George Russell erklärt: Regeln sollen wieder so werden wie beim Kartfahren
Nach intensiven Diskussionen mit der FIA hoffen die Formel-1-Piloten auf klarere Rennrichtlinien: Warum die Regeln an das Kartfahren erinnern sollen
(Motorsport-Total.com) - Die Diskussion um die Überarbeitung der Rennrichtlinien in der Formel 1 sorgt weiter für Gesprächsstoff. Beim Fahrermeeting vor dem Grand Prix von Katar stellte die FIA Vorschläge für Anpassungen der "Driving Standards Guidelines" vor, die nach den kontroversen Szenen in Austin und Mexiko erneut auf den Prüfstand geraten waren. GPDA-Vorsitzender George Russell beschreibt die Sitzung als "produktiv" und fordert, dass die Regeln wieder an die einfachen Prinzipien des Kartfahrens angelehnt werden.
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Am Donnerstag in Katar fand das Meeting der Fahrer mit der FIA über neue "Driving Standards" statt Zoom Download
"Ich denke, wir alle sind uns einig, dass die Richtlinien keine massiven Änderungen brauchen. Sie müssen nur hier und da um ein paar Sätze bereinigt oder angepasst werden", sagt Russell nach der Sitzung. "Jeder versteht, was in Austin hätte bestraft werden müssen und warum die Strafen in Mexiko gerechtfertigt waren. Insgesamt waren die Entscheidungen über das Jahr hinweg ziemlich gut. Nur Austin war ein Ausreißer. Es braucht also nur kleine Anpassungen."
Neue Klarheit beim Überholen auf der Innenseite
Ein zentraler Punkt der Diskussion war das Überholen auf der Innenseite. Russell stellt klar, dass die Grundregeln für ein Überholmanöver eindeutig bleiben sollten: "Wenn du das überholende Auto auf der Innenseite bist, ist Regel Nummer eins, dass du auf der Strecke bleiben musst", erklärt er. "Wenn du es schaffst, auf der Strecke zu bleiben, hast du das Recht, den anderen Fahrer nach außen zu drängen - genau wie wir es seit dem Kartfahren kennen."
Russell weist darauf hin, dass eine bestehende Regel, wonach der Fahrer auf der Innenseite Platz bis zur Kurvenausfahrt lassen muss, künftig gestrichen werden soll: "Ich denke, diese Regel wird abgeschafft, und ich hoffe, das passiert schon ab diesem Wochenende", betont er.
Die Diskussion drehte sich aber nicht nur um die Regeln selbst, sondern auch um die Verantwortung der Rennstrecken. Laut Russell seien viele der Probleme auf die Beschaffenheit der Strecken zurückzuführen: "Die meisten dieser Vorfälle hängen mit den Strecken zusammen."
"Es gibt Abschnitte, die so viel Platz bieten, dass riskante Manöver überhaupt erst versucht werden. Hätten wir in Austin mehr Kiesbetten gehabt, wären viele dieser Überholversuche gar nicht erst unternommen worden."
Max Verstappen: Das Problem liegt bei den Strecken
Auch Weltmeister Max Verstappen sieht die Hauptursache nicht bei den Fahrern oder den Regeln, sondern bei den Streckenlayouts: "Das Hauptproblem sind die Strecken, die solche Dinge ermöglichen", sagt Verstappen. "Wenn du Kies hast, wirst du sofort gestoppt, wenn du ein bisschen mehr Risiko eingehst als normal."
Verstappen erklärt weiter, dass es bei Kurven mit asphaltiertem Auslauf kaum Konsequenzen für riskante Manöver gebe: "Das Risiko ist dann, dass du nur ein bisschen weit gehst und eine Verwarnung wegen Überschreitens der Streckenbegrenzung bekommst. In einer Kurve mit Kies würdest du so etwas gar nicht erst versuchen."
