Ferrari-Experiment in Las Vegas: Was steckt hinter dem neuen Unterboden?
Ferrari hat beim Großen Preis von Las Vegas einen Unterboden ausprobiert: Was steckt dahinter und welche Erkenntnisse für 2025 gewonnen wurden
(Motorsport-Total.com) - Ferrari sorgte beim Großen Preis von Las Vegas für Aufsehen, als das Team während des Freien Trainings einen rein experimentellen Unterboden auf Carlos Sainz' SF-24 einsetzte. Die Scuderia nutzte die Gelegenheit, um Daten für die kommende Formel-1-Saison zu sammeln. Jock Clear, Chefingenieur des Teams, gibt detaillierte Einblicke in den Test und erklärt, worum es dabei wirklich ging.
"Es war nur FT1. Der Unterboden wird wieder abmontiert. Wir haben nur ein Exemplar davon, es bringt keine Performance. Es handelt sich lediglich um einen sehr lokalen Test", stellt Clear unmissverständlich klar. Damit war von Anfang an ausgeschlossen, dass dieses Bauteil einen Wettbewerbsvorteil im Rennen bringen sollte.
Zukunftsorientierte Korrelation
Das Ziel des Tests war es, die Daten aus Ferraris Windkanal mit den Ergebnissen auf der Strecke abzugleichen. Gerade der Unterboden, der bei diesen Fahrzeugen extrem komplex und sensibel ist, gilt als entscheidender Faktor bei der aerodynamischen Performance.
Clear erklärt dazu: "Es geht nur darum, den Windkanal zu kalibrieren. Natürlich hat das Auswirkungen auf 2025, weil der Windkanal das Tool ist, auf dessen Basis alles entwickelt wird, aber es handelt sich sehr stark um einen Korrelationstest."
Auf die Frage, ob es Zweifel an der Aussagekraft solcher Tests gäbe, antwortet Clear: "Nein, ich denke nicht. Ich meine, wir waren ziemlich offen. Und, wissen Sie, im Grunde genommen öffentlich, indem wir gesagt haben, dass wir diesen Unterboden gebracht haben. Ich denke, man wird feststellen, dass Teams so etwas ständig tun. Offensichtlich ist ein Unterboden ein großes Teil, und eigentlich muss man sich festlegen, weil es auch ein teures Teil ist. Das ist nicht etwas, das man jede Woche macht."
Die Bedeutung des Unterbodens
Die Scuderia hat in der Vergangenheit bereits die Herausforderungen bei der Entwicklung eines funktionierenden Unterbodens erfahren. Nach einem Fehlschlag beim Großen Preis von Spanien, als ein neuer Unterboden Highspeed-Bouncing verursachte, setzt Ferrari auf eine präzisere Herangehensweise.
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Clear erklärt, warum der Unterboden eine besondere Herausforderung darstellt: "Das Ding an Unterböden ist, dass sie sehr nah an der Bodenfläche arbeiten, weil sie das Teil des Autos sind, das dem Boden am nächsten ist. Und der Boden ist eine sehr spezielle aerodynamische Herausforderung. Man braucht reale Daten vom Auto, um eine gute Korrelation im Windkanal zu erhalten."
Warum Las Vegas?
Auf die Frage, warum der Test ausgerechnet in Las Vegas durchgeführt wurde, hat Clear eine pragmatische Antwort: "Ich denke, es war einfach das Timing. Wenn man den Windkanal-Leuten sagt, sie sollen zwei Wochen warten, werden sie antworten: 'Nein, wir wollen die Daten jetzt.' Daher haben sie wahrscheinlich beschlossen, den Test so abzuhalten, und einen Monat später hätte es ihnen nicht gepasst."
Die Streckencharakteristik spielt dabei keine Rolle. Clear fügt hinzu: "Man könnte diesen Unterboden auf der Geraden in Monza fahren und genauso viel lernen. Es ist nur so, dass wir nicht jede Woche testen können, also fahren wir ihn in Las Vegas."
Keine Auswirkungen auf die Leistung
Obwohl der Unterboden eine bedeutende Änderung darstellt, hatte er keine direkten Auswirkungen auf Sainz' Performance während des Rennwochenendes. Clear erklärt, dass selbst ein gutes Gefühl des Fahrers nicht auf den experimentellen Unterboden zurückzuführen sei: "Wenn er denkt, dass sich das Auto großartig anfühlt, dann hat er wahrscheinlich einen guten Job gemacht, die Reifen aufzuwärmen."
Ein Einsatz des Unterbodens in den letzten Rennen der Saison war von vornherein ausgeschlossen. "Nein", antwortet Clear auf die Frage, ob der Unterboden in Katar oder Abu Dhabi erneut zu sehen sein werde.
Technische Details des Tests
Der getestete Unterboden war eine umfassende Weiterentwicklung, die mehrere Bereiche betrifft, darunter die Floor-Fences, die vordere Ausdehnung des Unterbodens, die Ränder und die Diffusorrampen. Ein besonderes Augenmerk lag auf dem Kantenflügel, der in ähnlicher Form bereits 2022 und 2023 genutzt wurde.
Das Design des Kantenflügels, das ein schlankes, L-förmiges Profil aufweist, wurde in der Vergangenheit getestet, konnte jedoch nicht die gewünschten Ergebnisse liefern. Dieses Mal wurde die Struktur angepasst, um die Flexibilität und die Integration mit anderen aerodynamischen Komponenten zu verbessern.
"Wir haben Anstrengungen unternommen, um diesen Unterboden hierherzubringen. Es ist eine wichtige Korrelation, und wir denken sicherlich, wenn er uns die Informationen gibt, die wir wollen, dann ist es das wert", sagt Clear.
Weitere Anpassungen in Las Vegas
Neben dem Unterboden brachte Ferrari eine überarbeitete Version des Frontflügels nach Las Vegas. Die hintere Kante des oberen Flaps wurde stärker beschnitten, um die Balance zu verbessern und die Geschwindigkeit auf den Geraden zu erhöhen. Außerdem verwendete das Team den gleichen Heckflügel wie in Monza, gepaart mit einer einkomponentigen Beam-Wing-Lösung.
Zudem wurden die Kühlöffnungen am Motor in Las Vegas stärker geschlossen, da die kühleren Temperaturen dies ermöglichten. Diese Anpassungen unterstreichen, wie Ferrari jede Gelegenheit nutzt, um die Performance zu optimieren und Daten für zukünftige Entwicklungen zu sammeln.
Fazit: Ein Blick in die Zukunft
Ferrari setzte in Las Vegas einen klaren Fokus auf die Saison 2025. Der Unterboden-Test war ein wichtiger Schritt, um die Diskrepanz zwischen Windkanal- und Streckendaten zu minimieren und die Grundlage für künftige Erfolge zu legen.
Wie Jock Clear betont, ging es dabei weniger um direkte Performance-Gewinne, sondern vielmehr um langfristige Erkenntnisse: "Entwicklung ist ein ständiger Prozess, und wie gut man abschneidet, hängt davon ab, wie schnell man ist."