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Die Formel 1 frohlockt: Kimi, der besondere Entertainer
Die Formel-1-Szene freut sich mit Abu-Dhabi-Sieger Kimi Räikkönen: Zwei Wochen Party für den "Iceman", der mit wenigen Worten bestes Entertainment bietet
(Motorsport-Total.com) - Gebt ihm ein schnelles Auto, lasst ihn mit PR-Arbeit in Ruhe und haltet im Funk die Klappe - dann macht's der Kimi schon. Das ist die Essenz eines Rennwochenendes in Abu Dhabi, das der Formel-1-Fangemeinde beste Unterhaltung am gestrigen Nachmittag bescherte. Dabei ist die Hauptperson im spaßig-spannenden Schauspiel absolut kein geborener Entertainer. Kimi Räikkönen rockte die Königsklasse bei seinem Sieg im Lotus aber auf seine ganz eigene Art.
"Wir sind ja heimliche Kimi-Fans! Super Leistung von Räikkönen, ich gönne ihm den Sieg von Herzen", sprach Ex-Formel-1-Pilot Alexander Wurz im 'ORF' das aus, was viele Beobachter nach dem 19. Grand-Prix-Sieg des Finnen dachten. Räikkönen rundete im drittletzten Rennen der Saison das Bild von einem verrückten Jahr in der Formel 1 ab. "Heute wäre ich gerne Wodkaimporteur, denn der Verbrauch in Abu Dhabi steigt sicher dementsprechend", schmunzelte Wurz.
"Auf ihn kommt eine gute Feier zu. Wie man feiert, kann man bei ihm am besten nachfragen", meint Sebastian Vettel, der ebenso wie sein WM-Kontrahent Fernando Alonso am Sonntag in Au Dhabi mal nicht im Rampenlicht stand. "Kimi braucht keinen, der ihm einen ausgibt. Da sorgt er schon selber für sich", meint der Heppenheimer, der sich ebenso wie Räikkönen auf dem Podest mit Rosenwasser anfreundete, weil gerade das alkoholische Standardgetränk der Sieger nicht zur Hand war.
Befreiungsschlag für das Lotus-Team
Die Piloten stillten ihren Durst nach einem anstrengenden Rennen, Räikkönen hatte den Hunger nach Erfolg bei seinem gesamten Team gestillt. Lotus rannte einem solchen Erfolg seit Monaten hinterher. Der E20 war seit Beginn des Jahres ein potenzielles Siegerauto, aber immer wieder verhinderten die Umstände ein entsprechendes Ergebnis. In den ersten sieben Rennen des Jahres gab es sieben verschiedene Sieger - ein Lotus-Pilot war nicht dabei. Das wurmte die Mannschaft um Eric Boullier.
Der französische Lotus-Teamchef war nach dem lang ersehnten Sieg "einfach extrem erleichtert". Die Arbeit der vergangenen Monate sei endlich belohnt worden. "Wir haben erwartet, dass er der Kimi ist, den wir kennen. Und es ist tatsächlich der Kimi, mit dem wir gerechnet haben. Er liefert großartige Arbeit ab", lobt Boullier den Finnen, den er in die Szene zurückgeholt hatte. "Was Kimi uns gebracht hat, ist Tempo. Mit seinem Hintergrund und seinem Charisma motiviert er wirklich", erklärt der stolze Teamchef.
"Er ist einfach erstaunlich. In Bahrain sah es fast so aus, als würde er gewinnen, aber da ist es ihm nicht gelungen. Diesmal hätte man vor dem Start kein Geld gesetzt, aber er hat es geschafft", staunt Ex-Weltmeister Damon Hill. "Diese Jungs haben etwas Spezielles an sich, etwas, was sie zu Weltmeistern gemacht hat." Sein Landsmann Johnny Herbert stimmt in den Chor mit ein: "Kimi ist wahrscheinlich der selbstbewussteste Fahrer im Grand-Prix-Sport und das Verlangen ist auch noch da. Das hat er umgesetzt."
Dabei sah es auch in Abu Dhabi zunächst nicht nach einem Erfolg aus. Lewis Hamilton hatte die Szene bis zu seinem Ausfall deutlich im Griff gehabt. "Eigentlich hätten wir locker gewinnen können", meint der Brite, der sich nach seinem Pech an einem unterhaltsamen Grand Prix erfreute. "Kimi hat ein fantastisches Rennen abgeliefert. Ich freue mich sehr für ihn. Es war mir klar, dass Lotus irgendwann im Verlauf dieses Jahres ein Rennen gewinnen würde."
