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Warum die Hitze im Cockpit für die Fahrer ein großes Problem darstellt
Das Hitzeproblem im Cockpit beschäftigt die Formel 1: Die Ursache liegt nicht allein in den hohen Außentemperaturen begründet - es gibt verschiedene Auslöser!
(Motorsport-Total.com) - Das Hitzerennen von Katar, bei dem mehrere Fahrer kurz vor dem Kollaps standen und sich nach dem Rennen in medizinische Behandlung begeben mussten, ist noch immer ein "heißes" Gesprächsthema im Fahrerlager. Die Ursache liegt jedoch nicht allein darin begründet, dass es in Katar so warm war.
Es gibt mehrere Gründe, warum das Rennen für die Fahrer derart herausfordernd war: Neben den hohen Außentemperaturen waren auch die stark ansteigende Luftfeuchtigkeit und die ungewöhnliche Reifenregel verantwortlich, die das Rennen für die Piloten zu einem Sprintrennen machte.
Und auch das nur die halbe Wahrheit: Dickere Rennanzüge, die seit dem Feuerunfall von Romain Grosjean in Bahrain 2020 vorgeschrieben sind, sowie die starke Hitzeentwicklung der aktuellen Formel-1-Boliden spielen eine entscheidende Rolle. In Zukunft ist daher auch auf anderen Strecken mit vergleichbaren Hitzerennen zu rechnen.
Domenicali kündigt Aufarbeitung an
Formel-1-Boss Stefano Domenicali schrieb einen Brief an die Fahrervereinigung GPDA, in dem er sich bei den Fahrern für ihre Bemühungen bedankte und gleichzeitig ankündigte, dass für die Zukunft nach Lösungen gesucht werde, wie sich derartige Hitzerennen vermeiden lassen.
Eine Lösung sei die Optimierung des Rennkalenders: Im kommenden Jahr findet der Katar GP erst im Dezember statt, sodass die Temperaturen deutlich geringer ausfallen. Die FIA teilte bereits mit, die Umstände in Katar zu analysieren, um Empfehlungen für künftige Situationen zu geben.
Auch im Technischen Beratungsausschuss (TAC) wird das Thema nach dem Großen Preis von Mexiko diskutiert, um mögliche Lösungen für die Zukunft zu finden. Der GPDA-Vorsitzende Alex Wurz steht dazu in einem engen Kontakt mit der FIA und den Verantwortlichen der Formel 1.
"Unterm Strich werden wir, also der Sport, damit umgehen", kündigt Wurz an, der die schnelle Antwort von Domenicali und den guten Dialog mit dem Formel-1-Boss schätzt. "Und ich bin sicher, dass die richtige Balance gefunden wird."
Mangelnde Fitness ist nicht das Problem
Dass die Formel-1-Piloten nicht fit genug sind, um bei derartigen Herausforderungen zu bestehen, ist umstritten. "Ich kann sagen, dass ich mich intensiv auf die Hitze vorbereite", sagt GPDA-Direktor George Russell. "Ich trainiere mit drei Schichten Kleidung vor diesen heißen Rennen. Ich gehe sehr oft in die Sauna, um mich an die Hitze anzupassen."
"Wir fahren 20 Sekunden pro Runde schneller als diese Leute, die das kommentieren, und gehen mit 5G durch die Kurven. Und natürlich müssen wir Gladiatoren sein", ist der Mercedes-Pilot von den Diskussionen genervt. "Aber wenn es um die Hitze geht, kann der Körper nur einen gewissen Punkt aushalten. Bei der Weltmeisterschaft in Katar wurden aufgrund der Hitze zweimal während des Spiels dreiminütige Wasserpausen eingelegt."
"Sie haben ihre 15-minütige Halbzeitpause, und wir sind 90 Minuten lang auf einer Hochgeschwindigkeitsstrecke mit hohem Abtrieb gefahren, und das bei Temperaturen und Luftfeuchtigkeit, die durch die Decke gingen", brachte Russell die Umstände in Katar auf den Punkt.
"Jeder kann sagen, was er will, aber auch die Rennwagen in den Neunziger- und Achtzigerjahren hatten nicht alle elektronischen Bauteile rund um das Cockpit, die das Cockpit zusätzlich aufheizen", erinnert der Engländer. "Sie hatten kein Servolenkungssystem, das bei 50 bis 60 Grad Celsius lief und Wärme abstrahlte."
"Wir haben Hydraulikleitungen rund um das Cockpit verlegt, die bis zu 120 Grad Celsius haben", erklärt Russell die zusätzlichen Herausforderungen. "Während des gesamten Rennens herrschte im Cockpit eine Temperatur von fast 60 Grad Celsius. Ich weiß von einigen Fahrern, die einen Hitzschlag erlitten haben, dass sie in der darauffolgenden Woche krank waren."
