Vettel überrascht mit Freitagsbestzeit
Red Bull ist in Montréal schon am Freitag konkurrenzfähig, wie Sebastian Vettels Bestzeit beweist - Ferrari und Mercedes nur knapp dahinter
(Motorsport-Total.com) - Mit einer Überraschung endete das Freitagstraining zum Grand Prix von Kanada in Montréal. Nein, es gab keine Bestzeit für eines der drei neuen Teams, sondern für Red Bull - was zunächst nach "Business as usual" klingt. Doch eigentlich hatte Sebastian Vettel heute kaum einer der Experten für den ersten Platz auf der Rechnung.
Denn erstens gilt der Circuit Gilles Villeneuve als eine der wenigen Strecken, auf denen Red Bull mangels Topspeed und F-Schacht-System zumindest der Papierform nach verletzlich sein müsste, und zweitens testete das österreichisch-britische Team an den bisherigen Grand-Prix-Freitagen stets mit relativ viel Benzin an Bord. Dass Vettel Erster und Mark Webber (+0,396) guter Vierter wurde, spricht dafür, dass Red Bull auch in Montréal siegfähig sein wird.
Ferrari-Neuerungen wirken sich aus
Im Vergleich zu Istanbul stark verbessert präsentierte sich bei trockenen, aber bewölkten Bedingungen das Ferrari-Team. Fernando Alonso schaffte auf den superweichen Bridgestone-Reifen sogar zwei schnelle Runden und kam im zweiten Versuch bis auf 0,086 Sekunden an Vettel heran, während Felipe Massa mit 0,524 Sekunden Rückstand solider Fünfter wurde. Dabei hatte der Brasilianer Glück, als er zu Beginn von der Strecke abkam und beinahe die Mauer touchiert hätte.
Zwischenfälle gab es wieder am laufenden Band, was auf die teilweise noch "grüne" Strecke zurückzuführen war, aber auch auf die stark abbauenden Reifen. Besonders die weichere Gummimischung neigte zu starkem Graining, was dazu führte, dass Mercedes und McLaren ihre Zeiten mit den Supersofts nicht verbessern konnten. Das erklärt, warum sie lange mithalten konnten, Red Bull und Ferrari in der entscheidenden Phase aber schneller waren.
Nico Rosberg (Mercedes) hatte als Dritter dennoch nur 0,274 Sekunden Rückstand auf die Spitze und war damit im Gegensatz zu heute Morgen schneller als Michael Schumacher. Der musste nämlich mit 0,811 Sekunden Rückstand und Rang neun Vorlieb nehmen. Dazwischen sorgte mit Adrian Sutil (Force India/6./+0,538) ein weiterer Deutscher für Furore, obwohl er zunächst lange hinter seinem Teamkollegen Vitantonio Liuzzi (10.) gelegen war.
Keine Steigerung von McLaren
McLaren fiel im Vergleich zum Vormittag weit zurück, Lewis Hamilton und Jenson Button wurden nur Siebter und Elfter und büßten 0,652 beziehungsweise 1,084 Sekunden auf die Spitze ein. Zumindest mischten sie dank F-Schacht-System in Sachen Topspeed (318 km/h) vorne mit. Am schnellsten waren auf den Geraden aber die beiden Werks-Renaults, die zwischen Haarnadel und Zielschikane jeweils mit 319 km/h "geblitzt" wurden.
Robert Kubica konnte diesen Speed aber mangels Traktion besonders im ersten und zweiten Sektor nicht so gut umsetzen und landete nach 90 Minuten auf dem achten Platz. Vitaly Petrov wurde gar nur 14., lag damit auch noch hinter den beiden Williams-Piloten, von denen diesmal Rubens Barrichello um 62 Tausendstelsekunden schneller war als Nico Hülkenberg, der heute Morgen außergewöhnlich gut ins Wochenende gestartet war.
Barrichello hatte übrigens Glück bei einem frühen Dreher, den er wenige Zentimeter vor den Reifenstapeln noch abfangen konnte. Auch Rosberg sorgte in Kurve sechs für einen der brenzligeren Ausritte des Nachmittags, während Alonso in Kurve vier sogar nur knapp an der Mauer vorbeifuhr, als er ins Gras musste. Die neuralgischen Stellen der heutigen Ausrittsorgie waren aber Kurve sechs sowie die Schikane vor Start und Ziel.
Sauber und Buemi abgeschlagen
Keine positiven Nachrichten gibt es heute für die Formel-1-Fans aus der Schweiz, denn das Sauber-Team ist von den Top 10 weit entfernt und auch Sébastien Buemi (Toro Rosso) hätte sich wohl mehr erhofft als den 17. Platz. Schnellster Vertreter der neuen Teams war Heikki Kovalainen (Lotus) mit anständigen drei Sekunden Rückstand. Hinter ihm reihte sich mit Respektabstand überraschend das HRT-Duo Chandhok/Senna ein.
Vor Timo Glock und Lucas di Grassi in den enttäuschend langsamen Virgin-Boliden landete sogar noch Jarno Trulli, obwohl der Lotus-Routinier wegen eines technischen Problems über eine Stunde lang an der Box stand und erst ganz zum Schluss elf Runden drehen konnte. Die fleißigsten Piloten der Session waren übrigens die Montréal-Neulinge Hülkenberg und Jaime Alguersuari (Toro Rosso/18./+2,397).
Das große Fragezeichen ist nach dem ersten Trainingstag nicht das Kräfteverhältnis, auf das man wie so oft noch keine seriösen Rückschlüsse ziehen kann, sondern vielmehr die Reifenthematik. Denn warum Red Bull und Ferrari mit den weichen Pneus schneller fahren können als Mercedes und McLaren, ist bisher noch ein Rätsel. Außerdem könnte es wegen des Grainings eine Herausforderung werden, die weichen Reifen mit hohem Fahrzeuggewicht im Rennen einzusetzen.