• 17. September 2023 · 20:03 Uhr

Warum McLaren glaubte, das Podium für Norris ist futsch

McLaren-Teamchef Andrea Stella erklärt seine Bedenken im letzten Renndrittel der Formel 1 in Singapur und seine Erleichterung über P2 von Lando Norris

(Motorsport-Total.com) - In Runde 44 des Singapur-Grand-Prix 2023 rutschte McLaren-Teamchef Andrea Stella das Herz in die Hose. Denn Mercedes holte George Russell von P2 und Lewis Hamilton von P4 zum Boxenstopp herein und schickte beide auf Medium-Reifen erneut ins Rennen. Mit dem klaren Ziel, die Spitzengruppe um McLaren-Fahrer Lando Norris auf dann alten Hard-Reifen noch abzufangen.

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Lando Norris im McLaren mit einem Mercedes im Rückspiegel in Singapur Zoom Download

"Als ich sah, wie sie auf nagelneue Medium-Reifen wechselten, da ging ich davon aus, dass sie uns überholen würden", sagt Stella. Denn Medium sei "in dieser Situation der richtige Reifen" gewesen, "wenn man die Stintlänge bedenkt".

McLaren hatte laut Stella ebenfalls über einen Reifenwechsel nachgedacht. Anders als Mercedes aber hatte das Team keine frischen Reifen mehr zur Verfügung. "Wir hätten gebrauchte Softs nehmen müssen", meint Stella. "Und wir hatten Bedenken bei 16 oder 17 Vollgas-Runden mit gebrauchten Softs."

Wann McLaren etwas riskiert hätte

Deshalb entschied sich McLaren gegen einen Boxenstopp für Norris und blieb draußen. "Bei einer Safety-Car-Phase wären wir nochmals reingekommen, aber eben nicht bei einem virtuellen Safety-Car", erklärt Stella.

Mercedes aber zog diese riskante Taktik durch und brachte den McLaren-Kommandostand ziemlich ins Schwitzen. "Es war stressig", räumt Stella ein. "Und ich war nicht sehr optimistisch. Ich wartete eigentlich nur noch darauf, dass es passieren würde, damit ich mir sagen könnte: Sei nicht zu enttäuscht."

Auch Norris im Rennauto stellte sich auf "schwierige" letzte Rennrunden ein. "Die Mercedes mussten ja nur ein paar Autos überholen", sagt er. Und sie kamen mit Siebenmeilenstiefeln näher: Russell und Hamilton verkürzten ihren Rückstand um mehr als eine Sekunde pro Runde; fünf Runden vor Schluss öffnete sich hinter Norris das DRS-Fenster.

Norris bekommt Schützenhilfe - von vorne!

"Es waren stressige letzte Runden", meint Norris. "Ich durfte mir keinen Fehler erlauben. George setzte mich ziemlich unter Druck und ich musste mich in Kurve 14 ziemlich verteidigen."

Dann geschah etwas Bemerkenswertes. Laut Stella "änderte sich alles", weil Carlos Sainz als Spitzenreiter im Ferrari plötzlich alles daransetzte, Norris hinter sich wieder ins DRS-Fenster zu kriegen, und zwar "aus eigenem Interesse", wie Stella betont. "Man kann es also Teamwork nennen, was die früheren Teamkollegen da veranstaltet haben, zugunsten von tollen Ergebnissen für beide Teams."

Der Vorteil für Sainz auf P1 und Norris auf P2 liegt auf der Hand: Sainz "zieht" Norris per DRS hinter sich her und macht seinen Verfolger schneller, sodass es für Russell dahinter trotz DRS schwieriger wird, den Zweitplatzierten zu überholen. Und Sainz wähnt sich relativ in Sicherheit, weil Norris trotz DRS vor allem in die Rückspiegel schauen muss. So weit die Theorie.

Sainz zieht Norris mit und verteidigt sich damit

In der Praxis stellte sich die Situation für Norris so dar: Er habe gar nicht mehr auf den Sieg spekuliert, sondern "Platz zwei nach hinten abgesichert". Begründung: "George konnte mich nicht überholen, selbst dann nicht, als er einen Vorteil von fünf, sechs Zehnteln hatte. Ich wiederum hatte einen Vorteil von vielleicht einem Zehntel auf Carlos, also gab es da gar keine Chance."


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Sainz sei in dieser Phase "clever" vorgegangen. "Er hat sein Tempo reduziert und mir wieder DRS ermöglicht. Das war sehr hilfreich. Wir beide haben es zusammen clever hingekriegt, die Mercedes hinter uns zu halten. Überholen in Singapur ist eben nicht so einfach. Es ist eine der schwierigsten Strecken dafür, gerade gegen Rennende", erklärt Norris.

Seine These: "Je mehr ich ihn attackierte, umso angreifbarer war ich für meine Hintermänner. Und hätte ich mich anders verhalten, wären wir nicht auf dem Podium gelandet."

Der Mercedes-Angriff verpufft

Und so versandete der Mercedes-Angriff von Russell kurz vor Schluss in Singapur. "George hat seine Reifen wohl ein bisschen zu sehr gefordert", meint Norris. "Nach seiner ersten großen Attacke hatte er nicht mehr so viel Pulver."

Das sieht McLaren-Teamchef Stella ähnlich: "Ich glaube, ihnen ist ein bisschen der Schwung ausgegangen und sie haben Traktion verloren. In den letzten drei Runden dachte ich mir daher: Vielleicht kriegen wir es durch. Aber ohne die Mithilfe von Carlos hätten wir es wohl nicht geschafft."

Hat sich Sainz also absichtlich für seinen früheren McLaren-Teamkollegen eingesetzt? Der Rennsieger bejaht und sagt: "Ich wusste: Acht, neun Zehntel Puffer würden [mir] reichen, um es clever durchzukriegen. Aber versteht mich nicht falsch: Wenn Lando eine Überholchance gekriegt hätte, er hätte sie genutzt."

Darauf hatte es Norris laut eigener Aussage aber nicht abgesehen, sondern wollte nur die Mercedes "auf Distanz halten". Weiter meint er: "Wir haben alles gemacht, was wir tun mussten, und mehr. Ich bin hochzufrieden." Und an Sainz gewandt: "Es ist das erste Mal, dass wir zusammen einen Doppelsieg erzielen, nur die Reihenfolge stimmt nicht! Aber schon okay jetzt. Carlos hat es verdient."

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