Lotus möchte endlich das Pech abschütteln
Nach dem durchwachsenen Auftakt will Lotus zuschlagen: Räikkönen sieht sich bei seinen Lenkungsproblemen fast am Ziel, für Grosjean beginnt die Saison in China neu
(Motorsport-Total.com) - Lotus erlebt derzeit turbulente Zeiten. Die Lotus-Gruppe hat ihr Engagement als Sponsor beim Rennstall aus Enstone gekündigt, doch in der kommenden Wochen schreitet man wieder zur Tagesordnung: Der Grand Prix von China in Schanghai steht auf dem Programm. Bisher verlief die Saison für das Team durchwachsen - Kimi Räikkönen sicherte sich als Siebter und als Fünfter in beiden Rennen WM-Punkte, Teamkollege Romain Grosjean schied jeweils von guten Startplätzen schon in der Anfangsphase aus.
Nun erhofft man sich endlich ein Rennwochenende ohne Komplikationen. Auch Räikkönen, der das erste Qualifying der Saison - auch aufgrund eines Timingfehlers seines Teams - völlig verpatzte und in Sepang wegen eines Getriebewechsel um fünf Startpositionen zurückversetzt wurde. "Bisher lief es mehr oder wenig gut für mich - das Rennfahren ist nicht anders als früher", hat sich der Finne in der Formel 1 gut eingelebt. "Der E20 fühlt sich auf jeden Fall gut an."
Räikkönen und die Servolenkung
Bisher haderte Räikkönen bloß mit der Servolenkung - sie ist zwar präzise, aber für seinen Geschmack zu wenig leichtgängig. "Wir arbeiten daran, die Lenkung für mich perfekt hinzukriegen - und wir haben es fast geschafft", erkennt er Fortschritte. "Der Speed des Autos ist gut - das gilt für das Qualifying und für das Renntempo. Das waren aufgrund der Startpositionen zwei frustrierende Rennen. Wir hätten in Australien nicht so weit hinten starten sollen, und die Strafe für den Getriebewechsel vor dem Grand Prix von Malaysia kostete am Ende auch Positionen, aber so ist der Motorsport."
Kein Risiko, aber Schnellste Runde in Sepang
Das gilt auch für das Rennen - Räikkönen ist mit Platz fünf in Sepang zufrieden: "Bei diesen Bedingungen war es ganz ehrlich die beste Herangehensweise, den fünften Platz zu verteidigen. Als ich das erste Mal auf Slicks rausfuhr, da war es schon dunkel, und es war schwierig, die trockene Spur auf der Strecke zu sehen. Als ich die Linie erkannt hatte, fuhr ich schnell genug, um meine Platzierung zu halten. Ich spürte zwar, dass das Auto ein besseres Tempo ermöglicht hätte, aber ich wollte keine Risiken eingehen." Dennoch fuhr er die Schnellste Runde: "Das ist schön, aber nicht so gut wie ein Sieg."
Der 32-Jährige probierte auch erstmals die neuen Pirelli-Regenreifen aus: "Als die Lichter ausgingen, nahm ich es leicht, denn ich wusste einfach nicht, wie sie sich verhalten würden. Wir hatten mit ihnen im Vorfeld nur eine Installationsrunde gedreht, also wussten wir nicht, wie wir den Frontflügel einstellen sollten. Dennoch war mein Start in Ordnung, wir konnten ein paar Plätze gutmachen, doch dann gab es vor mir einen Zwischenfall mit ein paar Autos, also musste ich wie in Australien aufs Gras ausweichen, um vorbeizukommen. Ich verlor ein paar Plätze, aber immerhin überstand ich die erste Runde."
Räikkönen hofft auf neue Teile
Doch nun geht es zum Shanghai International Circuit - eine von Räikkönens Lieblingsstrecken? "Es ist einfach eine weitere Rennstrecke", zuckt er mit den Schultern. "ich habe keine speziellen Favoriten oder so etwas. Der Kurs ähnelt dem Albert Park und Sepang in Bezug auf das, was er dem Auto abverlangt - das sollte uns entgegenkommen. Außerdem haben wir ein paar neue Teile für den E20, das gilt aber wahrscheinlich auch für all die anderen Autos, also wissen wir nicht wo wir stehen, bis wir dort sind."
Dennoch hat der Lotus-Pilot gute Erinnerungen an China: "Ich habe dort 2007 gewonnen, und das war ein gutes Gefühl, denn es war das Jahr, in dem ich Weltmeister wurde. Es handelt sich um eine ordentliche Rennstrecke, und es gibt gute Überholmöglichkeiten." Man darf also gespannt sein, was die Updates beim E20 bringen: "Das Team arbeitet hart, damit wir uns weiterhin in die richtige Richtung bewegen. Wir bauen glücklicherweise auf einer guten Basis auf - das Auto war bisher überall schnell. Nur das Wetter und andere Umstände sorgten bei den bisherigen zwei Rennen dafür, dass wir es noch nicht so richtig gesehen haben. Ich habe auch eine gute Beziehung zum Team. Es ist klar, dass sie Racer sind, so wie ich - so können wir diese Saison das Maximum herausholen."
