• 30. November 2024 · 10:39 Uhr

Frische Millionen für den Erfolg: Das steckt hinter Audis Katar-Deal

Eine Analyse: Warum sich Katar für die postfossile Ära jetzt auch bei einem Formel-1-Team engagiert und wie das Audi-Projekt davon profitieren wird

(Motorsport-Total.com) - Die Bekanntgabe des Audi-Katar-Deals am Freitag in Doha kam, zumindest von außen betrachtet, überraschend. Denn es ist keine drei Wochen her, da hat der deutsche Automobilhersteller entsprechende Medienberichte noch klipp und klar dementiert: "Das Team steht nicht zum Verkauf."

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Gernot Döllner (Audi) und Mohammed Al-Sowaidi (QIA) bei der Unterzeichnung des Deals Zoom Download

Jetzt also doch, und das wusste man in Ingolstadt auch schon sehr viel länger. Audi-CEO Gernot Döllner räumt ein, dass das erste Meeting mit Vertretern der Qatar Investment Authority (QAI), dem Staatsfonds des arabischen Emirats Katar, bereits am 29. November 2023 in Neuburg stattgefunden hat. Also vor fast einem Jahr.

"Wir bemühen uns schon seit einiger Zeit um eine strategische Partnerschaft", räumt Döllner ein. "Wir haben den Prozess mit QIA vor einem Jahr begonnen, und wir teilen die gleichen Ziele in Form einer langfristigen Partnerschaft und eines langfristigen Investments." Für die Entwicklung des eigenen Werksteams, das 2026 aus dem Sauber-Team hervorgehen wird, "ein Meilenstein", sagt er.

350 Millionen Dollar für 30 Prozent der Anteile?

Über die "Commercials" des Deals sprechen weder Audi noch die QIA offiziell. Es ist üblich, dass bei solchen Partnerschaften Stillschweigen über die Dinge vereinbart wird, die die Formel-1-Fans natürlich am meisten interessieren. Dem Vernehmen nach soll QIA aber rund 350 Millionen US-Dollar für rund 30 Prozent der Anteile an der Sauber Holding AG bezahlen.

Sollten diese Zahlen stimmen, ergäbe das eine Bewertung in der Höhe von umgerechnet rund 1,1 Milliarden Euro für das Audi-Werksteam. Übrigens 1:1 deckungsgleich mit den Bewertungen, die das Branchenmagazin Sportico für alle zehn bestehenden Formel-1-Teams führt. Sportico führt Sauber aktuell mit 1,2 Milliarden US-Dollar an geschätztem Wert auf Platz 9 der Rangliste.

Katar hat mit dem Einstieg also möglicherweise ein Schnäppchen gemacht, denn wie sich der Wert eines erfolgreichen Rennstalls in der Formel 1 potenziell entwickeln kann, belegen die derzeit höchsten Bewertungen für Teams wie Ferrari (4,8 Milliarden Dollar), Mercedes (3,9 Milliarden) oder Red Bull Racing (3,5 Milliarden).

Warum das Audi-Team vom Katar-Deal profitiert

Für Audi ist der Deal eine gute Nachricht. Seit der offiziellen Bekanntgabe des Formel-1-Einstiegs im August 2022 liefen die nötigen Investitionen, um die infrastrukturelle Lücke zu den Topteams schließen zu können, nur schleppend an. Das war Ex-Teamchef Andreas Seidl, der diesen Sommer entlassen wurde, stets ein Dorn im Auge.

Der Katar-Deal bringt frisches Kapital in die Sauber Holding AG, sodass die nötigen Investitionen getätigt werden können. Und Audi muss nicht alle Rechnungen selbst bezahlen, sondern hat jetzt einen starken Partner, der die Finanzierung unterstützt. Zumindest ab dem zweiten Quartal 2025, denn bis dahin soll die Transaktion über die Bühne sein.

Audi und die Formel 1: Ein Weg mit Stolpersteinen

Bisher war das Audi-Projekt eher holprig angelaufen. Die ursprüngliche Präferenz, mit Red Bull gemeinsame Sache zu machen, scheiterte gleich in der Frühphase des Projekts an Dietrich Mateschitz. Helmut Marko soll bereits Anfang 2021 zu Vertretern des Volkswagen-Konzerns gesagt haben: "Der Chef hätte lieber Porsche."

So steht es im Buch Grand Prix Storys - Hinter den Kulissen der Formel 1, in dem der gescheiterte Red-Bull-Porsche-Deal eine entscheidende Rolle spielt und am Rande auch das parallel auf Schiene gelegte Audi-Projekt behandelt wird, das damals ebenfalls Bestandteil der streng geheimen Arbeitsgruppe "Speed" innerhalb des Volkswagen-Konzerns war.

Audi blitzte danach bei McLaren ab, weil dort der amerikanische Investor MSP Sports Capital keinen Automobilhersteller mit einer Kontrollmehrheit akzeptieren wollte, nahm auch zu Aston Martin und Williams Kontakt auf - und landete schlussendlich beim Schweizer Sauber-Team in Hinwil, wo mit Mercedes und BMW schon mal deutsche Automobilhersteller engagiert waren.

Der ursprünglich kommunizierte Plan sah vor, den Anteil am Sauber-Team sukzessive auf 75 Prozent auszubauen, mit dem bisherigen Eigentümer Finn Rausing und dessen Firma Islero Investments als weiterhin bestehendem Partner. Eine Konstellation mit einem Haken, denn Rausing war, so hört man das, nicht im gleichen Maße wie Audi bereit, Kapital in die Firma zu investieren.

