Nick Heidfeld: Schumachers Comeback hat ihn die große Chance gekostet
Nick Heidfeld wäre 2010 beinahe bei Mercedes beziehungsweise McLaren gelandet, wenn Michael Schumacher kein Formel-1-Comeback gegeben hätte
(Motorsport-Total.com) - Nick Heidfeld galt Ende der 1990er-Jahre, im Sog der beiden Schumacher-Brüder, als potenziell nächster deutscher Weltmeister in der Formel 1. Als Meister in der Deutschen Formel 3 (1997) und Meister in der Formel 3000 (1999) war er eins der heißesten Nachwuchstalente um den Jahrtausendwechsel.
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Nick Heidfeld arbeitete als Mercedes-Testfahrer 2010 eng mit Michael Schumacher zusammen Zoom Download
Doch als er 2005 endlich im Williams-BMW saß, war Williams schon auf dem absteigenden Ast, und so beendete er seine Karriere 2011 bei Lotus-Renault, mit einer Poleposition, zwei schnellsten Rennrunden und 13 Podestplätzen. Doch die Sache mit dem Grand-Prix-Sieg klappte nie, und als bestes WM-Ergebnis für "Quick Nick" steht Platz 5 in der Saison 2007.
Was viele jedoch nicht wissen: 2010 wäre er beinahe Mercedes-Werksfahrer geworden, als Teamkollege von Nico Rosberg, im Jahr 1 nach der Übernahme des damaligen Weltmeisterteams Brawn durch den Stuttgarter Automobilhersteller. Er sei "damals echt relativ nah dran" gewesen, für Mercedes oder McLaren zu fahren, erinnert sich Heidfeld heute.
Und was vermutlich noch weniger wissen: Wahrscheinlicher als ein Mercedes-Cockpit, wo er 2010 letztendlich Edeltestfahrer wurde, war ein Vertrag bei McLaren. Dann nämlich, wenn Jenson Button bei Brawn/Mercedes geblieben wäre, wie das im Sommer 2009 von den meisten Paddock-Beobachtern erwartet wurde.
"Es hing wirklich vom Michael ab, der dann sein Comeback gemacht hat", so Heidfeld in einem bisher nicht breit veröffentlichten Teil des Mitgliederstammtischs auf dem YouTube-Kanal von Formel1.de im November 2023. "Ich hatte da auch schon Meetings mit Ross Brawn, wo wir das eine oder andere abgesprochen haben."
Doch es kam anders: Michael Schumacher entschied sich im Dezember 2009 zu einer Rückkehr in die Formel 1, wo er Nachfolger von Weltmeister Button im von Ross Brawn geleiteten Mercedes-Team wurde. Button wiederum nahm die Startnummer 1 des Weltmeisters zu McLaren mit und wurde dort Teamkollege von Lewis Hamilton. Somit war für Heidfeld kein Platz mehr frei.
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Eine für ihn unglückliche Konstellation, mit der Heidfeld aber inzwischen seinen Frieden gemacht hat: "Natürlich war das ärgerlich, aber wenn man Michael zurückholen kann, wer würde das nicht machen? Knapper war es dann letztendlich wirklich bei McLaren. Da wäre ich dann fast nochmal untergekommen", verrät er.
Es war übrigens schon das zweite Mal, dass Heidfeld hauchdünn an einem silbernen Cockpit in der Formel 1 vorbeigeschrammt ist. 2002, als McLaren-Mercedes einen Nachfolger für Mika Häkkinen suchte, wäre er als Mercedes-Junior eigentlich der logische Kandidat gewesen. McLaren-Teamchef Ron Dennis entschied sich aber stattdessen für Heidfelds Sauber-Teamkollegen Kimi Räikkönen.
Heidfeld: Zusammenarbeit mit Schumacher war "cool"
So begann er die Saison 2010 als Nummer 3 im deutschen Mercedes-Nationalteam mit Rosberg, Schumacher und Heidfeld. Später wurde er dann offizieller Testfahrer von Reifenhersteller Pirelli. Doch Schumacher, damals als siebenmaliger Champion noch alleiniger Rekordhalter in der Formel-1-Geschichte, aus nächster Nähe beobachten zu können, empfand Heidfeld als "cool".
"Michael hatte ein extremes Standing im Team, obwohl er - das glaube ich aus neutraler Sicht sagen zu können - nicht mehr die gleiche Peak-Performance hatte wie einige Jahre zuvor. Wenn er gesprochen hat, herrschte absolute Ruhe und jeder hat genau zugehört. Wie er mit dem Team zusammengearbeitet hat, zusätzlich zu dem unbestrittenen Fahrtalent, das er immer hatte, hat mich am meisten beeindruckt."
"Ich hatte ja schon oft davon gehört oder drüber gelesen, aber das mal live mitzuerleben, wie strukturiert er da vorgegangen ist, wie genau auf den Punkt er mit dem Team zusammengearbeitet hat, wie er rausgesucht hat, was man jetzt analysieren muss, wo man nicht locker lassen darf, im Gespräch mit den Ingenieuren, das war schon eindrücklich."
Heidfelds Karriere ging 2011 dann trotzdem noch in eine unerwartete Verlängerung, als er bei Lotus-Renault den Platz von Robert Kubica einnahm, der sich im Winter bei einem Rallyeunfall schwer verletzt hatte. Ihm gelang in Malaysia als Dritter noch ein letztes Podium, ehe er später vom Teammanagement durch Bruno Senna ersetzt wurde.
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Heute ist Heidfeld 47 Jahre alt und kein aktiver Rennfahrer mehr. Die Karriere am Steuer hat er 2018 in der Formel E beendet. Stattdessen engagiert er sich jetzt als Co-Founder der neuen Elektro-Rennserie Formel G, die erstmals an den Start gehen und jungen Nachwuchsfahrern einen preisgünstigen Einstieg in den elektrischen Formelsport ermöglichen soll.