Rennvorschau Montreal: Spuckt Red Bull in Mercedes' Suppe?
Lewis Hamilton und Mercedes reisen als Favoriten zum Rennen in Kanada, doch vor allem Red Bull ist auf der Strecke von Montreal zu allem bereit
(Motorsport-Total.com) - Lewis Hamilton ist zurück! Mit seinem Sieg beim Großen Preis von Monaco hat sich der gescholtene Brite im Titelkampf der Formel 1 wieder zu Wort gemeldet, nachdem er zuvor acht Rennen nicht gewinnen konnte. In Kanada drängt der dreimalige Weltmeister nun auf den nächsten Erfolg, und wo anders als auf dem Circuit Gilles Villeneuve stehen die Chancen für einen Triumph so gut? Denn Montreal liegt Hamilton einfach.
2007 holte der damalige McLaren-Pilot seinen ersten Formel-1-Sieg überhaupt. Es folgten drei weitere Siege auf der Ile Notre-Dame, die ihn hinter Michael Schumacher zum zweiterfolgreichsten Piloten auf dem Kurs machen. Und in Monaco konnte Hamilton wichtiges Selbstvertrauen tanken. "Nach dieser schwierigen Phase war es ein fantastisches Gefühl, wieder ganz oben auf dem Podium zu stehen", freut sich der Silberpfeil-Pilot.
Für das Rennen in Montreal hat Mercedes motorenmäßig aufgerüstet und sich vor allem um die Standfestigkeit gekümmert, die in den ersten Rennen die Schwachstelle des F1 W07 Hybrid gewesen ist. Doch Hamilton dürfte gewarnt sein, denn die Konkurrenz ist in den zwei Wochen seit Monaco sicherlich nicht kleiner geworden. Teamkollege Nico Rosberg drängt nach dem schwachen Auftritt in seinem Wohnzimmer auf Wiedergutmachung und möchte seinen Vorsprung von 24 Zählern wieder ausbauen - und dann wäre da ja auch noch die blaue und rote Konkurrenz.
Red Bull wieder im Kampf um den Sieg dabei
Speziell Red Bull kann den Kampf um den Sieg erneut spannend gestalten, wenn man die gute Form der vergangenen beiden Rennen halten kann. Mit Max Verstappen und Daniel Ricciardo besitzt man zwei siegerprobte Fahrer, die man in Kanada durchaus auf der Rechnung haben muss. Vor allem Daniel Ricciardo, der vor zwei Jahren bereits auf dieser Strecke gewinnen konnte, dürfte mit Wut im Bauch unterwegs sein, nachdem man ihm gefühlt zwei Rennsiege in Folge klaute.
"Die größte Lehre für uns war, wie gefährlich uns Red Bull werden kann", mahnt auch Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff zur Vorsicht. Denn eigentlich waren die Bullen Mercedes in Monaco überlegen, doch ein völlig verpatzter Boxenstopp servierte Hamilton den Sieg auf dem Silbertablett. Zudem kommt Red Bull zusammen mit Renault in den Genuss eines Motorenupgrades, das mehr Power und eine bessere Fahrbarkeit bringen soll.
Schon in Monaco hat sich das neue Update bemerkbar gemacht, denn Ricciardo hat es am Samstag ganz nach vorne gebracht. "Sonst wäre die Pole-Position nicht drin gewesen", meint Teamchef Christian Horner und weiß: "Der wahre Test steht in Montreal an." Der RB12 sollte aber zum Kurs passen, denn Abtrieb ist bei den vielen Beschleunigungsstellen sicherlich kein Nachteil.
Herausforderung Montreal
Doch auch Ferrari will in Kanada zulegen und einen neuen Turbolader bringen. Damit sollen die Roten, die bis zum Rennen in Spanien noch als zweite Kraft galten, öfter mit maximaler Leistung fahren können und im Ladebetrieb weniger Leistung verlieren. Gerade auf der Power-Strecke von Kanada soll dies einen entscheidenden Vorteil bringen, denn mit der langen Gegengeraden und der Stop&Go-Natur des Kurses ist Motorenleistung kein unwichtiges Kriterium.
