Oscar Piastri: Haben ihn diese zwei Situationen den Sieg gekostet?

Was McLaren-Fahrer Oscar Piastri beim Formel-1-Rennen in Belgien hätte besser machen können, um am Ende nicht Zweiter zu sein, sondern Sieger

(Motorsport-Total.com) - "Ich glaube nicht, dass wir sehr viel mehr hätten erreichen können", sagt Oscar Piastri nach dem Belgien-Grand-Prix 2024 in Spa. Aber stimmt das wirklich?

Charles Leclerc im Ferrari vor Oscar Piastri im McLaren beim Formel-1-Rennen in Belgien 2024

Piastri selbst kommen im Verlauf der offiziellen Pressekonferenz nach dem Rennen erste Zweifel, als er auf unterschiedliche Situationen angesprochen wird. Zum Beispiel auf sein Überholmanöver gegen Ferrari-Fahrer Charles Leclerc in Runde 36. Schon zwei Runden zuvor hatte er sich erstmals im DRS-Fenster befunden, aber trotzdem kein Überholmanöver geschafft.

Dazu erklärt Piastri: "Ich habe ein paar Runden gebraucht, um an Charles vorbeizukommen. Dabei habe ich meine Reifen wirklich überhitzt." Das habe ein Manöver gegen Leclerc "nicht einfach" gemacht.

Im dritten Versuch mit DRS aber zog Piastri spektakulär vorbei: außenrum eingangs der Les-Combes-Schikane. Entsprechend groß sei die Erleichterung gewesen im Cockpit. "Wenn es mir nicht in dieser Runde gelungen wäre, dann wäre ich wohl für geraume Zeit hinter ihm festgehangen", sagt Piastri. "Das war ein entscheidender Moment in meinem Rennen."

Piastri überschießt den Boxen-Stellplatz

Eine weitere wichtige Szene lag zu diesem Zeitpunkt bereits sechs Runden zurück: Piastris zweiter Reifenwechsel von Hard auf Hard für den letzten Stint im Rennen. Und dieser Boxenstopp war missglückt, weil Piastri den Standplatz vor der McLaren-Garage nicht präzise getroffen hatte, sondern ein gutes Stück darüber hinausgeschossen war. Ergebnis: 24,1 Sekunden Aufenthalt in der Boxengasse, länger als jeder andere Fahrer, mindestens eine verschenkte Sekunde.

"Ich bin einfach ein bisschen zu aggressiv reingefahren", meint Piastri und erklärt: "Am Freitag hatten wir guten Grip in der Boxengasse gehabt. Da war ich immer einen Tick zu früh dran gewesen. Selbst bei meinem ersten Boxenstopp im Rennen war das der Fall. Da musste ich aber auch ein wenig bremsen, weil Lewis [Hamilton] vor mir losfuhr, also kam ich vielleicht ein bisschen langsamer an."

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"Beim zweiten Stopp bin ich aber klarerweise etwas über das Ziel hinausgeschossen. Das war keine Sternstunde. Es ist mir jetzt zum zweiten oder dritten Mal in diesem Jahr passiert, dass ich den Mann am vorderen Wagenheber über den Haufen gefahren habe. Ich werde versuchen, das beim nächsten Mal nicht mehr zu tun."

Rennentscheidend sei dieser Zwischenfall aber nicht gewesen, sagt Piastri. Es habe "unterm Strich eigentlich nichts gekostet" und er wäre "wahrscheinlich sonst nur eine Runde mehr" hinter Hamilton und George Russell festgehangen.

McLaren-Teamchef Stella widerspricht Piastri

An dieser Stelle widerspricht McLaren-Teamchef Andrea Stella: "Die 1,5 bis zwei Sekunden Verlust beim Boxenstopp haben sich als relativ kostspielig erwiesen. Denn ohne das wäre er direkt hinter Hamilton gewesen und wäre vielleicht noch in eine Angriffsposition gekommen. Dann wäre er auch eher und mit frischeren Reifen hinter Leclerc aufgetaucht und hätte ihn leichter überholen können."

Laut Stella "bedingt hier das eine das andere" und ziehe deshalb eine interne Aufarbeitung nach sich. Tenor: "Da müssen wir mit unseren Fahrern arbeiten, damit sie selbst im Eifer des Gefechts beim Boxenstopp nichts übertreiben. Denn das kann kostspielig sein, so wie wir es ähnlich schon in Silverstone hatten."

