Platz frei bei Red Bull? Ob Sainz seine Williams-Entscheidung schon bereut?
Warum der künftige Williams-Fahrer Carlos Sainz seinen Wechsel nicht bereut, obwohl bei Red Bull überraschend doch ein Cockpit frei werden könnte für 2025
(Motorsport-Total.com) - Als sich Carlos Sainz für eine sportliche Zukunft bei Williams entschied, da saß Sergio Perez bei Red Bull noch fest im Sattel. Kurz vor dem Ende der Formel-1-Saison 2024 sieht die Sache anders aus. Und das wirft die Frage auf: Bereut es Sainz jetzt, sich bereits festgelegt zu haben?
Sainz antwortet im Formel-1-Podcast "Beyond The Grid": "Ich schätze, viele im Fahrerlager werden sagen, ich habe mir zu lange Zeit gelassen. So denken sicher einige meiner Fahrerkollegen. Aber ich glaube nicht, dass ich zur Situation bei Red Bull passe."
Weshalb Sainz zu dieser Einschätzung gekommen ist? Das liegt für ihn auf der Hand: "Ich war sechs Monate lang auf dem Markt, aber Red Bull hat mich nicht genommen."
Den Einwand, dass Perez seinen Red-Bull-Vertrag zu diesem Zeitpunkt frisch verlängert hatte und noch gute Form bewiesen habe, will Sainz an dieser Stelle nicht gelten lassen. Er sei auch noch "viel später" verfügbar gewesen, und zwar zu einer Zeit, als Perez bereits deutliche Schwierigkeiten gehabt habe.
"Ich glaube, es liegt wirklich daran, weil ich nicht in das Schema passe, das sie von einem Fahrer erwarten. Und das ist völlig in Ordnung für mich. Damit tut mir Red Bull eigentlich sogar einen Gefallen", sagt Sainz.
Warum Sainz nicht auf Red Bull warten wollte
"Ich sehe es nicht als verpasste Chance, dass ich nicht bis Dezember gewartet habe. So tickt der Fahrermarkt nicht in der Formel 1. Denn wenn ich das so gemacht hätte und Alpine, Williams oder Audi so lange hätte zappeln lassen, dann hätte ich jetzt auch ohne einen Vertrag dastehen können für das kommende Jahr."
Fotostrecke: Die Vertragslaufzeiten der aktuellen Formel-1-Fahrer
Franco Colapinto (Argentinien) ersetzt bei Williams Logan Sargeant und bestreitet ab dem Italien-Grand-Prix in Monza die restlichen Saisonrennen 2024. Mehr ist nicht vereinbart. Fotostrecke
"Aber ich kann gar nicht ausdrücken, wie sehr ich gespürt habe, dass man mich bei Williams will. Da bestand ein enormer Anreiz, zu Williams zu gehen. Das Team hat sich auch sehr ins Zeug gelegt, mich zu überzeugen. Ich freue mich daher einfach nur auf dieses Projekt."
Was Sainz von Williams überzeugte
Doch so einfach sei es nicht gewesen, betont Sainz. Er habe eine "schwierige Phase" durchmachen müssen, bis er eine Entscheidung habe treffen können. "Es stimmt schon: Ich hatte viele Optionen und viele Möglichkeiten."
"Es ging also darum, herauszufinden, wer 2025 und 2026 das schnellste Team sein würde, wer am meisten Abtrieb und Leistung bringen könnte für die neue Autogeneration. Ich stelle jedem Team, jedem Technischen Direktor und jedem Teamchef meine Fragen. Und dann, kurz vor der Sommerpause kam mir: Das ist nichts Entscheidendes für mich, sondern entscheidend sind die Leute im Team."
"Ich dachte mir: James Vowles und seine Leute haben mir gegenüber eine unglaubliche Entschlossenheit bewiesen. Sie haben ein Projekt vorgestellt, eine Zukunftsvision, und die hat mich überzeugt, ihnen zu vertrauen. Ich setze mein Vertrauen also lieber in die Leute als in die Abtriebswerte. Mein Instinkt sagte mir: James und sein Team haben ein Projekt auf die Beine gestellt, das mich wirklich interessiert."
An diesem Punkte fühlte sich Sainz an seinen McLaren-Abschied Ende 2020 erinnert und an die "WM-Kaliber" Andrea Stella und Zak Brown in der Teamführung bei McLaren. "Ich dachte mir damals, mit diesen Schlüsselfiguren wird McLaren eines Tages wieder den Titel gewinnen. Und plötzlich hatte McLaren 2024 das schnellste Auto. Mein Instinkt lag also richtig, als ich damals McLaren verließ."
"Deshalb sagte ich mir: Ich folge jetzt meinem Instinkt und gehe zu James."
Sainz: War auf Vertragsverlängerung bei Ferrari gepolt
Von langer Hand geplant war dieser Schritt aber nicht. Beim Erstkontakt mit Williams 2023 in Abu Dhabi habe er durch sein Management deutlich gemacht, wo seine Prioritäten liegen, sagt Sainz.
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"Ich bin ganz ehrlich: Als ich damals in Abu Dhabi mit James sprach, da sagten meine Manager: 'Danke für das Interesse, James, aber zu 90 Prozent werden wir unseren Vertrag mit Ferrari verlängern. Wir werden dich aber über alles auf dem Laufenden halten. Wir hören von Ferrari, dass es praktisch eine Formsache ist.' Entsprechend groß war der Schock darüber, was als nächstes passierte."
Denn wenige Wochen später gab Ferrari erst eine Vertragsverlängerung mit Charles Leclerc und kurz darauf die Verpflichtung von Formel-1-Rekordchampion Lewis Hamilton bekannt. Sainz war damit sein Ferrari-Cockpit los, die Chance auf einen Anschlussvertrag war dahin.
Wie schnell will Sainz Erfolge sehen?
Bleibt die Frage, mit welchen Erwartungen der Spanier in sein Williams-Abenteuer startet - in dem Wissen, dass das frühere Topteam nicht nur einen sportlichen Rückstand hat, sondern auch einen Entwicklungsstau auf technischer Ebene mit überalterten Werksanlagen in Grove in England.
Dazu meint Sainz, er sei "geneigt zu sagen, dass es mir egal ist", wie lange es dauern werde, um mit Williams konkurrenzfähig zu sein. Begründung: "Ich habe gesehen, was mir gezeigt wurde, und ich bin zu hundert Prozent davon überzeugt, James und sein Team werden alles Notwendige tun, um eine Infrastruktur aufzubauen, mit der man wieder an der Formel-1-Spitze fahren kann."
"Mir ist schon klar: Aktuell sind die Anlagen nicht auf dem Niveau von Maranello. Aber es gibt alle Voraussetzungen, um es dahin zu bringen."
"Wie lange gebe ich dem Team? Ich weiß es nicht. Wie lange gibt mir das Team? Auch das weiß ich nicht. Es ist eine relative Frage", erklärt Sainz.
"Ich kann nur sagen: Mich beschäftigt vor allem die nahe Zukunft und wie viele Fortschritte wie 2025 und 2026 machen können. Das ist mein Hauptanliegen. Ich will Trends und Tendenzen sehen, denn wir brauchen diesen Schwung, um ab nächstem Jahr etwas aufzubauen."