Auf die Frage, ob er sich bei der Diskussion nach Austin isoliert fühlte, als Russell behauptete, 19 von 20 Fahrern seien sich einig gewesen, widerspricht Verstappen: "Das war nicht der Fall. Es war nicht so, dass nur ein Fahrer anderer Meinung war."
Lewis Hamilton lobt die FIA für offene Diskussionen
Der siebenfache Formel-1-Weltmeister Lewis Hamilton zeigt sich optimistisch, was die Fortschritte in der Diskussion betrifft: "Das war das beste Meeting, das wir zu diesem Thema hatten", so Hamilton. "Es ist gut, dass die FIA und die Stewards sich die Zeit genommen haben, mit uns zu sprechen und uns zuzuhören."
Hamilton betont, wie komplex das Thema sei, da jede Kurve und jede Situation anders sei. Dennoch lobt er die bisherigen Fortschritte: "Die Konsistenz war dieses Jahr besser, aber natürlich streben wir alle nach Perfektion. Solche Diskussionen helfen dabei, klare Richtlinien zu entwickeln, sodass wir im Auto genau wissen, woran wir sind."
Ein Vorschlag, den Hamilton ansprach, war die Einführung von Verwarnungen, ähnlich wie gelbe Karten im Fußball. Doch die Fahrer waren sich einig, dass dieses System nicht praktikabel wäre. "Wenn du deine Verwarnung bis zum letzten Rennen des Jahres aufsparst, funktioniert das nicht", erklärt er.
Die Rolle der Streckenbeschaffenheit
Einigkeit herrschte unter den Fahrern darüber, dass die Strecken selbst ein entscheidender Faktor für viele der kontroversen Szenen sind. Russell nannte Beispiele wie die Kurve vier in Österreich oder Stowe in Silverstone, wo die Fahrer durch Kies oder andere Hindernisse stärker bestraft werden, wenn sie die Strecke verlassen.
"In Silverstone gab es vor ein paar Jahren großartige Rennen mit Lewis, Checo und Charles, aber am Ende waren alle neben der Strecke, weil es die Streckenführung erlaubt hat", erklärt Russell. "Die Strecken sind die Wurzel des Problems, und die Richtlinien sind nur eine Zwischenlösung, bis wir alle Strecken in einen besseren Zustand bringen können."
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Verstappen stimmt zu und lobt die Fortschritte bei der Streckenmodifikation in Katar, wo an einigen Stellen Kiesbetten hinzugefügt wurden: "Das wird schon helfen", sagt er. "Kies bestraft dich sofort, und du willst ihn nicht berühren."
Klarheit über das Überholen auf der Außenseite
Obwohl der Fokus auf dem Überholen auf der Innenseite lag, wurde auch die Rolle des Überholens auf der Außenseite thematisiert. Russell erklärt, dass sich diesbezüglich keine großen Änderungen ergeben würden: "Ich denke, die Regeln für das Überholen auf der Außenseite werden sich nicht groß ändern. Wir hatten da eigentlich kaum Probleme."
Verstappen fügt hinzu, dass das Überholen auf der Außenseite stark von der Geschwindigkeit der Kurve abhängt: "In langsamen Kurven ist es viel schwieriger, außen zu überholen, als in mittleren oder schnellen Kurven, wo du mehr Schwung mitnehmen kannst", sagt er.
Positive Stimmung nach der Sitzung
Trotz der Komplexität der Thematik war die Stimmung nach der Sitzung überwiegend positiv. Russell beschreibt die Diskussionen als "produktiv", und Hamilton zeigt sich zuversichtlich, dass die richtigen Schritte unternommen werden. Verstappen hebt die Notwendigkeit hervor, die Rennstrecken langfristig anzupassen, um problematische Szenarien zu vermeiden.
Die Ergebnisse des Meetings sollen bereits an diesem Wochenende in Katar getestet werden. Eine öffentliche Erklärung der FIA zu den geplanten Änderungen wird in Kürze erwartet.