• 16. März 2014 · 13:53 Uhr

Silber glänzt golden - und hat noch was in der Hinterhand

Mercedes hat den Formel-1-Saisonauftakt in Melbourne dominiert und noch nicht alles gezeigt, dafür aber auch bereits einen Rückschlag hinnehmen müssen

(Motorsport-Total.com) - Nico Rosberg siegt in Australien. Und für Mercedes ist dieser Erfolg eine ganz runde Nummer. Und das buchstäblich. Denn schon am Samstag hatte Lewis Hamilton für die bereits 100. Pole-Position des Werksteams gesorgt, Rosberg fuhr am Sonntag den 100. Rennsieg ein. Dabei hat der Deutsche vermutlich noch nicht einmal alle Karten aufgedeckt - so dominant war Mercedes beim Saisonauftakt.

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Das Mercedes-Team in Feierlaune, doch es gab auch einen Dämpfer in Melbourne... Zoom Download

Abgesehen von leichtem Graining auf dem linken Vorderreifen und einem abgestreiften Teil beim Reifenwechsel war es ein Auftritt nach Maß für Rosberg und Mercedes. Nichts und niemand schien den Silberpfeilen im Albert Park von Melbourne gefährlich werden zu können. Formel-1-Experte Marc Surer ist dennoch davon überzeugt: "Wir haben noch nicht das wahre Potenzial von Mercedes gesehen."

"Ich hatte das Gefühl, Nico hätte das gesamte Rennen über noch schneller fahren können, wenn es nötig gewesen wäre", meint der frühere Formel-1-Pilot. Eine Einschätzung, die Mercedes-Sportchef Toto Wolff sogar bestätigt: "Nico hat Druck gemacht, wenn es notwendig war. Er ist sicher nicht nur herumgefahren. Wir haben zwar bei der reinen Leistung noch eine kleine Reserve, aber das ist nicht viel."

Nur ein Mercedes-Silberpfeil kommt ins Ziel

Muss sich die Konkurrenz daher warm anziehen? Ja und nein. Denn einerseits ist Rosberg in Australien ein souveränes und kontrolliertes Rennen gefahren, andererseits schied sein Mercedes-Teamkollege Hamilton schon früh mit technischen Problemen aus. Licht und Schatten hätten also nicht enger beisammen liegen können. Denn selbst die vermeintlichen Favoriten hatten Schwierigkeiten.

Hamilton selbst nimmt es scheinbar gelassen. "Es war Pech", sagt er über seine bittere Nullnummer. Von der Pole-Position gestartet, begann sein Dilemma noch auf der Zielgeraden, weil sein Fahrzeug nur langsam loskam. Kurz darauf musste er es komplett abstellen - aus Sicherheitsgründen. Ein Zylinder hatte sich verabschiedet und man schonte das Aggregat, weil man es nochmals braucht.

Dafür zeigt Hamilton sogar Verständnis. "Schuld hat da niemand", meint der Weltmeister von 2008. "Wir müssen einfach daraus lernen. Und besser es passiert jetzt als am Ende der Saison. Es bringt eh nichts, sich darüber aufzuregen." Zumal Hamilton nach seinem Ausscheiden von höchster Stelle getröstet wurde: Mercedes-Aufsichtsratsvorsitzender Niki Lauda nahm seinen Starfahrer sofort ins Gebet.

Völlig sorgenfrei war auch Rosberg nicht...

"Ich war gleich bei ihm und habe ihn umarmt", erklärt Lauda bei 'RTL'. Er wolle "nicht in nähere Details eingehen", was er mit Hamilton besprochen habe. "Ich habe ihm aber gesagt: Das war nur das erste Rennen. Wir haben nämlich noch eine lange Saison vor uns." Hamilton brauche sich daher, so Lauda, keine Sorgen machen. "Wenn er und das Auto die Leistung erbringen, ist noch gar nichts verloren."

Ein mulmiges Gefühl ist aber trotzdem entstanden. Selbst der spätere Rennsieger Rosberg fühlte sich nicht ganz wohl in seiner Haut. Darüber kann die beeindruckende Vorstellung beim Saisonauftakt der Formel 1 nicht hinwegtäuschen. Er gesteht: "Natürlich habe ich jede Runde gezittert und extra noch mal in den Motor reingehört, ob das Geräusch immer noch gleich ist." Völlige Sicherheit gibt es eben nicht.

Zumindest noch nicht, wie Rosberg hinzufügt. "Wir sind noch nicht ganz im Reinen und haben unsere Standfestigkeit noch nicht zu 100 Prozent hinbekommen. Ein gewisses Restrisiko ist also noch da und da müssen wir jetzt in den nächsten Wochen mit Vollgas arbeiten, um das komplett zu beheben", sagt der erste WM-Spitzenreiter der Saison 2014. An Motivation dürfte es Mercedes aber sicher nicht fehlen.

