"Phänomenal": Silverstone jetzt die tollste Achterbahn der Welt
In Silverstone merken die Fahrer richtig den hohen Kurvenspeed der neuen Formel-1-Autos - Alle sind beeindruckt vom Tempo und der fahrerischen Herausforderung
(Motorsport-Total.com) - Breiter, schneller, spektakulärer und herausfordernder für die Fahrer: Das waren die Zielsetzungen für die neue Formel-1-Generation 2017. Nach dem ersten Trainingstag in Silverstone stiegen die meisten Piloten beeindruckt aus ihren Autos. Der höhere Anpressdruck im Vergleich zu den Vorjahren wirkt sich in den schnellen Kurven aus. Copse geht fast voll. Der schnelle Komplex Maggots-Becketts-Chapel verlangt Mut und Instinkt, vor allem bei den starken Windböen.
Nach der langen Hangar-Straight folgt die ultraschnelle Rechtskurve Stowe. Die hohen Fliehkräfte bei irren Kurvengeschwindigkeiten ringen den Fahrern Respekt ab. "Es war schon in den vergangenen Jahren unglaublich, der Speed, den du durch Copse, Maggots und Beckets fahren kannst", meint Lokalmatador Lewis Hamilton. "Aber heute in Stowe - deine wildesten Vorstellungen können nicht beschreiben, was wir da draußen spüren."
Auch wenn es durch die letzten Umbauten im Jahr 2010 kritische Stimmen gab, dass Silverstone zu große Auslaufzonen hat und der Charakter verloren ging, so ist es mit den neuen Autos wieder eine richtige Mutstrecke geworden. "Der Abtrieb in den schnellen Kurven ist unglaublich", sagt Force-India-Pilot Sergio Perez. "Von allen Strecken, auf denen wir in dieser Saison gefahren sind, merke ich hier den größten Unterschied zum Vorjahr. Alle Referenzpunkte haben sich geändert. Es hat etwas gedauert, um mich an den Grip zu gewöhnen", gibt der Routinier zu.
Talent der Fahrer in den Mutkurven gefordert
Auch Williams-Rookie Lance Stroll zeigt sich nach dem Freitagstraining beeindruckt, aber furchtlos: "Es ist zum Fahren die schönste Strecke. Der Gip ist extrem hoch und das Auto macht hier viel Spaß." Unproblematisch war es im Laufe des Freitagstrainings für die Fahrer nicht. Mehrmals drehten sich Autos von der Strecke, der Grip im Heck ließ schlagartig nach. Es ist eine Kombination zwischen Set-up, Reifen und Wind - und wie gut der Fahrer die Haftung der Hinterreifen spürt und einschätzen kann. Talent wird für die Fans wieder sichtbar.
"Es geht darum, das richtige Limit zu finden, das der Reifen vertragen kann, ohne plötzlich Grip zu verlieren, womit man eine Menge Rundenzeit verliert", erklärt Haas-Pilot Romain Grosjean. "Das ist mir öfters passiert. Ich habe zu hart gepusht, und dann ging es dahin. Wir evaluieren und finden das Limit." Dass der Reifengrip in schnellen Kurven schlagartig abreißen kann, sah man in diesem Jahr schon häufiger. Toro-Rosso-Mann Carlos Sainz vergleicht: "Im Vorjahr hat man das Übersteuern kontrolliert, das geht jetzt nicht mehr."
Wer fährt die Copse-Kurve voll?
Seit jeher war Copse eine Mutkurve. Manche Fahrer konnten sie schon am Freitag voll fahren, andere nicht. Im Qualifying könnte diese Passage entscheidend werden. "In Copse geht es darum, voll durchzufahren", hält Sainz fest. "Alle haben das heute noch nicht gemacht, aber morgen wird es sicher eine Herausforderung. Kurve 1 (Abbey; Anm. d. Red.) ist einfacher, weil sie voll geht. Aber Maggots und Becketts sind kniffliger, um sie richtig zu erwischen. Man spürt das Übersteuern."
Erstmals steht auch die Fitness der Fahrer auf dem Prüfstand. Nicht wenige gaben Nackenschmerzen zu. "Ich spüre zum ersten Mal in diesem Jahr den linken Nacken", meint Ocon, der am Freitag mit insgesamt 74 Runden mehr als eine Renndistanz (52 Runden) gefahren ist. "Ich schätze, dass es für alle Fahrer anstrengend werden könnte, ich weiß es nicht. Ich spüre den Nacken etwas, aber nach einer guten Massage wird es sich so anfühlen, als wäre ich heute gar nicht gefahren", gibt sich der Franzose cool.
Werden Fahrer im Rennen körperlich einbrechen?
Die Bestzeit von Valtteri Bottas lag am Freitag fast eine Sekunde unter dem Streckenrekord. Diese Rekordjagd wird im Qualifying fortgesetzt, wenn die Fahrer über eine schnelle Runde auch die höchsten G-Kräfte aushalten müssen. Im Rennen sind die Rundenzeiten mit vollem Tank und abbauenden Reifen etwas langsamer und die Belastung geringer.
"Wenn man im Rennen Qualifyingrunden fahren würde, dann würden nicht viele Fahrer das Rennen beenden können", glaubt Sainz. "Mit vollem Tank ist es nicht so anstrengend." Außerdem hält der Spanier fest, dass sich mittlerweile die Muskeln und vor allem die Nackenmuskeln an die neuen Autos gewöhnt haben. Auf den vier längeren Geraden können die Fahrer etwas durchschnaufen. Trotzdem sind die Zeiten vorbei, als ein Formel-1-Rennen wie eine Kaffeefahrt wirkte.
Die Fahrer müssen im Cockpit richtig schuften und werden körperlich wie mental an die Grenzen getrieben. Das zaubert den Lenkradartisten ein Lächeln ins Gesicht: "Die Strecke ist absolut unglaublich mit diesen neuen Autos", grinst Hamilton. "Es war ohnehin schon eine der besten Strecken der Welt, aber mit diesem Auto und diesen Geschwindigkeiten, die wir nun durch die Kurven mitnehmen können, ist es einfach phänomenal. Es ist die beste Achterbahnfahrt überhaupt."