Also wurde Anfang 2024 der nächste logische Schritt gesetzt, nämlich die Übernahme von 100 Prozent der Teamanteile. Schon mit der fixen Idee, wie Döllner erst jetzt verraten hat, sich an Rausings Stelle einen neuen Partner zu suchen. Denn eins ist klar: Das Emirat Katar kann (und will) bei Bedarf sehr viel mehr Geld ins Team pumpen als der Tetra-Pak-Milliardär aus Schweden.

Wie Katar im großen Stil weltweit investiert

Dazu muss man wissen: Die QIA ist nicht irgendein Investor, sondern quasi ein alter Bekannter. Denn QIA hält 17 Prozent am Volkswagen-Konzern, dem Mutterunternehmen der Marke Audi, und ist damit drittgrößter Shareholder in Wolfsburg, hinter Porsche (53,1 Prozent) und dem Land Niedersachsen (20,0 Prozent).

"Viele Investoren sind auf uns zugegangen, und wir hatten auch mit anderen Gespräche", verrät Döllner. "Aber vom ersten Moment an war uns klar, dass wir diesen Weg zusammen beschreiten wollen, denn QIA ist der drittgrößte Investor der Volkswagen-Gruppe. Wir kennen einander. Es ist eine Partnerschaft, in der man sich auf den anderen verlassen kann."


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Und für den Staatsfonds von Katar ein weiteres Investment, um das Portfolio zu diversifizieren und weniger von den Erdöleinnahmen abhängig zu sein, die irgendwann nicht mehr sprudeln werden. Insgesamt verwaltet QIA ein Portfolio im Wert von mehr als 500 Milliarden Euro. Da ist der Einstieg bei Audis Formel-1-Team nur ein kleines Puzzlesteinchen in einem sehr großen Ganzen.

In Deutschland ist Katar nicht nur im Volkswagen-Konzern investiert, sondern auch bei Siemens, der Reederei Hapag-Lloyd und der Baugesellschaft Hochtief. International etwa bei der Schweizer Großbank Credit Suisse, dem Flughafen London-Heathrow oder dem Fußballclub Paris Saint-Germain, dem aktuellen Meister der französischen Liga.

QIA: Zweites Formel-1-Investment nach Williams

Und der Einstieg bei Audi ist nicht das erste Mal, dass Katar als Investor eines Formel-1-Teams einen Fuß in der Königsklasse des Motorsports hat. Bereits 2009 kaufte sich der Staatsfonds bei Williams ein. Williams eröffnete im Qatar Science Park ein Technologiezentrum, und Scheich Khalid bin Hamad Al-Thani durfte auf dem Losail International Circuit in Doha einen FW31 testen.

Beendet wurde das Engagement bei Williams im Jahr 2020, als dort der amerikanische Investor Dorilton Capital die alleinige Kontrolle übernahm. Doch nicht zuletzt weil auch andere Golfstaaten in die Formel 1 investieren, war klar, dass Katar bei der richtigen Gelegenheit ein "Comeback" als Investor geben könnte. Und jetzt scheint die richtige Gelegenheit da zu sein.

"QIA ist überzeugt, dass die Formel 1 ein Sport mit einem erheblichen unerschlossenen Investitionspotenzial ist", sagt QIA-CEO Mohammed Al-Sowaidi. "Die zunehmende Kommerzialisierung des Profisports als Teil des weltweiten Unterhaltungsangebots und die wachsende globale Popularität der Formel 1 haben eine spannende Gelegenheit für unsere erste große Investition im Motorsport geschaffen."

Auch nach Deal: Audi soll Audi bleiben

Inwieweit Katar im Zuge dieses Investments auch sichtbar werden wird, etwa als Bestandteil des Teamnamens oder mit einem Hauptsponsor, das ist Stand jetzt nicht entschieden. "Wir müssen unser Set-up noch finden", sagt Döllner. "Wir haben da aber einen breiten Blick drauf. Bisher wurden keine Entscheidungen getroffen."

Klar ist aktuell nur, dass es auch in Zukunft ein Audi-Werksteam bleiben soll. Was den Verkauf weiterer Anteile und gegebenenfalls auch die Übernahme einer Mehrheit nicht für alle Zeiten ausschließt. Auch wenn man bei Audi großen Wert auf die Feststellung legt, dass der nächste Schritt einer solchen Transaktion derzeit kein Gegenstand der Gespräche sei.

Die erste Frage, die sich stellen wird, wenn der Deal durch ist, wird sein, was mit dem frischen Kapital in der Sauber Holding AG geschehen soll. "Der Windkanal, den wir haben, ist gut genug", hält Sauber-CEO Mattia Binotto fest. Aber: "Wenn wir uns den Abstand zu den Teams anschauen, die heute gewinnen, dann gibt es sicher einiges, was wir brauchen."

Denn eins ist laut Döllner klar: "Das Formel-1-Projekt ist integral für die Transformationsgeschichte der Marke Audi. Und du kannst keine Zukunft aufbauen, indem du nur Geld einsparst. Du musst auch investieren. Wir müssen Audi transformieren, und wir glauben, dass das Formel-1-Projekt ein integraler Teil dieser Transformation von Audi sein kann."

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