• 22. September 2012 · 23:01 Uhr

Reifenfrage: Von zwei bis vier Stopps alles möglich?

Kamui Kobayashi traut dem Supersoft nur drei oder vier Runden zu, Fernando Alonso erwartet "viele" Boxenstopps - aber Pirelli relativiert alle Befürchtungen...

(Motorsport-Total.com) - Vorausgesetzt es bleibt trocken, was bei einer Regenwahrscheinlichkeit von bis zu 50 Prozent keineswegs in Stein gemeißelt ist, könnte der morgige Grand Prix von Singapur strategisch zu einer hochinteressanten Angelegenheit werden. "Die Strategie ist vielleicht noch nicht so klar wie bei anderen Rennen", meint etwa Sebastian Vettel, der Dritte des Qualifyings. "Ich glaube, das wird sich eher während des Rennens entscheiden."

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Die superweichen Reifen sind schnell, bauen aber extrem schnell ab Zoom Download

Grundsätzlich scheint die Tendenz jedoch vorgegeben, gehen die meisten Fahrer und Teams von zwei bis drei Boxenstopps aus. Nur Fernando Alonso rechnet mit "vielen" Reifenwechseln, ohne eine konkrete Zahl zu nennen, und Kamui Kobayashi sagt: "Ich erwarte mindestens zwei oder drei Stopps. Vielleicht probieren es einige sogar mit vier." Selbst sein reifenflüsternder Sauber-Teamkollege Sergio Perez gibt zu: "Mit zwei Stopps über die Renndistanz zu kommen, wird wohl sehr schwierig werden."

Fakt ist: Zwischen Supersoft (rot) und Soft (gelb) liegen rund eineinhalb Sekunden. "Die Unterschiede in Sachen Reifenperformance sind hier die größten des gesamten Jahres", nickt Alonso. "Es liegen eineinhalb bis zwei Sekunden zwischen den beiden Mischungen." Und Kobayashi befürchtet: "Der Supersoft wird einen im Rennen nicht weit bringen. Ich erwarte den Crossover-Punkt schon nach drei oder vier Runden."

Wie lange halten die Supersoft-Reifen?

Laut Pirelli-Auskunft sollte der Supersoft eher acht bis zehn Runden schaffen, ehe er gewechselt werden muss. Die Teamstrategen müssen aber auch noch in ihre Berechnungen einfließen lassen, dass der Supersoft pro Runde um 0,25 bis 0,3 Sekunden an Performance verliert, während der Soft langsamer abbaut - nur um 0,1 Sekunden pro Runde. "Aber bei einigen Fahrstilen verdoppelt sich das", erklärt Pirelli-Sportchef Paul Hembery.

Die Abnutzung der Reifen sei in Singapur "sehr gering, aber es ist eine Strecke, wo du in die Überhitzung kommst. Es ist das einzige Rennen, das fast wie eine Rallye-Sonderprüfung ist, denn es sind ständig entweder Kurven da oder es wird gebremst oder beschleunigt. Man rutscht ein bisschen mehr und hat ein bisschen Wheelspin, und schon überhitzen die Reifen und bauen dann auch ab. Der Schlüssel hier ist daher der Abbau und nicht der Verschleiß."

Die Befürchtung einiger Fahrer, dass es morgen zu einer wahren Boxenstopp-Orgie kommen könnte, teilt der Brite nicht: "Es sieht nach einem Zweistopprennen aus", relativiert er, "weil die Strafe für drei Stopps ziemlich groß ist - 26 oder 27 Sekunden. Also muss man mit den Reifen sehr gut haushalten. Man muss sich auf ein Safety-Car einstellen, denn so eines hatten wir bisher noch immer. Und dann wären wir im Zweistoppfenster."

Zweistoppstrategie im Bereich des Möglichen

"Ich bin mir sicher, die Fahrer wünschen sich ein Safety-Car in den ersten zehn Runden, denn dann könnten sie bis Runde 16 auf den Supersofts bleiben. Dann wäre es locker eine Zweistoppstrategie", rechnet Hembery vor. "Wir gehen davon aus, dass im Mittelstint auf den Soft-Reifen gewechselt wird, wenn noch relativ viel Benzinlast an Bord ist - und dann kann man mit weniger Gewicht und nachlassender Belastung am Ende noch einmal einen Supersoft-Sprint einlegen."

Im Qualifying fuhren die Top 8 mit den weicheren Pneus, nur Mercedes setzte keine Zeit, begnügte sich mit der fünften Startreihe und hat dafür freie Reifenwahl. Aber dass Michael Schumacher und Nico Rosberg deswegen automatisch mit den härteren Softs starten werden, ist nicht gesagt: "Wir werden morgen mit frischen Reifen starten, verraten aber noch nicht mit welchen", grinst Schumacher verschmitzt.


Fotos: Großer Preis von Singapur


Bei Pirelli ist man sich nicht sicher, ob Mercedes mit diesem Poker richtig gehandelt hat: "Es überrascht mich, dass sie auf einem Stadtkurs die Reifen gegenüber der Position bevorzugen, denn sie hätten durchaus Sechster oder Siebter werden können, wenn man sich die Q2-Zeiten anschaut", wundert sich Hembery. "Ich möchte mich nicht darauf festlegen, was Mercedes plant. Sie haben viele Möglichkeiten, viele frische Reifensätze."

"Ich frage mich", fährt er fort, "ob jemand von den Q2-Leuten auf Supersoft starten wird, denn sie werden wohl davon ausgehen, dass Mercedes auf Soft startet, und mit eineinhalb Sekunden Leistungsvorteil könnte man Mercedes überholen. Mercedes wiederum spekuliert darauf, länger fahren zu können, wenn die anderen zum ersten Mal Reifen wechseln müssen. Ich glaube, es wird ein faszinierendes Rennen!"

Safety-Car wäre gut für die Reifen

Ein interessanter Aspekt ist auch, dass es bisher in jedem Grand Prix von Singapur eine Safety-Car-Phase gab. Das könnte einige Fahrer dazu verleiten, von einer solchen auszugehen und etwas weniger Benzin mitzunehmen. Weniger Gewicht bedeutet auch weniger Belastung für die Reifen. Aber sonst sollte das Safety-Car keinen Einfluss auf die Strategien nehmen, denn: "Du kannst ja nicht nur herumbummeln und auf das Safety-Car warten", sagt Vettel.

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Paul Hembery im Gespräch mit McLaren-Teamchef Martin Whitmarsh Zoom Download

Wichtig war heute die Pole-Position, denn in Singapur hat in den vergangenen vier Jahren dreimal der Polesetter gewonnen - und auch in den letzten vier Rennen dieser Saison war das der Fall. "Im Gegensatz zu anderen Formel-1-Strecken ist die Streckentemperatur in Singapur oft niedriger als die Außentemperatur", erläutert Hembery. "Daher war es für die Fahrer wichtig, die Reifen richtig anzuwärmen, um schnell die beste Performance aus ihnen herausholen zu können."

"Aufgrund der deutlich höheren Geschwindigkeit der Supersofts haben die Teams diese Mischung besonders geschont. Um sich frische Sätze aufzusparen, fuhren die Piloten etliche Runden mit jeweils nur einem Satz. Wir wissen aus vergangenen Rennen, das es mit einer innovativen Reifenstrategie möglich ist, trotz eines Startplatzes hinter den Top 10 noch aufs Siegertreppchen zu gelangen. Die strategischen Möglichkeiten in Singapur sind zahlreich", so Hembery.

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