Hill über Red Bull: "Präsentieren sich gerne als die harten Jungs, aber ..."
Damon Hill erneuert Kritik an Red Bull: Statt Max Verstappen Grenzen aufzuzeigen, übe das Team im Zoff um den Weltmeister lieber gezielt Druck auf die Medien aus
(Motorsport-Total.com) - Sportsgeist und Fairness wird in Großbritannien bekanntlich besonders großgeschrieben, diese Kritik kam deshalb gar nicht gut an: Nachdem zuletzt schon Ex-Formel-1-Pilot Jonny Herbert Parteilichkeit und Voreingenommenheit zugunsten britischer Fahrer von sich gewiesen hat, legt nun auch Ex-Weltmeister Damon Hill nach - und nimmt dabei vor allem Red Bull ins Visier!

© Motorsport Images
Weltmeister unter sich: Damon Hill und Max Verstappen hatten ihre Spannungen Zoom Download
Beide waren in der Vergangenheit für den britischen TV-Sender Sky bei den Formel-1-Übertragungen als Experten beschäftigt. Vor allem mit den Verantwortlichen von Red Bull, die dem Sender schon öfter eine Bevorzugung britischer Piloten vorwarf, gab es dabei immer wieder Zoff - besonders im Nachgang der kontroversen WM-Entscheidung 2021 zwischen Max Verstappen und Lewis Hamilton.
"Hier berühren wir einen heiklen Punkt", geht Hill in der Causa jetzt jedoch zum Gegenangriff über: "Red Bull verteidigt seine Position mit großer Vehemenz. Sie mögen keine Kritik an Max. Und sie waren mit einigen Äußerungen sehr unzufrieden", erklärt er im Interview mit The Telegraph.
Wegen Verstappen: "Red Bull setzt gezielt Druck ein"
"Grundsätzlich vertreten sie stets die Auffassung, dass Sky britisch geprägt und voreingenommen sei - was ich für wirklich ungerecht halte. Tatsächlich sehe ich eher das Gegenteil. Ich glaube nicht, dass Sky auch nur ansatzweise den Eindruck erwecken will, parteiisch zu sein", so Hill: "Sie möchten eine faire Berichterstattung bieten - Anerkennung, wo sie gebührt, und so weiter."
Außerdem gibt Hill zu bedenken, dass der Sender "keinesfalls den Zugang zu einer so zentralen Figur des Sports verlieren" möchte, wie zu Weltmeister Verstappen. Dahinter wittert der Brite jedoch Kalkül aufseiten des Rennstalls: "Red Bull weiß das und setzt, wenn nötig, gezielt Druck ein."
Die Anschuldigungen, dass er und andere britischen Expertenkollegen grundsätzlich etwas gegen Verstappen haben, weist Hill ins Reich der Fabel: "Ich bin nicht gegen Max - das ist der Punkt. Ich finde ihn brillant. Ich mag ihn. Wie könnte man ihn nicht mögen? Er ist schlichtweg spektakulär", bekräftigt er. Doch zur Expertenrolle gehöre es auch, Kritik zu üben, "wenn ich das Gefühl hatte, dass er eine Grenze überschritten hat", so Hill, der mit seiner Meinung in derlei Fällen nicht hinterm Berg hielt.
Hill sieht für Verstappen "Freibrief" von Verantwortlichen
Zu seinen Ansichten steht er auch heute noch: "Ich bin der Meinung, dass Red Bull, insbesondere das Teammanagement, eine Verantwortung gegenüber dem Sport trägt. Wenn ihr Fahrer gelegentlich über das Limit hinausgeht, dann liegt es in ihrer Pflicht zu sagen: 'Das geht so nicht.' Doch das tun sie nicht. Und das war immer mein Problem mit ihnen."
Laut Hill habe das Team seinem wichtigsten Angestellten vielmehr "nahezu einen Freibrief ausgestellt, sich an gewisse Regeln nicht zu halten". Als Beispiel nennt der Brite das vor allem Ende 2024 viel diskutierte Fahrverhalten Verstappens im Zweikampf: "Max eine Regel zur Überholposition am Scheitelpunkt auf der Innenseite zu seinem Vorteil ausgelegt. In den Regeln steht nichts, was ihm das verbietet."
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Allerdings: "Kein anderer Fahrer macht das. Und würde jemand das Gleiche mit ihm machen, würde er sich beschweren wie ein kleines Kind", glaubt Hill. "Genau das ist eines meiner Probleme mit Red Bull. Sie können es einfach nicht akzeptieren. Es ist gelinde gesagt wirklich enttäuschend, dass sie sich gerne als die harten Jungs im Fahrerlager präsentieren. Aber sobald etwas nicht zu ihren Gunsten läuft, beklagen sie sich lautstark."
Hill über TV-Aus: Mit 64 nicht mehr genug 'Eye-Candy'?
Diese Art von "Chauvinismus", wie Hill es nennt, missfalle ihm - genauso wie die Tatsache, "dass die ganze Angelegenheit zu einem 'Ihr seid gegen uns, weil wir nicht britisch sind' aufgebauscht wurde. Das war ein Mittel, um Druck auf uns auszuüben - völlig ungerechtfertigt", ärgert sich der Ex-Rennfahrer: "Es ist absurd zu behaupten, dass es irgendeine Art von Anti-Niederlande-Stimmung gegeben hätte."
Kurios: Sowohl Herbert - der als TV-Experte bereits vor der Saison 2023 abgesetzt, und darüber hinaus kürzlich auch von der FIA als Steward geschasst wurde - als auch Hill sind mittlerweile nicht mehr für Sky tätig. Denn auch der Vertrag des Ex-Champions wurde zur neuen Saison nicht verlängert. Dass dies jedoch mit der Kontroverse um Verstappen zusammenhängt, kann sich Hill nicht vorstellen:
"Das würde ich ungern glauben. Ich hoffe nicht", erklärt der ehemalige Williams- und Jordan-Pilot. Für ihn liegen die Gründe anderswo: "Ich hatte ohnehin das Gefühl, dass es auf ein Ende hinauslief - schließlich wurde ich das ganze letzte Jahr über zunehmend zurückgedrängt. Ich durfte nur noch die weniger attraktiven Rennen begleiten", zeigt sich Hill über sein Aus verbittert.
Der 64-Jährige glaubt: "Sie haben jetzt jüngere, frischere Namen. Sie haben Jenson [Button], sie haben Nico [Rosberg]." Mit seinen bevorzugten Fahrerkollegen habe er allerdings kein Problem: "Das ist völlig in Ordnung. Ich verstehe das. Sie stehen der aktuellen Generation näher als ich. Und es ist eben Fernsehen - da spielt auch ein gewisser 'Eye-Candy'-Faktor eine Rolle", glaubt Hill, dass er den Verantwortlichen schlichtweg zu alt geworden sei.