Doch Piastri hatte sich schon vor dem Start zum Rennen ins Hintertreffen gebracht, weil er im Qualifying nicht über Position sechs hinausgekommen war. Aufgrund der Rückversetzung von Max Verstappen im Red Bull wurde daraus Startplatz fünf. "Aber eigentlich war da noch etwas mehr drin an diesem Wochenende", meint Piastri. "Wir hatten uns nur leider nicht gut positioniert."

Ob McLaren eine Einstopp-Strategie erwogen hat

Hätte eine Einstopp-Strategie hier Wunder bewirkt? Sie sei zumindest "eine Möglichkeit" gewesen, sagt Piastri rückblickend. "Ich schätze, es treten sich gerade ein paar Leute, weil sie das nicht ebenfalls mehr in Betracht gezogen haben. Mir ist es in den Sinn gekommen, aber nicht ernsthaft genug."

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"Ich war eher erstaunt, wie viel Unterschied freie Fahrt gemacht hat. Nachdem Lewis und Charles zum zweiten Stopp gefahren waren, bin ich gleich eine Sekunde schneller gewesen, nur weil ich freie Fahrt hatte. Das war beeindruckend. Danach aber setzte ein gewisser Reifenverschleiß ein. 16 oder 15 Runden vor Schluss hielt ich es für ein ziemlich großes Risiko, damit durchzufahren."

"Und ich wusste: Mit unserem Reifenvorteil würden wir eine gute Siegchance haben. Vielleicht also hätte ich mehr an die Variante mit einem Stopp denken sollen. Aber wir haben unsere Sache auch mit zwei Stopps gut gemacht. Unglücklich war nur, dass wir schon im Qualifying an Boden verloren hatten."

Stella erklärt: Warum ein Stopp riskant ist

Auch hier stellt McLaren-Teamchef Stella leicht abweichende Überlegungen an und meint, McLaren hätte mit einer Einstopp-Strategie besser ausgesehen als mit zwei Reifenwechseln. "Wir waren aber nicht überzeugt, dass es klappen würde", sagt Stella. "Und wenn die Strategie nicht aufgeht, kann es ziemlich schmerzhaft werden. Dann ist es nämlich zu spät für einen Stopp und man verliert viele Positionen."

McLaren habe sich deshalb gegen die "ziemlich extreme" Einstopp-Variante entschieden und Piastri auf die "eher konventionelle Zweistopp-Strategie gepolt", weil die Pace über die Distanz "stark" gewesen sei. "So konnten wir Positionen gutmachen", erklärt Stella.

Außerdem sei McLaren im Rennverlauf von "zwei Faktoren überrascht" worden, "einmal vom geringen Reifenverschleiß, zum anderen vom schwierigen Überholen. Selbst mit einem Reifenvorteil war es nicht genug, um zu überholen. Das hat man bei Lewis und Russell gesehen. Soweit ich weiß, gab es da ja keine Stallorder. Aber das liegt einfach an der Dirty-Air", sagt Stella. "Deshalb konnte man nicht so einfach überholen wie gedacht."

McLaren-Boss Zak Brown mit Oscar Piastri: Lieber nicht zu viel Risiko ...

Dergleichen habe die "riskante Strategie bei Russell wohl noch zusätzlich motiviert", meint Stella. "Wir denken aber ein bisschen robuster und haben unterm Strich mehr Punkte geholt als Red Bull. Jetzt sind es noch 43 Punkte Rückstand. Ich schätze, da muss man etwas Vorsicht walten lassen bei abenteuerlichen Strategien, wenngleich die sich dieses Mal als gut erwiesen haben."

Piastri in Bestform

Was bleibt, ist ein zweiter Platz für Piastri nach dem Sieg beim vorherigen Ungarn-Grand-Prix. Ob er in Spa eines seiner bisher besten Rennen abgeliefert habe, wird der australische McLaren-Fahrer gefragt. Antwort: "Ich würde schon sagen. Der Mann am vorderen Wagenheber würde hier sicher widersprechen, aber nein, es war ein starkes Rennen. Ich fühlte mich einfach sehr gut an diesem Wochenende."

Es habe zwar "am Ende nicht gereicht, um [Mercedes] noch zu packen, aber wir haben vieles richtig gemacht", sagt Piastri. "Wir hatten ein schnelles Auto. Und wenn man den Startplatz bedenkt, bin ich sehr zufrieden."