Boullier: Nicht meckern, Reifen schonen!
Der Lotus-Teamchef glaubt, dass seine Truppe sich den Vorteil eines die Pneus schonenden Autos erarbeitet hat - Lauda unterstellt ein "Zufallsprodukt"
(Motorsport-Total.com) - Die Strategien des Jahres 2013 scheinen eine große und prall gefüllte Pirelli-Wundertüte zu sein, dabei wirken sie bei genauerem Hinsehen doch so berechenbar. Ein Mathematiker würde es wohl so ausdrücken: Anzahl der Boxenstopps von Ferrari und Red Bull = Lotus plus eins. Will heißen: Die Schwarz-Goldenen fassen immer einmal weniger neue Reifen, um ohne merklichen Zeitverlust über die Distanz zu kommen. Und das ist ein Patentrezept für Podiumsplätze selbst dann, wenn es im Qualifying hakt.
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Eric Boullier glaubt, dass Pirelli der Konkurrenz einen Köder hingeworfen hat Zoom Download
Grand-Prix-Erfolge waren nach dem Saisonauftakt in Australien für Kimi Räikkönen und Romain Grosjean jedoch nicht mehr in Griffweite. Oder doch? "Es gibt immer eine Chance, zu gewinnen", erklärt Teamchef Eric Boullier und meint damit auch den Großen Preis von Spanien am Sonntag. "Aber dafür muss man alles perfekt machen, vom Start über die ersten Runden bis hin zur Strategie und dem Reifenabbau." Das gelang Lotus nicht. "Es gab eine Möglichkeit, aber die war sehr klein", so Boullier weiter.
Schon zur Mitte des Rennens ahnte man am Kommandostand, dass mehr als Rang zwei nicht drin sein würde. "Wir hätten einfach mehr Tempo benötigt, um um den Sieg zu fahren", unterstreicht Boullier und zeigt sich trotzdem "zufrieden" mit dem Silberrang für seinen finnischen Starpiloten. Dennoch fordert er die ganz großen Erfolge: "Das ist genau wie im vergangenen Jahr: Wir benötigen mehr Siege." Dafür brauche es allerdings Geduld, was nicht immer eine Lotus-Stärke war - es jetzt aber geworden sein soll.
Lotus akzeptiert mögliche Pirelli-Modifikationen
"Abwarten, bis das Streckenlayout kommt, das uns in die Karten spielt", warnt Boullier die Konkurrenz. Er glaubt daran, dass die spezifischen Umstände eines jeden Wochenendes - also die Strecke, die Bedingungen und die Eigenheiten des eigenen Autos - dazu führen würden, dass ein Team die Szenerie bestimmt. Der Schlüssel läge in der Konstanz. Boullier ist sich sicher, die Form mittelfristig zu halten: "Ich denke, dass wir das noch öfter wiederholen können. Ob wir es bis zum Ende durchhalten, wird die Zeit zeigen."
Vielleicht auch deshalb, weil Pirelli ab Silverstone veränderte Reifen anliefern will? "Es ist irgendwo nicht fair", hadert der Lotus-Teamchef. Schließlich sind die aktuellen Mischungen das Kapital des E21. Auf die Barrikaden gehen will Boullier deshalb nicht: "Wir müssen das annehmen und damit zurechtkommen - das werden wir tun." Nichtsdestotrotz vertritt er weiter den Standpunkt, dass das Einheitsmaterial faire Bedingungen schafft und dezente Veränderungen für Barcelona als Beruhigungspille gedient hätten.
"Es gab einige kleine Veränderung, um das am stärksten meckernde Team zu beruhigen", weiß Boullier und glaubt nicht an tiefgreifende Einschnitte im Saisonverlauf. "Ich denke nicht, dass Pirelli wirklich irgendetwas verändert. Sie sollten Reifen bauen, die 20 Runden halten, sie haben es getan." Den Schwarzen Peter schiebt er lieber nach Milton Keynes und Brackley als nach Mailand. "Die Leute sollten sich fragen, ob es an den Reifen liegt. Wenn unser Auto es kann, haben wir offenbar etwas, was das möglich macht."
E21 ein Zufallsprodukt?
Diesen Vorteil bezahlt die Mannschaft offenbar mit einer relativen Schwäche an den Samstagen. Die Achillesferse des Lotus liegt im Qualifying: "Ehrlich gesagt sind wir mit der konservativsten Strategie ans Limit gegangen, um unser Rennen nicht zu beeinflussen", rekapituliert Boullier, wenn es um die Plätze vier und sieben für seine Piloten in Barcelona geht. Mehr sei nicht möglich gewesen, betont er und erteilt allen Spekulationen um Taktikspielchen eine Absage: "Wir waren am Anschlag."
Für Niki Lauda ist diese Stärke ein Zufallsprodukt: "Aus irgendwelchen unerklärlichen Gründen - ich behaupte technisch ein Zufall - hat Lotus vom ersten Tag an ein Reifenflüsterer-Auto hingestellt", wundert sich der 'RTL'-Experte, der diese Stärke bei der Konkurrenz nur sporadisch aufblitzen sieht: "Die Ferrari, Red Bull und Mercedes flüstern manchmal - und manchmal nicht." Bei den Schwarz-Goldenen handele sich außerdem um einen fließenden Übergang zwischen funktionierenden und nicht funktionieren Gummis.
"Das Fenster ist größer", macht Lauda klar. "Deswegen sind sie logischerweise in jedem Rennen leichter drinnen." Der Österreicher glaubt, dass es schwierig wird für Red Bull & Co., nachzuziehen, wenn das Pirelli-Material weiter keine Konstanz zeigt: "Wie machst du jetzt bei einem bestehenden Auto ein größeres Fenster, wenn du immer wieder Reifen hast, die sich anders verhalten? Sich da hineinzutesten ist wahnsinnig schwierig. Du musst das Auto umbauen, musst aber wissen wie."