Wie man in den Funk hineinruft...
Am Sonntag stimmte alles. Räikkönen setzte genau das um, was er sich am Samstag vorgenommen hatte. Nach dem Qualifying hatte der Finne erklärt, dass es im Rennen enorm wichtig werden würde, nicht hinter langsameren Autos festzuhängen, um den wahren Speed des Lotus-Renault E20 ausspielen zu können. Genauso kam es. Der schnelle Mann aus Espoo schob sich beim Start an Mark Webber und Pastor Maldonado vorbei, mögliche Bremsklötze waren somit schnell aus dem Weg geräumt.
"Klar hatte er ein bisschen Glück, dass Lewis ausgeschieden ist, aber er ist dann sehr starke Rundenzeiten gefahren, sehr konstant, und hat die Führung bis zum Ende verteidigt. Fantastisch", freut sich Ex-Grand-Prix-Pilot Herbert. Das kaltschnäuzige Verteidigen des knappen Vorsprungs (am Ende 0,852 Sekunden) bis ins Ziel passierte in typischer Kimi-Manier: Gasfuß voll belasten, Funkanlage schonen. Seine Kommunikation mit Renningenieur Mark Slade grenzte an Comedy.
Slade - selbst angesichts des möglichen Sieges offenbar extrem aufgeregt - gab seinem Schützling immer wieder gut gemeinte Hinweise. Räikkönen nahm diese Hinweise nicht auf, sondern feuerte zurück wie Roger Federer an der Ballmaschine. "Lasst mich in Ruhe! Ich weiß schon, was ich tue" gab es zu hören, als Slade den Vorsprung auf Alonso durchgab. Die Bitte nach konsequentem Aufwärmen der Reifen quittierte Räikkönen mit: "Ja, ja, ja, mach ich doch die ganze Zeit!"
"Die Jungs versuchen zu helfen, aber man muss ja nicht zweimal pro Minute das gleiche sagen. Ich bin nicht so doof, dass ich mir nicht merken kann, was ich gerade tue", erklärt der "Iceman" nach dem Rennen. "Ich frage um Hilfe, wenn ich welche brauche." Die knappen Gespräche am Funk, die bei Fernsehzuschauern für viel Freude sorgten, waren offenbar nur ein kleiner Teil der Kimi-Show. "Es gab noch mehr Kommunikation als zu hören war - das waren nur die freundlichen Kommentare", lacht Teamchef Boullier. "So ist Kimi eben."
Viele Freiheiten für den Finnen
"Die Formel 1 freut sich für Kimi. Er ist kein Mann der großen Worte, bei ihm dreht sich alles um Racing. Es war schön zu sehen, dass er hier einen Sieg einfahren konnte. Er verdient es", bringt es Jenson Button auf den Punkt. Der Finne hat Freude am Fahren, alles andere interessiert ihn nicht. Dass er trotz seines Sieges endgültig aus der WM-Entscheidung heraus ist, ist ihm egal. "Dann probiere ich es eben nächstes Jahr wieder", sagt er. Nach dem Rennen sind Statistiken ebenso unwichtig wie PR-Auftritte und Interviews.
"Wir halsen ihm nicht zu viel auf, damit sein Terminplan überschaubar bleibt", verrät Boullier, der Räikkönen für das Gas geben verpflichtet hat und nicht für eine große Lotus-Werbetour mit warmen Worten über Teamsponsoren. "Das ist ihm sehr wichtig. Als ich Kimi das erste Mal in meinem Büro getroffen habe, war mir klar, dass er den Sport genießt - und das war's", schildert der Lotus-Teamchef, der seinem stillen Star alle Freiheiten lässt.
Diesen Freiraum wird Räikkönen zu nutzen wissen - auch ohne die nicht vorhandenen Wodka-Importe von Alexander Wurz. "Ich habe jetzt fast zwei Wochen Zeit. Solange ich es irgendwie zum nächsten Rennen schaffe, ist das Team glücklich", erklärt der Weltmeister von 2007 seine Partypläne vor dem kommenden Grand Prix in Austin. Gut möglich, dass er auch abseits der Strecke Vollgas gibt. "Ich werde aber versuchen, zwischendurch auch mal nach Hause zu fahren."