Adrian Newey nimmt heute seine Arbeit auf: Das erwartet ihn bei Aston Martin
Für Adrian Newey ist der heutige Montag der erste offizielle Arbeitstag bei Aston Martin: Sein Büro ist eingerichtet und der Designer kann damit endlich loslegen
(Motorsport-Total.com) - Die Wände in Adrian Neweys neuem Büro sind bereits gestrichen, wie Andy Cowell während der Testfahrten in Bahrain verrät. Das geht zurück auf eine Anekdote aus Neweys Zeit bei McLaren. Damals brachte der Designer mehr Farbe in sein Büro, sehr zum Unmut von Teamchef Ron Dennis, der es gewohnt war, dass alles in Grau gehalten war.
"Ron ist rot angelaufen", scherzte Newey damals. Diesmal wird die Farbgestaltung seines Büros, das er am heutigen Montag bezieht, kein Gesprächsthema sein. Fertig ist es: "Ich könnte euch ein Foto zeigen, aber es sind zu viele von euch, um alle auf mein Handy zu schauen. Ja, sein Büro ist bereit. Das Zeichenbrett steht", grinst der neue Teamchef von Aston Martin, Andy Cowell.
Nach seiner Freistellung beginnt Newey nun offiziell seine Arbeit beim britischen Rennstall. Bereits am 1. Mai 2024 hatte Red Bull verkündet, dass sich die Wege mit dem Erfolgskonstrukteur nach sechs Konstrukteurs- und acht Fahrertiteln trennen würden. Wenige Monate später, am 10. September, folgte die Bestätigung: Aston Martin wird Neweys neue Heimat in der Formel 1.
Welche Struktur erwartet Newey bei Aston Martin?
Seit der Ankündigung seines Wechsels hat sich bei Aston Martin einiges getan. Andy Cowell hat mittlerweile eine Doppelrolle als CEO und Teamchef übernommen. Zudem wurde im November bekannt gegeben, dass Dan Fallows, einst Technikchef und ehemaliger Weggefährte Neweys bei Red Bull, eine neue Rolle innerhalb der Aston-Martin-Gruppe erhalten hat.
Damit wurde der Weg frei für eine neue technische Führungsstruktur: Enrico Cardile, zuvor bei Ferrari, wird als Chief Technical Officer (CTO) die Entwicklung der neuen Autos verantworten. Newey hingegen trägt offiziell den Titel "Managing Technical Partner" und ist zugleich Anteilseigner des Teams aus Silverstone.
Diese Art der doppelten technischen Leitung ist für Newey nichts Neues. Bei Red Bull arbeitete er in einem ähnlichen System mit Pierre Wache zusammen, der als Technischer Direktor das Tagesgeschäft leitete, während sich Newey auf das große Ganze konzentrierte.
"Er war nicht in den täglichen Betrieb eingebunden, sondern hat alles aus einer anderen Perspektive betrachtet und uns ständig herausgefordert", erklärte Wache einst gegenüber Motorsport.com. "Das war sehr hilfreich, weil es alle Bereiche betraf, von der Mechanik bis zur Aerodynamik. Er schaute uns über die Schulter und fragte: 'Habt ihr an dies gedacht? Habt ihr an das gedacht?' Sein Feedback war extrem wertvoll."
Dieses Modell erwies sich vor allem seit der Einführung des aktuellen Reglements 2022 als Erfolgsgarant für Red Bull. Nun hofft Aston Martin, mit der Kombination aus Newey und Cardile ähnlich große Erfolge feiern zu können.
Doch eine entscheidende Frage bleibt offen: Wann wird Cardile tatsächlich seine Arbeit aufnehmen? Ferrari hatte im Juli 2024 seinen Abgang bekannt gegeben, aber keine Angaben zur Dauer seiner Freistellungszeit gemacht. Auch Aston Martin hat diese Information bislang nicht preisgegeben.
Selbst auf direkte Nachfrage während der Wintertests in Bahrain wich Cowell aus: "Wir freuen uns darauf, dass unser Team aus tausend Leuten effizient zusammenarbeitet. Wir freuen uns auf Adrians Start. Wir freuen uns auf die vielen neuen Mitarbeiter, die wir jeden Monat begrüßen. 2024 waren es insgesamt 248."
Als Cowell ein zweites Mal nach Cardiles Startdatum gefragt wurde, lacht er nur: "Hat sonst noch jemand eine Frage?" Auch ein dritter Versuch während der Mediensession brachte keine neue Erkenntnis - ein klares Zeichen dafür, dass Aston Martin entweder nichts verraten will oder schlichtweg nicht kann.
Stattdessen erklärt Cowell: "Es gibt bereits eine große Gruppe von Leuten, die am 2026er-Auto arbeitet und es vorantreibt. Und je mehr wir dem Team hinzufügen, desto stärker werden wir. Mehr Kapazität und mehr Erfahrung helfen uns einfach, weiter voranzukommen."
Damit bleiben für Neweys erste Wochen in Silverstone noch einige Fragezeichen. Der langfristige Plan mit Cardile und Newey als Doppelspitze in der technischen Führung scheint klar zu sein, doch solange der Ferrari-Neuzugang noch nicht im Team ist, bleibt die genaue Rollenverteilung vorerst ungewiss.
Welche Herausforderungen erwarten Newey?
Mindestens genauso wichtig wie die Struktur ist die Frage, worauf sich Adrian Newey bei Aston Martin konzentrieren wird - und welche Herausforderungen auf ihn warten. Schon bei der Bekanntgabe seiner Verpflichtung stellte das Team klar, dass sein Einstieg zu spät kommt, um noch Einfluss auf das 2025er-Auto zu nehmen.
