Claire Williams blickt zurück: "Das ist eine meiner größten Errungenschaften"
Claire Williams war eine der wenigen Frauen an der Spitze eines Formel-1-Teams - Wer sie am meisten geprägt hat und warum sie erst lernen musste, stolz zu sein
(Motorsport-Total.com) - Als eine der wenigen Frauen in einer Führungsrolle innerhalb der Formel 1 leitete Claire Williams sieben Jahre lang das Williams-Team. Ihre Laufbahn hatte sie als Pressesprecherin in Silverstone begonnen und stieg innerhalb des Teams durch diverse Positionen bis zur stellvertretenden Teamchefin auf.
"Als ich das Team übernahm, gab es neben mir nur Monisha Kaltenborn als weibliche Teamchefin", erklärt die 48-jährige Britin im Gespräch mit Formula1.com anlässlich des Internationalen Frauentags am vergangenen Wochenende.
Zu Beginn ihrer Karriere gab es nur wenige Frauen in der Formel, meist in traditionellen Bereichen wie PR, Marketing oder Hospitality. Erst mit der Zeit fanden sie zunehmend ihren Weg in technische Berufe wie Aerodynamik und Fahrzeugdesign.
Williams erinnert sich: "Das Interesse war groß, vor allem in der britischen Presse, dass eine weitere Frau ein Formel-1-Team leitet. Zuerst habe ich nie viel darüber nachgedacht."
"Ich habe Susie Wolff 2014 die Möglichkeit gegeben, unser Auto zu fahren, und das stieß auf großes Interesse. Susie hat dann selbst unglaubliche Dinge getan, um Frauen im Motorsport zu fördern." Und auch bei Williams nahm das Bedürfnis, aktiv dazu beizutragen, mehr Frauen in den Sport zu bringen, weiter zu.
Williams förderte aktiv weibliche Fachkräfte
"Wir fingen an, mehr Frauen in Ingenieurspositionen bei Williams zu bringen und ermutigten Frauen, die wir in Ingenieurspositionen hatten, MINT-Botschafterinnen zu werden und an Schulen zu sprechen, um die nächste Generation zu ermutigen."
Der Begriff MINT steht für die Fächer Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik. Er wird häufig im Bildungs- und Berufsbereich verwendet, um diese technischen und naturwissenschaftlichen Disziplinen zusammenzufassen.
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Die erste Frau in der Formel 1 ist die Italienerin Maria Teresa de Filippis. Sie nimmt in den Jahren 1958 und 1959 an fünf Grands Prix teil und qualifiziert sich für drei Rennen. Fotostrecke
Während ihrer Zeit als Teamchefin stieg der Frauenanteil bei Williams von neun auf 19,5 Prozent. "Das war nur möglich, weil wir aktiv Frauen ermutigten und ein unterstützendes Umfeld schufen. Das ist eine meiner größten Errungenschaften", betont Willliams rückblickend, die auch daran arbeitete, die Vereinbarkeit von Familie und Job für Frauen in der Formel 1 nachhaltig zu verbessern.
Denn als sie 2017 schwanger wurde, verdeutlichte ihr das, wie schwer es für Frauen in der Formel 1 sein kann, Karriere und Familie zu vereinen. "Es war wirklich schwer. Ich dachte mir: 'Wie soll ich das schaffen?' Und ich war der Chef. Nicht viele Leute bei Williams hatten ein Baby - wir betraten also Neuland."
Um anderen Frauen den Weg zu erleichtern, setzte sie neue Richtlinien für Mutterschutz und Elternzeit um und rief das Netzwerk "Women at Williams" ins Leben, "um Frauen aufzuklären, sie einzubinden und ein besseres Umfeld zu schaffen".
Eine entscheidende Inspiration waren ihre Eltern, insbesondere ihre Mutter Ginny: "Viele sagen, wenn sie nicht gewesen wäre, hätte es Williams nicht gegeben." Sie hielt die Familie zusammen und war eine wichtige Stütze, gerade in schwierigen Zeiten.
Ginny Williams "die wahre Heldin" für das Team
So habe Ginny nicht nur ihren Mann nach dessen Unfall unterstützt, sondern auch maßgeblich zum Erfolg des Teams beigetragen. "Sie war die wahre Heldin im Hintergrund."
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Obwohl die letzten Jahre ihrer Amtszeit von sportlichen Rückschlägen geprägt waren, lernt Williams inzwischen, ihre Erfolge zu schätzen. "Früher habe ich mich nur auf meine Schwächen konzentriert. Jetzt lerne ich, meine Stärken anzuerkennen."
"Ich habe Williams, ein Traditionsteam der Formel 1, viele Jahre geleitet. Und so wenig erfolgreich meine letzten Jahre auch waren, fünf Jahre meiner Amtszeit waren sehr erfolgreich. Abgesehen von Toto (Wolff; Anm. d. R.) und Christian (Horner) war ich viele Jahre lang der Teamchef mit den meisten Podiumsplatzierungen in diesem Sport. Darauf bin ich wirklich stolz", zieht Williams den direkten Vergleich.
In den sieben Jahren unter ihrer Leitung sicherte sich die Mannschaft 15 Podiumsplätze und landete zweimal auf Platz drei der Konstrukteurswertung. Nur Mercedes mit Wolff und Red Bull mit Horner hatten in dieser Zeit eine bessere Bilanz.
Dennoch falle es ihr nicht leicht, Stolz zu empfinden. "Ich konzentriere mich lieber auf die Dinge, die nicht so gut gelaufen sind, denn ich denke, dass man daraus die größten Lehren ziehen kann. Das habe ich wahrscheinlich von meiner Mutter."