Gefordert sind in Montreal aber vor allem die Bremsen. Mercedes kann ein Lied davon singen, was passiert, wenn diese den Belastungen nicht mehr standhalten können: 2014 verlor man so den sicheren Sieg an Daniel Ricciardo und musste erstmals in der neuen Turbo-Ära eine Niederlage einstecken. Und dass die Strecke fahrerisch zu den anspruchsvollsten gehört, ist nicht erst seit heute bekannt. Allein der Name "Wall of Champions" ist vielen großen Fahrern noch in schlechter Erinnerung und hat einige Siegträume zerstört.
Fotostrecke: Triumphe & Tragödien in Kanada
1967 findet im Mosport Park in Bowmanville das erste Formel-1-Rennen in Kanada statt - und sorgt gleich für mehrere Highlights. Mit über 2:40 Stunden ist der verregnete Grand Prix das längste Rennen der gesamten Saison. Jackie Stewart, hier in Führung vor Jack Brabham, sieht die Zielflagge am Ende nicht. Fotostrecke
1999 landeten dort hintereinander Damon Hill, Michael Schumacher und Jacques Villeneuve in der Begrenzung und machten sie zur berühmtesten Stelle auf dem Circuit Gilles Villeneuve. Doch die tückischen Mauern stehen auch in den anderen Kurven verlockend nah, und nur wer das letzte Bisschen Strecke ausreizt, ohne es zu übertreiben, der hat eine Chance auf den Sieg. Das ist die Herausforderung Kanada.
Die könnte an diesem Wochenende durch das Wetter noch zusätzlich erschwert werden, denn die Vorhersagen sehen das ganze Wochenende über vereinzelte Schauer vor. Zum Training und Qualifying am Freitag und Samstag soll die Sonne zwar noch die Oberhand gewinnen, doch vor allem am Sonntag ist eine erhöhte Schauerwahrscheinlichkeit gegeben. Die ohnehin schon grüne Strecke könnte daher noch kniffliger und rutschiger werden. Auch die Temperaturen von kaum mehr als 14 Grad tun ihr Übriges dazu.
Zweite Chance für Ultrasoft
Dafür setzt Pirelli mit seiner Reifenwahl wieder auf klebrige Tatsachen, denn wie schon zuvor in Monaco bringt man die drei weichsten Mischungen Soft, Supersoft und Ultrasoft mit an die Strecke. Der neue lila Reifen hat seine Premiere im Fürstentum gut überstanden und kommt in Montreal gleich zu seinem zweiten Einsatz. Blickt man auf die Reifenzuteilung, dann ist der Ultrasoft für Montreal auch die bevorzugte Wahl.
Rosberg und Hamilton haben sich gleich acht Sätze der ultraweichen Pneus einpacken lassen und dürften nach dem Rennverlauf in Monaco gute Erfahrungen gemacht haben, denn dort hielt der Ultrasoft mehr als die halbe Renndistanz durch und sicherte Hamilton den Sieg. Ferrari und Red Bull haben jeweils einen Satz Ultrasoft weniger eingepackt, und auch Geheimfavorit Williams hat sieben Sätze im Gepäck. Soft und Supersoft finden nur wenig Anklang, dürften allerdings im Rennen eine Rolle spielen.
Ganz extrem haben Renault und Haas gewählt, die komplett auf Supersoft verzichten und nur mit zwei verschiedenen Reifentypen anreisen. Während Renault zumindest fünf Sätze Softs im Gepäck hat, setzt Haas voll auf die Karte Ultrasoft: Neben dreimal Soft stehen dem Team gleich zehn Sätze Ultrasoft zur Verfügung - so viel wie bei keinem anderen Rennstall. "Trotz der Ultrasoft erwarten wir, dass die meisten Teams einen Stopp machen", rechnet Williams' Pat Symonds nicht mit vielen Reifenwechseln.
Das hat sich im Vorjahr bereits bestätigt, als Sieger Lewis Hamilton mit einem Stopp über die Runden kam - wie auch seine beiden Mitstreiter auf dem Podest. Der Brite startete auf Supersofts und holte sich in Runde 32 von 70 die Soft-Reifen. Allerdings darf man gespannt sein, wie der neue Ultrasoft-Reifen in die Strategie hineinspielt. Antworten gibt es an diesem Wochenende. Das Qualifying startet am Samstag um 19 Uhr, das Rennen am Sonntag um 20 Uhr.