• 11. Juli 2024 · 09:22 Uhr

Mercedes: Warum Hamilton nicht auf Hard gegangen war

Mercedes-Ingenieur Andrew Shovlin spricht über die Herausforderungen beim Rennen in Silverstone, wo die Silberpfeile im Grunde (fast) alles richtig machten

(Motorsport-Total.com) - Mit einer guten Pace und vor allem strategisch richtigen Entscheidungen konnte Mercedes sein Heimspiel in Silverstone mit Lewis Hamilton gewinnen.

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Mercedes erlebte in Silverstone ein äußerst turbulentes Rennen Zoom Download

Während die Konkurrenz von McLaren am Ende mit der Reifenwahl bei Lando Norris patzte und Red Bull und Ferrari Federn ließen, indem sie Sergio Perez und Charles Leclerc zu früh auf Intermediates schickten, traf der Kommandostand von Mercedes stets die richtigen Entscheidungen.

Der leitende Renningenieur Andrew Shovlin gibt einen Einblick in die kritischsten Momente des Silverstone-Rennens, die letzten Endes aber zum Erfolg der Silberpfeile führten. Für ihn kam eine der schwierigsten Entscheidungen schon relativ früh im Rennen, nämlich als es richtig war, auf nasser Strecke auf Slicks zu bleiben.

"Wenn man für Inters reinkam, war es nicht nass genug, man hätte sie zerstört und was macht man dann?", fragt Shovlin. "Dann muss man entweder auf einen Slick oder einen anderen Inter wechseln."

Genau das ist Charles Leclerc und Sergio Perez passiert, die an die Box gekommen waren und fortan im Rennen keine Rolle spielen sollten, weil sie teilweise 15 Sekunden pro Runde verloren und wie alle anderen auch später trotzdem neue Intermediates nehmen mussten.

Mercedes verließ sich bei der Entscheidung dabei vor allem auf seinen Regenradar. "Hier war es ziemlich einfach, den einsetzenden Regen zu erkennen. Wir wussten also, wann der Schauer einsetzen würde", sagt er.

"Anhand des Radars bekommt man eine ziemlich gute Vorstellung davon, wie stark es sein wird, und im Laufe des Wochenendes hatten wir glücklicherweise schon viele andere Regenschauer. Man weiß also, wie sie sind, und wir wussten, was wir erwarten würden."

Daher habe man den Fahrern gesagt, dass man wahrscheinlich den ersten Schauer einfach aussitzen und ein paar schwierige Runden überstehen muss.

Warum Mercedes plötzlich an Pace verlor

Das taten Russell und Hamilton auch, allerdings taten sich die beiden Mercedes-Piloten in dieser Phase besonders schwer und verloren ihre Doppelführung an McLaren. Die gute Pace von Beginn konnte Mercedes zu dem Zeitpunkt nicht mehr gehen.

"Das hängt mit der Reifentemperatur zusammen", übt sich Shovlin in Ursachenforschung, "und der Unterschied zwischen uns und ihnen bestand vielleicht darin, dass unsere Reifen etwas mehr abgenutzt waren, sodass man weniger Gummi hat."

"Wenn man den Gummi verliert, sinkt die Temperatur des Reifens, aber wenn dann noch ein bisschen Regen dazukommt, kühlt er plötzlich ab und man kann sogar ganz aus dem Fenster fallen", sagt er.

"Es gab also eine kurze Phase, in der wir wirklich um Grip kämpften. Wir kamen wieder in Fahrt, aber das hängt alles mit der Temperatur zusammen und ist möglicherweise nur ein Hinweis darauf, wer in dieser entscheidenden Phase den meisten Gummi hatte."

Doppelstopp war richtig

Wenig später kam dann aber der richtige Regen, bei dem alle Fahrer auf Intermediates wechseln mussten. Aus der Spitzengruppe hatte Max Verstappen in Runde 26 den Anfang gemacht, Mercedes wechselte eine Runde später. Wichtig dabei: Das Team machte einen sogenannten Double-Stack und holte beide Fahrer gleichzeitig an die Box.

