auch bei aller Anstrengung nicht erreichen können. Wir haben uns darauf konzentriert, das Auto auf Strecken, auf denen viel Abtrieb benötigt wird, zu verbessern. Durch unsere begrenzten Möglichkeiten konnten wir nicht alles tun, was wir gerne getan hätten. Aber es gibt bis jetzt nichts, was wir bereuen."
Windkanalarbeit wirkt nicht sofort
Frage: "Eure letztes Update habt ihr als das erste ordentliche Windkanal-Upgrade bezeichnet. Wie entscheidend war das?"
Symonds: "Unser Windkanal-Programm startete Ende vergangenen Jahres. Es dauert sehr lange die komplexen Modelle zu bauen, die wir in einem Windkanal der Formel 1 verwenden, daher war der Einfluss des Programms beim MR01 zunächst nicht spürbar. In der Frühphase der Saison haben wir nur vergleichsweise kleine Upgrades aus dem Windkanal ans Auto gebracht. Unser erstes großes Upgrade kam dann in Silverstone."
"Um ein Beispiel zu geben: Wir hatten eine neue Nase, die in der dritten Maiwoche im Windkanal getestet wurde und Ende Mai von den Aerodynamikern freigegeben wurde. Die Seitenkästen und der Auspuff wurden zur gleichen Zeit entwickelt. Die Entwicklung des Heckflügels, der völlig neu war, begann früher. Dafür hatten wir schon Ende April die vorläufige Freigabe und konnten im Mai im Windkanal an der Feinabstimmung arbeiten. Gegen Ende Mai hatten wir dann unser Upgrade für Silverstone definiert, und den Juni haben wir dann mit Detailverbesserungen und er Herstellung der Teile verbracht."
Frage: "Hat das Upgrade das gebracht, was ihr euch davon erhofft hattet?"
Symonds: "Ja, auf jeden Fall. Wir sind sehr zufrieden, dass die Daten mit den Windkanal-Messungen übereinstimmen. Im Rahmen unserer technischen Zusammenarbeit nutzen wir den Windkanal von McLaren. Unsere Berechnungen wurden auf der Strecke bestätigt, sowohl bei den Messungen im Freien Training am Freitag als auch durch eine gesteigerte Leistung des Autos."
Frage: "Welche weiteren Upgrades habt ihr für den weiteren Saisonverlauf geplant?"
Symonds: "Wir haben noch einige Upgrades, die wir in dieser Saison ans Auto bringen werden. Glücklicherweise sind die Regeln im Bezug auf die Aerodynamik für 2013 sehr ähnlich denen von 2012, daher können wir Komponenten, die wir am Ende der Saison entwickeln, auch für das 2013er Auto verwenden. Natürlich liegt unsere Konzentration schon auf 2103, aber wir werden in Spa und in Singapur ein Upgrade bringen, und das wird nicht das Letzte sein."
Frage: "Was sagst du zu den Fahrern? Timo und Charles haben gezeigt, dass sie eine starke Paarung sind."
Symonds: "Ja, sie sind eine gute Mischung aus Jugend und Erfahrung. Als junges Team können wir uns glücklich schätzen, einen Fahrer wie Timo zu haben, der uns mit seiner Erfahrung bei der Weiterentwicklung hilft und bei jeder Gelegenheit das Maximum aus dem Auto herausholt. Unsere Fahrerpaarung hat all unsere Hoffnungen erfüllt."
Frage: "Charles scheint seine Debüt-Saison bisher zu genießen. Bist du von seiner Leistung positiv überrascht?"
Symonds: "Ja, absolut. Charles ist erst 22 Jahre alt. Er ist einige Jahre in der GP2 gefahren und war dort im Vorjahr Vierter, er hat aber auch in der Formel Renault 3.5 einige beeindruckende Rennen gezeigt. Ich denke, er ist in diesem Jahr sehr gereift. Er ist ohne Zweifel sehr schnell, das hat er bei einigen Gelegenheiten gezeigt. Und von Rennen zu Rennen lernt er mehr über die Feinheiten der Reifen und Art und Weise, wie man ein Grand-Prix-Wochenende angehen muss."
Vertrag mit Cosworth wird verlängert
Frage: "Du bist jetzt seit 18 Monaten im Team. Wie sehr ist es in dieser Zeit gewachsen und steht ihr da, wo du es erwartet hast?"
Symonds: "Die 18 Monate stimmen, aber das war zunächst auf Teilzeit-Basis. Meine Hauptbeschäftigung ist es erst seit einem Jahr. Seitdem haben wir versucht, das Team Monat für Monat aufzubauen. Wir wollten ein konstantes Wachstum, aber wichtiger als die Expansion ist der Verbesserung der Organisation, alles unter ein Dach zu bringen und uns als glaubwürdiges Team aufzustellen. Wir haben das Team in eine Position gebracht, von der aus wir im Verlauf der kommenden Jahre in der Startaufstellung nach vorne rücken können."
Frage: "Wie läuft die Arbeit am MR02 und wie sieht euer Zeitplan für den Rest des Jahres aus?"
