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Pirelli: Bleiben nicht um jeden Preis in der Formel 1
Sportchef Paul Hembery beleuchtet das Formel-1-Engagement von Pirelli und fordert bei einer Vertragsverlängerung eine stärkere Präsenz in Asien und Nordamerika
(Motorsport-Total.com) - Seit der Saison 2011 fährt die Formel 1 mit Reifen von Pirelli, doch ob sie das auch nach der Saison 2016 tun wird, steht derzeit noch in den Sternen. Denn an der Ausschreibung des Automobil-Weltverbands FIA für einen neuen Ausrüstervertrag für die Formel 1 hat sich neben dem italienischen Hersteller auch Konkurrent Michelin beteiligt. Pirelli-Sportchef Paul Hembery würde das Formel-1-Engagement seines Unternehmens gerne weiter vorantreiben, allerdings nicht um jeden Preis.
"Wir bleiben nur, wenn wir mit der Formel 1 ein Geschäft machen können und wenn der Sport will, dass wir bleiben", sagt der Brite. "Wenn unser Engagement nicht anerkannt wird, machen wir etwas anderes." Und diese Anerkennung blieb in den vergangenen Jahren oftmals aus, denn regelmäßig standen die Pirelli-Reifen im Mittelpunkt der Kritik. Egal ob sie zu stark abbauten oder die Wahl der Mischungen zu konservativ war, mehr als einmal musste der Hersteller von Fahrern, Teamverantwortlichen und auch Fans Prügel einstecken.
Und das nicht immer zurecht, wie Hembery findet. "Uns wurden Steine in den Weg gelegt, die vielleicht nicht immer fair waren, weil uns nicht immer gestattet wurde, das zu tun, was wir tun wollen", sagt er. Damit spricht Hembery vor allem die Testeinschränkungen an, welche die Möglichkeiten von Pirelli zur Weiterentwicklung der Reifen stark beschneiden.
Nicht jeder Reifenhersteller kann Formel 1
Außerdem meint Hembery, dass die Kritik am Reifenhersteller von den Teams mitunter nur vorgeschoben wird, um von eigenen Problemen abzulenken. "Es ist schon merkwürdig, dass die einzige Komponente, die vom Sieger- bis zum letzten Auto gleich ist und über die geschimpft wird, immer nur die Reifen sind, obwohl es dutzende andere Variablen gibt", sagt er. "Das mutet manchmal merkwürdig an. Aber so ist das halt für einen Reifenhersteller im Motorsport."
Fotostrecke: GP Ungarn, Highlights 2015
Drei Helmut-Marko-Schützlinge auf dem Podium: Daniil Kwjat (Red Bull), Sebastian Vettel (Ferrari) und Daniel Ricciardo (Red Bull) widmen ihren Erfolg auf dem Hungaroring dem verstorbenen Kollegen Jules Bianchi. Fotostrecke
Ohnehin würde bei Forderungen nach einem anderen Hersteller unterschätzt, wie hoch die Anforderungen an einen Reifenhersteller in der Formel 1 sind. Diese könne bei weitem nicht jedes Unternehmen erfüllen. "Weltweit gibt es sicher hunderte Reifenhersteller, aber nur zwei wurden von der FIA als qualifiziert angesehen. Das muss anerkannt werden", sagt Hembery. "Man kann nicht einfach in die Formel 1 einsteigen und Reifen bauen. Das erfordert jede Menge Know-how."
Und dieses Know-how und die Fähigkeiten Pirellis würden in der Öffentlichkeit nicht genügend anerkannt. "Wir hatten bei einem Rennen Probleme, aber eine Woche später waren die gelöst", spricht Hembery die Reifenschäden beim Großbritannien-Grand-Prix 2013 an. "Das zeigt unsere technische Kompetenz und unsere Reaktionsschnelligkeit. Seither hatten wir null Probleme. Da gibt es andere technische Zulieferer, die tiefer in Problemen stecken und länger brauchen", kann sich der Pirelli-Sportchef einen Seitenhieb auf Motorenhersteller wie Renault nicht verkneifen.
Trotz negativer Stimmung lohnendes Geschäft
Trotz dieser nicht immer positiven Stimmung sei das Formel-1-Engagement für Pirelli bisher ein lohnendes Geschäft. Allerdings sei es auch kein Selbstzweck. "Wenn du das Gefühl hast, dass nicht genug anerkannt wird, was du in den Sport investierst, dann musst du das Engagement in Frage stellen" , so Hembery. "Ich habe immer gesagt, dass wir nicht um jeden Preis in der Formel 1 bleiben wollen. Der Businessplan muss aufgehen."
Und damit dieser Businessplan für Pirelli auch langfristig aufgeht, müsse sich die Formel 1 noch globaler aufstellen und in einigen Märkten mehr Engagement zeigen. "Der Sport ist in Südamerika und besonders in Brasilien historisch sehr stark, auch in Europa. Wir brauchen eine stärkere Präsenz in Asien und Nordamerika. Auf diesen Märkten brauchen wir ein größeres Publikum", fordert Hembery, für den auch die TV-Zahlen sich so sind, wie er sich sie wünschen würde. "Das liegt nicht nur am Produkt, das im Fernsehen übertragen wird, sondern auch an den Distributionskanälen", spricht Hembery die teilweise exklusiven Übertragungen im Pay-TV an.
"Wir sind ja nicht nur technischer Zulieferer, sondern auch Sponsor. Unsere Gesamtkosten sind weit höher als die eines Sponsors, der sich jedes Rennwochenende mit einer Flasche Champagner gemütlich in den Paddock-Club setzen und die Hände in den Schoß legen kann. Das macht vielleicht ein Drittel unserer Kosten aus. Manchmal verstehen die Leute nicht, dass wir so hohe Nettokosten haben, weil wir nichts vom Inhaber der kommerziellen Rechte bekommen", so Hembery. "Unser Nettokosten sind wahrscheinlich die höchsten von allen Firmen, von den Motorenherstellern einmal abgesehen."