Grosjeans verspäteter Saisonstart
Für Teamkollegen Grosjean beginnt die Saison in China von neuem. Seine bisherigen zwei Rennen dauerten nur wenige Runden lang - in Australien war Williams-Pilot Pastor Maldonado für den Ausfall mitverantwortlich, in Malaysia war es ganz klar der Fehler des Franzosen. "Wenn man Fehler macht, dann muss man es zugeben und darf den Fehler nicht noch einmal machen. Wenn es aber nicht dein Fehler ist, dann ist es nicht dein Fehler", sagt er. "Die ersten zwei Rennen waren hart, und wir holten kein Ergebnis. Andererseits weiß ich, dass wir in den kommenden Rennen viel erreichen können. Meine Saison beginnt erst in China so richtig."
Auch die Erfahrung mit dem E20 sollte ihm in die Hände spielen: "Ich bin sicher, dass wir das Setup in Schanghai schneller finden werden als bei den ersten beiden Rennen, und ich denke, dass es noch Spielraum gibt, damit ich mich im E20 noch wohler fühle. Dennoch ist das Auto gut zu fahren, und mit dem neuen Aerodynamikpaket sollte es noch besser sein."
Boullier mit lachendem und weinendem Auge
Teamchef Eric Boullier blickt auf einen durchwachsenen Saisonstart zurück: "Teile davon waren zufriedenstellend - darunter das Tempo des E20, das in Rennen und Qualifying stimmt. Beide Fahrer haben starke Performances gezeigt - Romain in Australien und Kimi in Malaysia. Kimi hat bewiesen, dass er nicht lange benötigte, um sich daran zu erinnern, was von einem Formel-1-Fahrer erfordert wird. Er ist bei der Musik dabei - das hat er in Anbetracht seiner Startpositionen in zwei starken Rennen gezeigt. Auch der Abbau der Reifen ist ermutigend - das gilt zudem für die Reaktion des Autos auf Setup-Änderungen."
Doch nicht alles lief perfekt: "Romain spulte nur eine Handvoll Runden im Rennen ab, Kimi startete aus unterschiedlichen Gründen in beiden Rennen von weiter hinten als erwartet - schlechtes Timing durch das Team und ein Getriebewechsel in Malaysia. Das Ergebnis davon ist, dass wir in der Konstrukteurs-WM nur 16 Punkte haben, obwohl wir das Potenzial für viel mehr hätten. Ich persönlich bin ein bisschen frustriert, dass wir nicht das abgeliefert haben, was wir hätten abliefern sollen. Wir wissen, dass wir es besser können, und wir hoffen, dass wir das bei den nächsten Rennen zeigen können. Andererseits bin ich sehr stolz auf die Errungenschaften des Teams im Winter. Aus diesem Grund kann ich mir ein Lächeln im Gesicht nicht verkneifen."
Platz vier weiter im Visier
Aus diesem Grund ist Boullier weiterhin zuversichtlich, dass sein Team - wie ursprünglich als Ziel festgelegt - "um Platz vier in der Konstrukteurs-WM" kämpfen kann: "Das Aerodynamikpaket, das wir nach China bringen, beweist, dass wir nichts unversucht lassen. Wir sind fokussiert, den E20 zu entwickeln und zu verbessern, während beide Fahrer ihre Ziele kennen und gut mit dem Team arbeiten. Ein Großteil der negativen Aspekte der ersten beiden Rennen beruhen auf Pech oder Faktoren, aus denen wir lernen werden. Wir rechnen mit weiteren soliden Punkten in der nahen Zukunft - mit beiden Autos in den Top-8."
Komplimente für die Fahrer
Boullier spricht auch seinen Fahrern ein Lob aus: "In Anbetracht dessen, dass beide nach zwei Jahren in die Formel 1 zurückgekehrt sind, waren ihre Performances stark. Kimi hat gezeigt, dass er nichts von seinem Tempo verloren hat. Er ist im Qualifying schnell und im Rennen zudem sehr konstant. Die Art und Weise, wie er mit den Reifen umgeht, ist beeindruckend, während sein technisches Feedback sehr präzise ist. Er schlug sich in beiden Rennen sehr gut, und seine Schnellste Runde in Malaysia zeigt, dass er genau das gleiche abliefert wie früher. Romain hat auch ein gutes Tempo gezeigt. Er muss nur ein paar Rennrunden absolvieren - seine Saison beginnt in China."
Trotz des Endes der Sponsoring-Partnerschaft mit Lotus sieht er eine tolle Zukunft auf das Team zukommen: "Dass wir dieses Jahr Namen wie Mircosoft oder die Unilever-Marken Clear und Rexona auf dem Auto haben, beweist, wozu wir als Team fähig sind. Diese Marken erkennen nicht nur den Wert der Formel 1, sondern auch den Wert unseres Teams. Wir hier in Enstone bauen auf einem großen Erbe auf und wir hoffen, dass wir das mit starken Resultaten in der Zukunft untermauern können. Dass wir in der aktuellen Wirtschaftslage solche Namen anziehen können, ist eine fantastische Errungenschaft aller Teammitglieder."