Symonds: "Beim MR02 liegen wir im Plan. Es ist wie immer ein enger Zeitplan, aber so sollte es auch sein, wenn du die möglichst viel Leistung ins Auto bringen willst. Es wird einige signifikante Änderungen geben, aber in vielerlei Hinsicht ist es eine Weiterentwicklung des MR01 - der Lektionen, die wir bei diesem Auto gelernt haben, der Erfahrungen aus einer halben Rennsaison und einiger Dinge, die wir bei diesem Auto machen wollten, wozu uns aber die Zeit fehlte. Es läuft alles nach Plan, daher freuen wir uns auf produktive Wintertests und einen starken Start in die Saison 2013."
Frage: "Mit welchem Antrieb werdet ihr 2013 fahren?"
Symonds: "Weiterhin mit einem Cosworth-Motor. Wir sind mit ihrer Arbeit zufrieden, arbeiten gut mit ihnen zusammen und versuchen uns im Rahmen der Regeln in einigen Bereichen zu verbessern. Wir konzentrieren und dabei vor allem auf die Fahrbarkeit des Motors und die Steigerung der Leistung des gesamten Antriebsstrangs."
Frage: "Wie wir gehört haben, plant ihr die Einführung eines KERS. Wer wird das liefern und wie schnell werdet ihr euer Gesamtpaket daran anpassen können?"
Symonds: "Wir werden im nächsten Jahr KERS verwenden. Wir planen das System von Williams zu nutzen, welches sie im vergangenen Jahr mit dem Cosworth- und in diesem Jahr mit dem Renault-Motor verwendet haben. Unsere Entwicklung für 2013 ist darauf ausgelegt. Wir sind von der Technik, der Effizienz und dem Gewicht sehr beeindruckt. Auch Williams freut sich über die technische und kommerzielle Zusammenarbeit."
Aerodynamik im Blickpunkt
Frage: "Lass uns einmal 18 Monate vorausblicken. In welchen Bereichen kann sich das Team in dieser Zeit verbessern?"
Symonds: "Wir müssen uns in allen Bereichen verbessern. Ein Team ist immer nur so stark wie sein schwächstes Glied. Was die Leistung des Autos betrifft, ist unser primäres Ziel die Verbesserung der Aerodynamik. Ich bin zufrieden mit den Fortschritten, die wir in diesem Bereich in den vergangenen Monaten gemacht haben, und glaube, dass wir das fortsetzen können."
"Wir wollen 2013 eine starke Basis für den Ausbau unserer Aerodynamik-Abteilung schaffen, damit wir das Auto noch Leistungsfähiger machen können. Gleichzeitig dürfen wir aber auch die mechanischen Aspekte nicht außer Acht lassen. Wir müssen das KERS integrieren, es in allen Details verstehen und lernen, wie man es im Rennen einsetzt. Aus diesen und anderen Gründen denke ich, dass wir uns im Jahr 2013 deutlich steigern können."
Frage: "Wie viel Spaß macht dir persönlich diese Herausforderung?"
Symonds: "Ich genieße es sehr. Es ist schwierig, aber auch eine große Herausforderung. Es ist etwas völlig anderes als das, was ich in den vergangenen Jahren gemacht habe. Es macht Spaß, mit dem Team zu arbeiten und es wachsen zu sehen. Die Atmosphäre ist großartige, alle arbeiten mit großer Leidenschaft. Noch aufregender ist jedoch das, was wir gemeinsam erreichen können."
Frage: "Du hast in dieser Saison einige Leute eingestellt, um alle Positionen für die Zukunft richtig zu besetzen. Was sind die Vorzüge dieses Teams?"
Symonds: "Die Menschen sind entscheidend. Die Ausstattung ist zwar wichtig, aber die kannst du kaufen, das ist nur eine Frage des Geldes. Menschen kannst du nicht kaufen. Du brauchst die richtigen Leute. Wir wollen Mitarbeiter, die selbständig arbeiten, kreativ sind und gut im Team zusammenarbeiten. Das bauen wir gerade auf, wobei wir aber nicht zu schnell vorgehen, denn wir möchten die Organisation strukturiert und kontrolliert aufbauen. Wir haben einige sehr gute Leute im Team und wollen diesen Weg weiter gehen."
Frage: "Welche Vorzüge hat es, für ein junges, ambitioniertes Team wie Marussia zu arbeiten, das noch in den Kinderschuhen steckt. Was kannst du guten Kandidaten bieten?
Symonds: "Wir können ihnen vor allem eine umfassende Beteiligung bieten. In einem kleinen Team wie Marussia hat man mit allen Aspekten des Geschäfts zu tun und sitzt nicht nur irgendwo in einer Abteilung und bekommt vom großen Rest nichts mit. Unsere Leute lernen genau so wie wir dazu, sie werden unsere Erfolge, und die werden wir haben, genau so genießen. Ich glaube jeder, der bei Marussia arbeitet, hat das Gefühl, einen wichtigen Beitrag zu leisten, und so ist es auch."