Wolff spürt den Druck der Konkurrenz

"Alle haben den ganzen Winter gearbeitet wie die Berserker", sagt Team-Oberhaupt Lauda und merkt an: "Alleine bei den Testfahrten in Bahrain haben wir in Tag- und Nachtschichten 120 Leute gehabt, um diese Autos dort hinzubekommen. Und für sie ist es wichtig, dass sie mit diesem Sieg sehen, für was sie so hart gearbeitet haben. Für die Motivation des Teams ist mir das am wichtigsten gewesen."

Doch bei aller Euphorie um den so wichtigen Sieg zu Beginn der neuen Formel-1-Ära: Mercedes reist zuversichtlich, aber auch betont vorsichtig aus Melbourne ab. Da wäre Hamiltons bitterer Ausfall, da ist aber auch die Konkurrenz, die fast noch mehr überrascht hat als die Silberpfeile. Diese waren ja schon vor Australien als Favoriten gehandelt worden. Red Bull dagegen war eine große Unbekannte.

Dass Daniel Ricciardo auf der Strecke als Zweiter hinter Rosberg abgewinkt wurde, lässt bei Mercedes daher schon die Alarmglocken schrillen. "Plötzlich sind sie da. Das sollte ein Weckruf für alle Beteiligten sein", meint Sportchef Wolff. Angesichts dessen, dass die Formel 1 erst am Anfang der Entwicklungsarbeit mit den neuen Antriebssträngen stehe, sei in naher Zukunft noch sehr vieles möglich.

Was ist ein Polster zu Saisonbeginn wert?

Ja, Mercedes habe ein gewisses Polster, doch das werde sicher nicht lange Bestand haben, sagt Wolff. "Du darfst dich niemals zurücklehnen. Daher kann man auch nicht von einem ausreichenden Puffer sprechen. Denn in einer normalen Saison legt man von Anfang bis Ende etwa um zwei Sekunden zu. Mit diesen neuen Autos wird die Entwicklungskurve aber noch steiler ansteigen."


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"Wenn man sich das vor Augen führt, dann kann ein Vorteil blitzschnell dahin sein. Vielleicht schon binnen weniger Rennen", erklärt der Österreicher, will die Ereignisse aus Melbourne aber insgesamt nicht zu hoch bewerten. "Das war gerade mal das erste Rennen. Wir haben es gewonnen und das Tempo schien in Ordnung zu sein. Aber es wäre zu früh, um schon eine Favoritenrolle zu definieren."

Schon alleine deshalb, weil die neuen Antriebsstränge noch zu jung sind, als dass sich von diesem ersten Renneinsatz Tendenzen ableiten ließen. Auch Lauda rätselt über den Defekt, der Hamilton ereilte: "Lewis ist von Anfang an mit einem Zylinder weniger losgefahren. Und das hat es noch nie gegeben. Bei keinen Testfahrten ist das je aufgetreten. Deswegen war es etwas ganz Neues."

Rosberg wie auf Wolke sieben

Und auf der anderen Seite Rosberg, dessen Auto in Melbourne "wie auf Schienen" lag und "so abgeht", dass er regelrecht übersprudelt vor Freude. Irgendwo zwischen diesen Extremen, zwischen souveränem Sieg und bitterem Ausfall, liegt sie vielleicht, die wahre Form von Mercedes. Die Form von Rosberg ist hingegen, zumindest laut Aussagen der Experten, schon jetzt klar ersichtlich.


Fotos: Nico Rosberg, Großer Preis von Australien


Der junge Deutsche brauche nicht als "Geheimfavorit" betitelt zu werden, meint zum Beispiel Surer. "Wir wissen, dass Nico sehr clever fährt und vor allem auch den Speed hat. Das hat er uns im vergangenen Jahr gezeigt: Er ist gegen Lewis Hamilton nicht abgefallen. Man hat erst gedacht, dass er die Nummer zwei ist, wenn Hamilton kommt. Das war aber im vergangenen Jahr schon nicht so."

Und wer Rosberg zuhört, der spürt: Dieser junge Mann will's wissen, 2014 mehr denn je. "Es ist ein großartiges Gefühl", sagt er nach der Zieldurchfahrt. "Ich war zuversichtlich, dass wir gut abschneiden würden, denn wir hatten uns gut vorbereitet. Und es lief dann ja auch vom Start weg perfekt." Zumindest für einen der beiden Mercedes-Silberpfeile. Es ist eben nicht alles Gold, was glänzt...

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