Wurz: "Es sollte gewisse Grenzen geben!"
Auch Wurz ist der festen Überzeugung, dass es falsch ist, die Ereignisse in Katar mit der Fitness der Fahrer in Verbindung zu bringen. Dafür waren die Bedingungen zu extrem. Er glaubt, dass es an der Zeit ist, dass sich die FIA mit dem Hitzeproblem befasst und die Angelegenheit regelt.
"Hitzeerschöpfung hängt nicht unbedingt direkt mit der Fitness zusammen", weiß der ehemalige Formel-1-Pilot. "Es reicht also nicht aus, wenn die Leute sagen, dass die Fahrer fitter sein sollten. Denn auch die Fitness hat nicht immer etwas mit der Hitzebeständigkeit zu tun."
"Es gibt viele Faktoren, die zur Hitzemüdigkeit und zur Arbeit in einer heißen Umgebung beitragen", erklärt der GPDA-Vorsitzende. "Ich glaube, dass die Aggressivität all dieser Faktoren das Ereignis in Doha zu einem außergewöhnlichen Ereignis gemacht hat, aus dem wir lernen und Fortschritte machen müssen."
"Und es geht definitiv nicht darum, dass man in diesem Sport weniger fit sein muss. Nein, es ist nur so, dass es bestimmte Regeln und Grenzen gibt. Wie bei allem, gibt es auch für jedes funktionierende Teil an einem Rennwagen eine Grenze. Die FIA gibt Belastungsgrenzen, Temperaturgrenzen, Gewichtsgrenzen und Verformungsgrenzen vor."
"Und der Fahrer ist eines dieser 100 funktionierenden Teile", so Wurz. "Und da sollte es auch gewisse Grenzen geben. Wir haben Grenzen, wenn wir in die Mauer crashen und anschließend ins Medical Center gehen müssen. Andere Sportarten haben hitzebedingte Grenzen. Materialien haben hitzebedingte Grenzen."
"Niemand verlangt, dass der Sport weniger hart, weniger anstrengend oder leichter sein soll. Er wird niemals leicht sein. Ich denke, das wäre eine wirklich unangebrachte Bemerkung von irgendjemandem. Unterm Strich müssen wir uns die Faktoren ansehen, die dazu beigetragen haben, daraus lernen und damit weitermachen."
Formel 1 sollte sich Beispiel an WEC nehmen
Eines der grundlegenden Probleme bestehe darin, dass die aktuellen Autos von Natur aus unglaublich heiß sind, da sich viele Teile der Antriebseinheit in unmittelbarer Nähe der Fahrer befinden und die Teams bis an die Grenzen der Karosseriemaße gehen.
"Die Hydraulik und die Elektronik laufen sehr heiß", weiß Wurz. "Das ganze Paket ist enger als je zuvor, und das ist ein typischer Effekt des Rennsports und der Formel 1. Und vielleicht führt auch die Aerodynamik mit dem Halo und dem neuen Abtrieb dazu, dass das Cockpit weniger belüftet wird und weniger Luft nach außen gelangt."
"Im Motorsport gibt es bestimmte Kategorien mit hitzebedingten Regeln. In der Langstrecken-Weltmeisterschaft (WEC) darf die Cockpittemperatur einen bestimmten Grenzwert über der gemessenen Umgebungstemperatur nicht überschreiten", erklärt der ehemalige WEC-Pilot.
"Und dann liegt es an den Teams, die Temperatur zu reduzieren, und die Teams tun das natürlich. Es handelt sich um eine Vorschrift, die die Teams im Grunde dazu zwingt, die Autos so zu konstruieren, dass die Arbeitsumgebung auf einen Grenzwert eingestellt ist."
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"In der WEC haben wir eine erlaubte Cockpit-Temperatur, aber die Teams fahren auch mit Kühlsitzen. Damit wollen wir sicherstellen, dass die Leistung der Fahrer in keiner Weise durch die Hitze eingeschränkt wird, sodass sie Vollgas geben und sich nur durch das Pushen auspowern können und nicht durch Hitzeschlag, denn das sind zwei verschiedene Dinge."
"Vorteile eines gesunden Fahrers können erheblich sein"
Kühlsitze sind in F1-Kreisen zum Gesprächsthema geworden, und Wurz kann aus eigener Erfahrung berichten, wie hilfreich sie sind. Es gibt natürlich einen Gewichtsfaktor bei solchen Ausrüstungen, ebenso wie bei den Trinkflaschen, die F1-Teams manchmal aus genau diesem Grund nicht verwenden, aber die Vorteile eines fitten und gesunden Fahrers können erheblich sein.
