Werde jetzt Teil der großen Community von Formel1.de auf Facebook, diskutiere mit tausenden Fans über die Formel 1 und bleibe auf dem Laufenden!
Sao Paulo: Warum Ferrari die Strategien splitten wollte
Ferrari-Teamchef Mattia Binotto spricht über die Fehlentscheidung im Qualifying von Brasilien und erklärt, warum man am Sonntag auf Medium statt Soft startete
(Motorsport-Total.com) - Am Formel-1-Wochenende in Brasilien geriet Ferrari einmal mehr für eine seiner Strategieentscheidungen in die Kritik. Das Team sorgte am Freitag zu Beginn von Q3 in Interlagos für Aufsehen, als Charles Leclerc der einzige Fahrer war, der bei drohendem Regen auf Intermediates unterwegs war.
© Motorsport Images
Charles Leclerc und Carlos Sainz konnten in Brasilien nicht um den Sieg kämpfen Zoom Download
Die Entscheidung, nicht auf Slicks zu fahren, erwies sich als falsch, da die Strecke noch ausreichend trocken war. Da er mit dem falschen Reifen unterwegs war, landete Leclerc frustriert nur auf dem zehnten Platz der Startaufstellung für Samstag.
Der Monegasse sagte hinterher: "Wir haben Regen erwartet, der nicht kam. Ich werde mit dem Team sprechen und versuchen zu verstehen, was wir bei diesen Bedingungen besser machen können. Aber ich bin extrem enttäuscht. Das Tempo war da."
Ferrari erklärte später, dass die Entscheidung, Leclerc auf die Intermediates zu setzen, darauf zurückzuführen war, dass man die Strategien splitten wollte, da die Vorhersage auf sofort einsetzenden Regen stand. Wäre der tatsächlich eingetreten, hätte dies der Schlüssel zu einer Poleposition sein können.
Aber da der Regen nicht so stark war, musste Ferrari einen Fehler eingestehen. Im Rückblick auf die Geschehnisse betont Teamchef Mattia Binotto, dass es bei derlei Bedingungen einen schmalen Grat zwischen guten und schlechten Entscheidungen gibt.
Binotto räumt Fehler ein
"Natürlich ist es bei solchen Wetterbedingungen immer eine Lotterie. "Ich denke, die Tatsache, dass Kevin (Magnussen; Anm. d. R.) auf der Pole stand, (Lewis) Hamilton auf dem achten und (Sergio) Perez auf dem neunten Startplatz, unterstreicht das", so Binotto.
"Aber wir haben es falsch gemacht, denn wir waren zu diesem Zeitpunkt die einzigen auf Intermediates und nicht auf Slicks", räumt der Ferrari-Teamchef ein.
"Ich denke, solche Fehler passieren in einer derartigen Lotteriesituation immer. Und diese Fehler können sich auch als die richtige Entscheidung herausstellen. Denn es ist nur ein Wetterumschwung, der vielleicht eine Minute später einfach passiert ist."
Die wahre Story hinter dem Zoff bei Red Bull
Was das Quali in Monaco mit dem Streit zwischen Verstappen und Perez zu tun hat und wie eine Verschwörung den ersten Sieg von Russell überschattet. Weitere Formel-1-Videos
Dennoch hält er es für wichtig, dass sich das Team zusammensetzt, um die Entscheidungsprozesse besser zu verstehen, die dazu geführt haben, dass man sich überhaupt für die Split-Strategie entschieden hat: "Was wir gemeinsam betrachten, ist der Prozess, der uns zu einer solchen Entscheidung gebracht hat."
"Das ist meiner Meinung nach wichtiger als die Entscheidung selbst. War sie richtig oder falsch? Warum haben wir das getan, während die anderen es vielleicht nicht getan haben?"
Angesprochen auf das Hauptrennen am Sonntag hebt Binotto vor allem den Reifenabbau hervor. "Die Streckentemperatur war ganz anders als am Samstag", erklärt er. "Zu Beginn des Rennens war sie 15 Grad höher. Gegen Ende des Rennens sollte kühler es sein."
"Wahrscheinlich hätten wir am Ende des Rennens die gleiche Streckentemperatur wie im Sprint gehabt. Die weichen Reifen hätten dann also genauso gut funktioniert wie am Vortag, aber vielleicht hätten sie am Start wegen der hohen Temperatur etwas mehr abgebaut. Außerdem lag am Start (Lando) Norris zwischen uns."
War der Medium die richtige Wahl?
Beide Ferraris starteten deshalb auf dem C3-Reifen, also der mittleren Mischung von Pirelli, während Mercedes und Red Bull auf den C4 setzten. "Wir wussten, dass wir uns im Rennen vielleicht einen Vorteil verschaffen konnten, wenn wir versuchten, etwas anders zu machen als die anderen", so Binotto.
"Dann kam das Safety-Car gleich zu Beginn des Rennens, und ich denke, das hat den weichen Reifen durch das langsame Fahren natürlich geholfen. Ich wäre neugierig gewesen, wie die Situation ohne das Safety-Car am Start ausgesehen hätte."
"Aber der Hauptgrund für uns war, eine andere Rennstrategie als die anderen zu fahren, in der Hoffnung, dass die heißeren Temperaturen den Medium-Reifen zu Beginn des Rennens geholfen hätten und dann am Ende des Rennens mit den weichen Reifen eine bessere Pace und Geschwindigkeit zu erreichen."
War es also rückblickend ein Fehler, auf dem Medium gestartet zu sein? "Offensichtlich konnten wir unsere Strategie wegen des Vorfalls in der ersten Runde nie wirklich ausspielen, aber ich habe das Gefühl, dass es die richtige Entscheidung war", sagt Leclerc.
"Außerdem hatten wir von P7 aus nicht wirklich etwas zu verlieren, wenn wir den Medium schon im ersten Stint von der Liste streichen. Ich glaubte, Lando ziemlich einfach überholen zu können, dann wäre ich das letzte Auto der Top 6 und könnte mit den Softs in den letzten zwei Dritteln mein Rennen machen."
Allerdings kam es - auch bedingt durch eine Kollision mit Norris kurz nach dem Neustart - doch anders. "Ich war dann auf einer Dreistoppstrategie unterwegs und musste ständig Reifen wechseln, was es schwierig machte, einen Rhythmus zu finden."
"Aber ich denke, wir haben die richtige Entscheidung getroffen. Und am Ende weiß ich nicht, ob es viel geändert hätte, wenn ich auf Soft gestartet wäre oder nicht", so Leclerc.
Auch Teamkollege Sainz steuerte im Verlauf des Rennens dreimal die Box an. "Wir hatten zu Beginn ein paar Probleme, als die Bremsen überhitzten. Wir mussten früh stoppen, was bedeutete, dass wir drei Stopps einlegen mussten, was an diesem Tag vielleicht nicht die schnellste Strategie war", gibt er zu.
Insgesamt sei es aber ein gutes Rennen gewesen. Sainz schaffte es hinter dem Mercedes-Duo als Dritter aufs Podest. Leclerc wurde trotz des Zwischenfalls mit Norris noch Vierter. Sein Ruf nach einem Platztausch mit Sainz blieb unerfüllt. Ins letzte Rennen geht er punktgleich mit Sergio Perez im Kampf um den Vizetitel.