McLaren stapelt tief: Qualifying sieht besser aus als wir sind
Dreieinhalb Zehntel Vorsprung von Lando Norris sind nicht das neue Normal in der Formel 1, warnt Andrea Stella - Wichtig ist ihm eine ganz andere Sache
(Motorsport-Total.com) - Lando Norris holte nicht nur die dritte Poleposition für sich und McLaren in der Formel-1-Saison 2024 (vier mit der Sprint-Pole in China), sondern fuhr auch einen ungewöhnlich großen Vorsprung auf Max Verstappen heraus. 0,356 Sekunden Vorsprung erinnern eher an die Bestzeiten von Max Verstappen als an die knappen Norris-Poles, die bisher mit weniger als einer Zehntelsekunde Vorsprung gewonnen wurden.
Ist das also der Beweis, dass McLaren mit dem neuen Update endgültig das Zepter in der Formel 1 (Saison 2024 im Livesticker!) übernommen hat? Teamchef Andrea Stella winkt ab: "Ich glaube nicht, dass wir den Unterschied zwischen der Poleposition und dem zweiten Platz allein auf das Update zurückführen können."
"Ich denke, was wir heute gesehen haben, war eine Kombination aus mehreren Faktoren. Zunächst einmal würde ich diese Strecke in die Kategorie von Ungarn und Barcelona einordnen, wo wir lange Kurven im mittleren Geschwindigkeitsbereich haben, die der Charakteristik unseres Autos sehr entgegenkommen. In beiden Fällen standen wir auf der Pole."
An zweiter Stelle nennt Stella die Updates, die die Zahlen aus den Berechnungen in der Praxis bestätigen. Das ist für ihn eine große Erleichterung. "Die Basis war schon konkurrenzfähig, jetzt haben die Updates noch einen draufgelegt."
"Ein dritter Faktor sind die Bedingungen, unter denen wir heute gefahren sind: kein Sonnenschein, eine relativ kühle Strecke und eine Umgebungstemperatur, die unserem Auto zu liegen scheint".
Und schließlich: "Ich würde sagen, dass wir heute auch ein wenig den Lando-Norris-Faktor gesehen haben. Denn wir wissen, und das überrascht mich überhaupt nicht, dass Lando diese Art von Leistung bringen kann, weil er das in der Vergangenheit bereits getan hat. Und hier sieht es ganz danach aus, als wäre er das ganze Wochenende in Bestform gewesen."
Funktionierende Updates eine Erleichterung
All diese Faktoren hätten zu dem großen Vorsprung geführt. Deshalb will Stella auch Max Verstappen und George Russell für das Rennen nicht abschreiben. Wichtig ist für ihn aber ohnehin, dass das Update funktioniert.
"Es ist sehr nützlich, weil es uns die Fehlersuche erspart. Die Rennstrecke ist wie CFD oder der Windkanal eine Entwicklungsumgebung. Es ist wichtig, dass diese Umgebungen miteinander harmonieren und dass man die verschiedenen Informationen nutzt, die man aus den drei Umgebungen erhält."
Für die vom Update in Zandvoort betroffenen Bereiche seien keine weiteren Updates geplant, lässt er durchblicken. Die Änderungen des dritten großen technischen Updates am MCL38 betreffen die Aufhängung, die Bremsbelüftung, den Unterboden, den Heckflügel und den Beam-Wing.
"Es gibt aber noch ein paar andere Bereiche, die wir verbessern wollen und die hoffentlich bei den nächsten Rennen zum Einsatz kommen", kündigt Stella an. Bleiben beispielsweise noch der Frontflügel, der Cockpitbereich, die Motorabdekcung und der Diffusor.
Was geht noch in der WM?
Unbestritten hat McLaren mit dem MCL38 mittlerweile das konkurrenzfähigste Paket im Feld - nur das Ausnahmetalent Max Verstappen hält Red Bull derzeit im Rennen. Da ist die Versuchung groß, noch mehr Ressourcen in den Kampf um die Weltmeisterschaft 2024 zu stecken.
Doch darauf will sich Stella nicht einlassen: "Ich glaube nicht, dass das heute etwas ändert. Weder für unsere Titelambitionen noch für das nächstjährige Auto. Das steht alles seit einigen Monaten fest, und wir halten uns an den Plan. Die Tatsache, dass die Updates funktionieren, zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind."
In der Konstrukteurswertung liegt McLaren aufgrund des relativ schwachen Saisonstarts derzeit noch 42 Punkte hinter Red Bull, holt aber mit jedem Rennen auf - auch aufgrund der erschreckend schwachen Leistungen von Sergio Perez seit Beginn des europäischen Teils des WM-Kalenders.
In der Fahrer-WM hingegen scheint Verstappen mit 78 Punkten Vorsprung über alle Berge zu sein, denn seine Verfolger nehmen sich gegenseitig die Punkte weg. "Der Abstand ist groß", gibt Stella zu.
"Wenn wir in der [Fahrer-]Weltmeisterschaft noch etwas reißen wollen, müssen wir anfangen, Max immer mit Lando zu schlagen. Oder immer mit Oscar - wenn man sich zum Beispiel die Saison 2013 von Sebastian Vettel ansieht, als er nach der Sommerpause alle Rennen gewonnen hat, dann würde ich Oscar noch nicht abschreiben."
Der Fokus liege aber nicht auf den Fahrern. "Wichtig für uns ist, dass wir am Sonntag die Ergebnisse [mit beiden Autos] holen und die Situation [in der Konstrukteurswertung] verbessern. Dann werden wir als Team sehen, was die richtige Herangehensweise für die Fahrermeisterschaft ist. Wir werden die Situation von Rennen zu Rennen neu bewerten."