"Ich bin ein IMSA-Rennen mit Chip Ganassi in den USA gefahren", berichtet Wurz. "Das Auto war so heiß, dass man ohne den Kühlsitz nach 40 Minuten fertig war, so richtig fertig und gegrillt. Und mit dem Kühlsitz war es okay und einfach, drei Stints zu fahren, also zweieinhalb Stunden im Auto war."
"Das Auto hatte nicht viel Abtrieb, aber die Hitze war so stark, und der Kühlsitz hat schon so viel Kühlung und Zirkulation geliefert, dass man das unter Kontrolle hatte. Das Arbeitsumfeld hat aber immer noch die Fitness und Konzentration gefordert. Das war natürlich eine leistungsbezogene Sache, die die Teams gemacht haben, weil sie wussten, dass alles im Auto zu heiß war, um eine angemessene Stintlänge zu fahren."
Teams achten nicht auf die Cockpit-Temperaturen
Auch Fernando Alonso hat bei seiner Zeit mit Toyota bereits Sportwagen-Erfahrungen gesammelt. "In der WEC gibt es einen Sensor im Cockpit, und die Innentemperatur darf nicht mehr als zwei Grad über der Außentemperatur liegen", erklärt der Spanier. "Wenn man diese Temperatur überschreitet, muss man aufhören, das ist durch die FIA geregelt."
"Es gibt eine Art Klimaanlage. Und ich denke, dass hinter diesen Vorschriften eine Menge Arbeit steckt, um sicherzustellen, dass es keine elektrischen Komponenten und solche Dinge im Cockpit gibt, nur um sicherzustellen, dass man sich an die Temperaturvorschriften hält."
"Ich denke, die Priorität in der Formel 1 ist es, die gesamte Technik in das Cockpit zu verlegen, weil man so die Karosserie straffen kann und der Aerodynamik Priorität einräumt, was natürlich gut ist", begründet Alonso die aktuellen Entwicklungen der Teams.
In Katar bekam Alonso einen "heißen Hintern", allerdings arbeitete das Team bereits an Verbesserungen: "Wir haben versucht, alle elektrischen Boxen so gut wie möglich zu isolieren, um sicherzustellen, dass wir dort etwas Temperatur gewinnen können."
Rennoverall "muss Gleichgewicht bieten"
An der Ausrüstung lässt sich hingegen nichts ändern: "Die Rennkleidung, die Overalls, die feuerfesten Teile darunter, sind im Moment sehr dick, um die Vorschriften nach Grosjeans Unfall einzuhalten", weiß Alonso. "Es ist also ein schwieriges Thema, denn man braucht eine sehr sichere Ausrüstung für den Fall, dass ein Feuer ausbricht."
"Aber diese Ausrüstung verdampft unter manchen Bedingungen, in manchen Rennen, die Hitze nicht, sie bleibt das ganze Rennen über bei dir", weiß der Aston-Martin-Pilot. "So kann der Körper nicht seine normale Leistung bringen."
Laut Alonso geht es darum, das "richtige Gleichgewicht zu finden", um die Rennanzüge möglicht dünn und atmungsaktiv, aber gleichzeitig auch sicher zu gestalten. Das sieht Russell ähnlich: "Die feuerfesten Overalls sind wesentlich dicker. Es ist, als würde man einen Fleece tragen."
Auch Vorbereitung spielt eine entscheidende Rolle
"Wir versuchen, auch in der Vorbereitung unser Bestes zu geben und das Rennen so kühl wie möglich zu beginnen", sagt Alonso, der in diesem Bereich ebenfalls Potenzial für Verbesserungen sieht: "Was die Temperatur angeht, werden wir mit der FIA verschiedene Szenarien und Verfahren diskutieren."
"Ich bin zum Beispiel kein großer Fan davon, dass die Nationalhymne 14 Minuten vor dem Einsteigen ins Auto gespielt wird. Ich denke, das ist in jedem anderen Sport undenkbar, dass man seinen Körper an die Grenzen bringt", äußert der zweifache Weltmeister seine Kritik.
"Wenn man sich also ein bisschen früher bewegen kann, dann kann man sich abkühlen, bevor man ins Auto steigt. Es geht nur darum, das Temperaturlimit weiter in das Rennen hinein zu verlagern, anstatt es in Runde 15 zu erreichen, erreicht man es vielleicht in Runde 40, und dann sind es nur 15 Runden, in denen man kämpfen muss."
Ob sich die angestrebten Lösungen auf die Ausrüstung der Fahrer oder auf Änderungen an den Autos konzentrieren, bleibt jedoch abzuwarten. "Sollten die Teams das Problem nur unter dem Gesichtspunkt der Leistung betrachten?", fragt Wurz. "Oder braucht es eine hitzebezogene Regel, so wie es beim Fußball oder Triathlon temperaturbezogene Regeln gibt? Wir werden zwischen den Beteiligten diskutieren."