Allerdings bleibt genug Zeit, um es im Laufe der Saison weiterzuentwickeln - und noch entscheidender: um das Auto für die neuen Regularien 2026 mitzugestalten.
Genau auf diesen Umbruch setzen Aston Martin und Teambesitzer Lawrence Stroll ihre ganze Hoffnung. Mit Newey an Bord und Honda als Motorenpartner wird das Team de facto zu einem Werksteam - nun müssen alle Puzzleteile zusammenpassen, um 2026 den entscheidenden Schritt nach vorne zu machen.
"Jeder ist extrem begeistert, mit Adrian zusammenzuarbeiten. Seine Erfolgsbilanz spricht für sich", sagt Cowell. "Wir freuen uns darauf, ihn vor Ort zu begrüßen, ihn wie jeden neuen Mitarbeiter einzuarbeiten - auch wenn es vielleicht ein bisschen anders sein wird als sonst."
"Wir werden ihn mit den Schlüsselpersonen in unserem technischen Bereich bekannt machen, ihm unsere Werkzeuge für die Entwicklung des Autos zeigen. Und dann geht es los mit der Arbeit am 2026er Auto - und den Verbesserungen für 2025."
Fotostrecke: Die Motorsport-Karriere von Adrian Newey
Adrian Newey hat 1980 gerade die Universität in Southampton verlassen, da schließt er sich dem Fittipaldi-Team in der Formel 1 an und sammelt erste Erfahrungen im Motorsport. Fotostrecke
Die Reihenfolge in Cowells Antwort macht deutlich, wo die Prioritäten liegen. Aufgrund der großen Lücke zwischen den Top-4-Teams und dem Rest des Feldes sowie der Chancen, die das neue Reglement bietet, dürfte Aston Martin frühzeitig den Fokus auf 2026 verschieben.
Dass Newey genau jetzt einsteigt, ist deshalb besonders wichtig, da die Konkurrenz längst mit ersten Konzeptstudien begonnen hat. George Russell verriet in Bahrain, dass Mercedes bereits an ersten Konzeptarbeiten für 2026 gearbeitet habe - was Sinn ergibt, denn seit dem 1. Januar dürfen Teams offiziell an ihren neuen Designs arbeiten und diese im Windkanal testen.
Cowell bestätigt, dass Aston Martins Konzeptabteilung bereits voll auf 2026 fokussiert ist: "Das ist ein riesiges Thema für alle zehn Teams. Bei uns gibt es Bereiche, die sich schon zu 100 Prozent mit 2026 beschäftigen. Die Konzeptingenieure sind voll auf 2026 ausgerichtet, weil 2025 aus ihrer Perspektive bereits abgehakt ist."
Damit meint er das übergeordnete Fahrzeugkonzept - ein Bereich, in dem Neweys Expertise besonders wertvoll sein dürfte. Seine ersten Monate sind deshalb entscheidend, um die Weichen für 2026 zu stellen. "Im Laufe des Jahres wird jede einzelne Abteilung nach und nach von einer teilweisen Fokussierung auf 2025 vollständig auf 2026 umstellen."
Balanceakt zwischen 2025 und 2026
Newey wird zwar sowohl das 2025er- als auch das 2026er-Projekt beeinflussen, doch Aston Martin will laut Cowell beide Projekte so strikt wie möglich voneinander trennen. Das Team bevorzugt es, dass Ingenieure nicht parallel an beiden Autos arbeiten: "Ich habe immer festgestellt, dass man sich als Ingenieur automatisch auf das Hier und Jetzt konzentriert, wenn man gleichzeitig an heute und in zwölf Monaten denken muss."
"Erst gegen vier Uhr nachmittags beginnt man, an das nächste Jahr zu denken - aber dann ist das Gehirn schon müde. Meins jedenfalls."
2025 wird für Aston Martin auch ein Jahr der Experimente - insbesondere mit Blick auf 2026. "Im Vergleich zu Ferrari sind wir ein junges Team. Wir sind ein junges und wachsendes Team. Ja, wir haben eine großartige neue Fabrik und eine tolle Infrastruktur - aber wir lernen immer noch, wie wir das alles bestmöglich zusammenführen. Wir justieren uns noch ein."
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"Uns ist es enorm wichtig, dass die Qualität der Experimente, die wir innerhalb dieser Infrastruktur durchführen, erstklassig ist. Darauf liegt unser Hauptfokus", so der Teamchef.
Alle Faktoren - Newey, Honda und die neue Infrastruktur - müssen im Auto für 2026 zusammenkommen. Cowell betont, dass die Entwicklung des neuen Autos viele Herausforderungen mit sich bringt, nicht zuletzt durch den Wechsel des Motorenpartners.
"Wir vollziehen den Übergang von einem Kundenteam mit Mercedes zu einem Werksteam mit Honda. Zudem werden wir künftig unser eigenes Getriebe, unsere eigenen hinteren Querlenker und so weiter entwickeln. Das ist für uns ein großer Schritt nach vorne - eine anspruchsvolle To-do-Liste für die nächsten zwölf Monate."
All diese Aspekte sind natürlich eng mit der Aerodynamik und Mechanik des 2026er-Autos verknüpft. Damit steht fest: Ab heute hat Adrian Newey in seinem hochmodernen Büro - samt altmodischem Zeichenbrett - jede Menge zu tun.