"Staubsauger" Brabham BT46B: "Würde an der Decke kleben!"
Brabham-Chefdesigner Gordon Murray erinnert sich an seine Kreation des "Staubsaugers", den Brabham-Alfa BT46B - Niki Lauda gewann damit in Schweden
(Motorsport-Total.com) - Als "Staubsauger" ging er in die Geschichte der Formel 1 ein: der Brabham BT46B. Chefdesigner Gordon Murray, der sich selbst als Revolutionär sieht, ist auch heute noch stolz auf sein Konzept. Er wollte die Lotus-Überlegenheit von Colin Chapman 1978 ausbremsen, indem er den Ground-Effekt auf seine Art umsetzte.
"Die Designer in den 1970er-Jahren waren auf zwei Strömungen aufgeteilt: Entweder du warst evolutionär oder revolutionär. Jene, die auf Evolution setzten, haben sehr solide, gute Autos gebaut. Sie haben einfach geschaut, was andere Leute machen", schildert Murray im Podcast 'Beyond the Grid'.
Er selbst zählt sich zum zweiten Schlag: "Die Revolutionäre, wie Chapman oder auch ich, haben anders gedacht: 'Mir gefällt nicht, was die anderen machen. Lasst uns die Regeln noch einmal durchstöbern und schauen, wo wir uns einen unfairen Vorteil verschaffen können'."
Der Brite fragte sich immer: "Wie können wir das Auto viel besser machen, nicht nur ein klein wenig besser?" Mit diesem Motto ging er auch in die Saison 1978. "Diese Geschichte beginnt mit einer Notwendigkeit, denn Lotus hat 1977 den Ground-Effekt entdeckt mit den sogenannten 'Flügel-Autos'."
Murray war gefordert, er wollte den Ground-Effekt ebenfalls umsetzen. Allerdings war der Alfa-V12 im Heck zu breit und groß dimensioniert. Er bediente sich dennoch des Bodeneffekts mit seitlichen Schürzen, um den Abtrieb und die Geschwindigkeit in den Kurven zu erhöhen.
"Ich sah uns 1978 schon hinter all den anderen Autos, nicht nur hinter Lotus. Ich musste also deren Abtriebslevel auf eine andere Art und Weise treffen oder sogar übertreffen." Deshalb studierte er das Reglement noch einmal ganz genau. "Ich habe ein Schlupfloch gefunden - und daraus wurde das 'Fan Car'."
Der BT46B habe ganz "primitiv" funktioniert, erklärt er. "Es war einfach ein Staubsauger, der hatte also periphere Schürzen und einen 18-Zoll-Ventilator im Heck. Dadurch wurde das Auto auf den Boden gesaugt." Nach dem Vorbild des US-Sportwagens Chaparral 2J verbaute er im Heck tatsächlich einen Ventilator.
Der saugte die Luft unter dem Fahrzeug ab und stieß diese nach hinten aus. Dadurch klebte das Auto auf dem Asphalt. Noch heute ist Murray davon überzeugt: "Das Auto könnte man auf der Decke fahren lassen!" Sein Ansatz wurde für den Grand Prix in Schweden 1978 genehmigt.
"Es ging um Artikel 3.7 des Technischen Reglements", erinnert er sich. "Da stand recht simpel: Wenn ein Teil primär einen aerodynamischen Effekt hat, dann musste dieses Teil stationär am Chassis verbleiben." Murray interpretierte das Wort "primär" so, dass mehr als 50 Prozent der Luft durch einen horizontal angebrachten Kühler gesaugt wurde.
Der Ventilator hatte also vorrangig den Zweck, den Wagen zu Kühlen. "Und weniger als 50 Prozent haben das Auto auf die Strecke gepresst. Daher mussten sie uns fahren lassen." In Anderstorp dann die Überraschung: Niki Lauda gewann das Rennen.
"Sie mussten völlig überdenken, wie sie das Auto fahren. Sogar Niki hat eine Weile gebraucht, um sich daran zu gewöhnen", weiß Murray. "Denn die Kurveneingangsgeschwindigkeit im dritten oder vierten Gang war 30 Meilen pro Stunde [50 km/h] schneller als in einem konventionellen Auto."
Unmut machte sich unter den Konkurrenten breit. "Das ist ein verdammt großartiger Staubsauger. Der schmeißt dir Dreck und Mist in einer höllischen Geschwindigkeit ins Gesicht", polterte Lotus-Rivale Mario Andretti.
Brabham-Teamchef Bernie Ecclestone lenkte auf Druck der Konstrukteursvereinigung FOCA ein und zog das Auto nach nur einem Rennen wieder zurück. Später wurde das Auto offiziell für illegal bewertet, weshalb es bis heute das einzige Modell ist, dass beim einzigen Einsatz siegen konnte.