McLaren: In Katar wieder auf Kurs Richtung WM-Titel?
Las Vegas war für McLaren ein harter Schlag, sodass Ferrari wieder gefährlich nähergekommen ist, doch in Katar rechnet man sich wieder bessere Chancen aus
(Motorsport-Total.com) - "Wenn man bedenkt, wie viele Probleme wir gehabt haben, dann müssen wir Mercedes danken, dass sie so stark waren", sagt McLaren-Teamchef Andrea Stella über das vergangene Wochenende in Las Vegas. Denn der Doppelsieg der Silberpfeile hat dafür gesorgt, dass McLaren den Schaden in der Konstrukteurs-WM trotz eines schwachen Wochenendes eindämmen konnte.
McLaren selbst war in Las Vegas weit von der Siegform entfernt, die es benötigt hätte, um den Kampf in der Fahrermeisterschaft gegen Max Verstappen aufrecht zu halten. Lando Norris und Oscar Piastri kamen nur auf den Positionen sechs und sieben ins Ziel - 43 Sekunden hinter der Spitze, wobei Norris kurz vor Schluss noch einen zusätzlichen Boxenstopp eingelegt hatte.
Trotzdem hatte man weder gegen Mercedes, noch gegen Ferrari oder Max Verstappen eine Chance. Das heißt, dass McLaren auch wieder etwas mehr um den Kosntrukteurstitel zittern muss. "Es ist enttäuschend, dass wir zwölf Punkte verloren haben", ärgert sich Stella. Vor den letzten beiden Rennen in Katar und Abu Dhabi hat man nun nur noch 24 Zähler Vorsprung auf Ferrari.
Und wäre Mercedes nicht so stark gewesen, dann hätte die Scuderia in Las Vegas einen Doppelsieg eingefahren und 16 Zähler mehr geholt. "Dann wäre Ferrari eine noch größere Gefahr", weiß Stella.
Für Lando Norris spielt das aber keine Rolle: "Natürlich macht das für uns etwas aus, aber ich denke nicht an solche Dinge", winkt er ab. "Ich denke daran, wie schlecht unser Auto [im Rennen] war. Das besorgt mich, und nicht, dass Mercedes stark war."
Denn McLaren war das gesamte Wochenende nicht auf der Höhe. Eigentlich wollte Norris seine letzte Chance nutzen, die Entscheidung in der Fahrer-WM noch einmal zu vertagen, doch schon im Qualifying mussten sich er und Teamkollege Oscar Piastri mit den Positionen sechs und acht begnügen, und im Rennen ging dann für die beiden nach vorne auch nichts.
Stattdessen fuhr man irgendwann sein eigenes Rennen: Norris lag vor seinem Boxenstopp kurz vor Schluss rund zehn Sekunden hinter Verstappen, und hinter Piastri klaffte zu Hülkenberg dahinter ebenfalls eine zweistellige Sekundenlücke.
Keine Chance auf glatter Piste
"Wir haben mit diesem Auto viel Arbeit vor uns", hadert Norris. "Es ist einfach zu schwierig zu fahren. Es funktioniert unter diesen Bedingungen nicht, und es funktioniert auf vielen anderen Strecken auch nicht, wo wir ähnliche Bedingungen hatten."
Er selbst hatte eigentlich das Gefühl, am Wochenende in Las Vegas sehr gut gefahren zu sein: "Mehr hätte ich nicht herausholen können", behauptet er. "Und wenn ich es versucht hätte, dann wäre ich sicherlich irgendwo in der Wand gelandet."
McLaren und Las Vegas - das war schon 2023 keine Liebesbeziehung. Piastri hatte als Zehnter gerade einmal einen Zähler mitgenommen, Norris war nach einem Unfall ausgeschieden. Zuvor waren beide (!) bereits im Qualifying in Q1 hängengeblieben.
Ganz so schlimm war es in diesem Jahr nicht, trotzdem hatte der MCL38 arge Schwierigkeiten. "Wir müssen den Grund aus technischer Sicht verstehen", sagt Teamchef Stella. "Wir wissen, dass unser Auto generell Probleme hat, wenn der Grip niedrig ist, auf der anderen Seite ist der Grip aber für alle niedrig. Aber einige konnten einfach mehr aus den Reifen holen."
Und wem das gelingt, der habe bei solchen Bedingungen einen enormen Vorteil, meint er. So wie in diesem Fall Mercedes. "Ihr Auto scheint bei niedrigen Gripverhältnissen gut zu sein, und sie können Temperatur und Grip in den Reifen generieren", so Stella, der beobachtet hat, dass die Silberpfeile häufiger im ersten Training stark sind, wenn die Strecke noch schmutzig ist. "Und wenn es mehr Grip gibt, dann performen sie etwas weniger."
Graining an der Vorderachse ein großes Problem
Andersherum scheint es bei McLaren zu sein. "In normaleren Bedingungen, in denen das Auto normalwerweise operiert, ist das Gripniveau deutlich höher", sagt er. Doch auf einer rutschigen Strecke wie Las Vegas geht fast nichts - und die vorgeschriebenen hohen Reifendrücke würden dabei ebenfalls nicht helfen, meint Stella.