Zwar musste Russell dadurch hinter Hamilton warten, das war aber immer noch besser als die Taktik von McLaren, bei der Oscar Piastri noch eine Runde länger draußen blieb und deutlich mehr Zeit und vielleicht sogar den Rennsieg verlor.


So gelang Mercedes der Sieg in Silverstone!

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Mercedes-Ingenieur Andrew Shovlin blickt auf den Sieg in Silverstone zurück: Wie schwierig die Entscheidungen bei Regen waren, warum Lewis Hamilton am Ende nicht Hard nahm und was bei George Russell zum Ausfall führte. Weitere Formel-1-Videos

"Wir konnten sehen, dass eine echte Nassphase kommt, die eine Weile anhalten würde. Und das war der Punkt, an dem wir beide reingeholt haben", sagt Shovlin. "Hätten wir einen noch eine Runde rumgeschickt, dann hätten wir weitere fünf, zehn Sekunden verloren, weil es auf den Slicks so schwierig geworden war. Zu dem Zeitpunkt musstest du auf Inters sein."

In der folgenden Phase verfolgte Hamilton Spitzenreiter Lando Norris und wurde seinerseits von Max Verstappen verfolgt, der aber bereits rund sechs Sekunden Rückstand hatte. Und während George Russell mit einem Defekt ausfiel, fiel die Entscheidung um den Sieg zwischen Mercedes, McLaren und Red Bull beim letzten Boxenstopp zurück auf Slicks.

Auch hier stimmte das Timing von Mercedes, die in der richtigen Runde wechselten, während Norris eine Runde zu spät reinkam und die Führung an den Briten verlor. Noch wichtiger: Norris kam auf seinen Softs nicht zurecht und verlor in der Schlussphase sogar eine Position gegen Verstappen, der Hards genommen hatte.

Mercedes hätte noch Hard gehabt

Der Niederländer hatte in der Phase die beste Entscheidung getroffen, doch Hamilton hielt die Führung auch auf seinen Soft-Reifen knapp. Doch warum wählte Mercedes bei ihm Soft? Denn wie Shovlin sagt, hätten die Silberpfeile auch noch einen Hard zur Verfügung gehabt.

"Als wir sie montierten, wussten wir nicht, dass sie so gut sein würden, wie sie waren", lautet die einfache Erklärung. "Der harte Reifen war der richtige Reifen für diesen Teil des Rennens. Man hat gesehen, wie stark er bei Max war."


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Mercedes sei dadurch beeinflusst worden, dass man einen Undercut gegen Norris versuchte. "Wir gingen auf eine Strecke, die an der Grenze zu feucht war und langsam abtrocknete, und wir dachten, dass der weiche Reifen uns das beste Warm-up bieten würde, die beste Chance, auf der Outlap Boden auf Lando gutzumachen und die Führung zu übernehmen."

"Wir hatten nicht wirklich erwartet, dass der harte Reifen so gut sein würde", gibt Shovlin zu. "Und man konnte sehen, dass Max uns in der Schlussphase einholen konnte, aber zum Glück hatten wir genug Luft, um bis zur Zielflagge vorne zu bleiben."

Zittern bis kurz vor Ende

Bei Mercedes begann in der Schlussphase natürlich das große Zittern. Denn man bemerkte, dass Verstappen auf einem anderen Reifen war, der bis dato auch immer gut funktioniert hatte.

"Wir wissen, dass sie ein sehr schnelles Auto haben, und es war ein bisschen besorgniserregend, denn nach all den Entscheidungen in den vielen Runden des Rennens wäre es wirklich schrecklich gewesen, es in den letzten Momenten zu verlieren", gibt Shovlin zu.


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Erst in den letzten drei oder vier Runden habe er etwas mehr entspannen können, "denn man konnte sehen, dass Max nicht wirklich die Pace hatte, um Lewis' Vorsprung zu verringern und ihn tatsächlich einzuholen."

Der Lohn war Lewis Hamiltons neunter Sieg beim Heimspiel in Silverstone.

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