Und auch das Graining auf den Vorderreifen bremste McLaren in Las Vegas ein. "Ich beschwere mich schon seit sechs Jahren darüber, aber bislang haben wir es noch nicht ausgebügelt bekommen", hadert Norris. "Wir sind immer eines der schlechtesten Teams, wenn es um Graining auf den Vorderreifen geht."
So war es zum Beispiel in Mexiko, als McLaren ebenfalls nicht die Pace hatte, um zu gewinnen. "Wir waren nicht das schnellste Auto, aber sobald das Graining weg ist, haben wir ein Auto, das schnell genug ist", so der Brite. "Wenn man es managen kann, dann können wir überleben."
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Franco Colapinto (Marc Surer: 4) - "Das war für mich ein Flüchtigkeitsfehler. Dann aber starkes Rennen nach einem 50g-Crash." Fotostrecke
In Las Vegas konnte man das aber nicht, genauso wenig wie in Montreal vor einigen Monaten. "Da haben wir die Vorderreifen einfach zerstört", sagt Norris. Auch dort schien Mercedes übrigens am schnellsten zu sein und hätte das Rennen laut ihm locker gewinnen müssen. "Und so war es dieses Wochenende auch."
"Wir haben Schwächen im Auto, die ich schon lange anprangere, aber sie sind schwierig aus der Charakteristik unseres Autos zu bekommen."
Teamchef Stella hat diese Zeichen natürlich ebenfalls erkannt und will diese für die Zukunft abstellen: "Es sind Informationen, die wir mitnehmen, und dann schauen wir, welche Anpassungen wir vornehmen können, um ein Auto zu designen, das in den meisten Bedingungen gut funktioniert", sagt er.
McLaren in Katar wieder an der Spitze?
Noch muss man aber mit dem Material zurechtkommen, das man hat. Die letzten zwei Rennen muss man noch mitnehmen und hoffen, dass es mit dem ersten Konstrukteurstitel seit 1998 klappt. Ganz so schlecht sind die Aussichten darauf aber nicht, auch wenn man zwölf Punkte auf Ferrari verloren hat und auf einen Gleichstand hinauslaufen würde, sollte das auch in den letzten beiden Rennen so sein.
Denn in Katar werden die Karten wieder neu gemischt. Dort soll nämlich Ferrari große Probleme haben, während McLaren mit mehr Grip wieder vorne mitmischen sollte. Im vergangenen Jahr hatte Oscar Piastri dort auch den Sprint gewonnen und Red Bull dabei eine der wenigen Niederlagen in der Saison zugefügt.
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"Das ist eine Strecke, die unserem Auto entgegenkommt", sagt der Australier, auch wenn er weiß, dass sich in zwölf Monaten eine Menge verändert hat: "Unser Auto ist anders als im vergangenen Jahr. Damals waren wir in allen Highspeed-Kurven unglaublich schnell. In diesem Jahr sind wir immer noch schnell, aber nicht mehr so deutlich wie im vergangenen Jahr."
Er glaubt daher, dass auch andere Teams schnell sein werden, trotzdem geht er "relativ zuversichtlich" in das Wochenende. Norris ist hingegen etwas zurückhaltender und meint, dass Red Bull im Highspeed-Bereich "um Meilen" das beste Auto habe.
"Ich erwarte daher nicht, dass wir die Favoriten sind", sagt er, "aber ich glaube, dass wir absolut ein Auto haben, das deutlich mehr kämpfen kann als am [vergangenen] Wochenende."
Stella: Dürfen nicht von Spaziergang ausgehen!
Auch Stella betont, dass Katar und Abu Dhabi Strecken sein sollten, die dem eigenen Auto deutlich besser entgegenkommen, "aber gleichzeitig müssen wir vorsichtig sein, weil das Niveau der Topteams in der Formel 1 2024 nie dagewesen ist", sagt er. Denn dass vier Teams in einer Saison auf so hohem Niveau agieren, das habe er noch nie gesehen.
Red Bull, McLaren, Ferrari und Mercedes - alle vier waren nicht nur in der Lage, Rennen zu gewinnen, sondern zeitweise haben sie Wochenenden auch dominiert. "Wenn wir denken, dass es jetzt ein Spaziergang wird, dann wird uns die Realität einholen", warnt der Teamchef.
"Wir wissen, dass wir das Potenzial des Autos maximieren müssen, und wenn uns das gelingt, dann sollte das Auto aus Streckensicht viel Zeit in Bedingungen fahren, für die es designt wurde", so Stella. Garantieren kann er das aber nicht, denn auch alle anderen Topteams hätten die notwendigen Informationen, um in Katar gewinnen zu können.
"Es ist also ein sehr interessanter letzter Teil der Saison - mehr als mir lieb ist", sagt er. "Ich versuche immer, dass es langweilig wird, aber das ist hier nicht der Fall."
Am Ende bleibt aber das Ziel: der erste Konstrukteurstitel nach mehr als 25 Jahren. "Das würde jedem eine Menge bedeuten", weiß Piastri. "Für mich ist es definitiv auch cool, dem Team dabei zu helfen, so etwas zu erreichen."
"Natürlich wären wir auch gerne in der Fahrerwertung weiter vorne, aber dort gibt es nicht mehr viel, worum wir kämpfen können. Der volle Fokus liegt daher auf den Konstrukteuren."