Wie Pirelli die neuen Reifen für 2026 ohne neue Autos testet
Pirelli steht vor der schwierigen Aufgabe, neue Reifen für die neuen Autos der Formel 1 2026 zu entwickeln, ohne Modelle der neuen Fahrzeuge zu haben
(Motorsport-Total.com) - Pirelli hat den nächsten Schritt in Richtung schmalerer Reifen für die Formel-1-Saison 2026 gemacht und in dieser Woche mit Ferrari und McLaren Testfahrten für härtere Mischungen absolviert. Zwar lagen viele Augen dabei erneut auf Lewis Hamilton im Ferrari, der neben Charles Leclerc sowie Lando Norris und Oscar Piastri im Einsatz war, Zeiten spielten bei dem Test aber keine Rolle.
Pirelli selbst betonte in seiner Pressemitteilung, dass die Rundenzeiten in Barcelona bedeutungslos waren, weil diese stark vom jeweiligen Programm abhingen, das der Fahrer auf Geheiß des Herstellers zu absolvieren hatte.
Zwar dürfte Hamilton von zusätzlicher Zeit im Ferrari des Vorjahres profitiert haben, wenn es um Dinge wie Abläufe, Lenkrad oder Motor geht, den größten Vorteil hat aber Pirelli selbst.
Der italienische Reifenhersteller steht vor der Aufgabe, Reifen zu testen und zu produzieren, die schmaler sind - 25 Millimeter vorne und 30 Millimeter hinten - und einen geringeren Durchmesser haben (von 720 Millimeter auf 705 bis 710 Millimeter vorne und hinten), die jedoch im kommenden Jahr an völlig neuen Fahrzeugkonzepten eingesetzt werden.
Keine repräsentativen Autos
Die Schwierigkeit für Pirelli besteht darin, dass man keine repräsentativen Autos hat, an denen es seine neuen Gummis testen kann, da die neuen Autos für 2026 einen deutlich geringeren Luftwiderstand und weniger Abtrieb durch den Unterboden und den Diffusor aufweisen.
Ursprüngliche Pläne, den Gesamtabtrieb um 40 Prozent zu reduzieren, wurden aufgrund von Bedenken hinsichtlich langsamerer Rundenzeiten auf etwa 15 Prozent abgeschwächt, weshalb die Zeiten nun eher dem aktuellen Leistungsniveau entsprechen dürften.
Die neue Generation von Autos unterscheidet sich jedoch erheblich in der Art und Weise, wie und wo sie Leistung erzeugen. Daher muss sich Pirelli auf die unvollkommene Lösung der sogenannten "Mule Cars", also Testträger, verlassen. Dabei handelt es sich um Autos aus der Zeit zwischen 2022 und 2024 mit getrimmten Flügeln, mit denen man "echte" Daten über den neuen Gummi sammeln möchte.
Nach einem ersten Test mit Aston Martin im September (mit dem Auto von 2022) führten Ferrari und McLaren in Barcelona Tests mit neueren Fahrzeugen durch. Diese hatten deutlich flachere Flügel und völlig flache Hauptebenen - ein Konzept, das man eher in Baku oder Las Vegas als auf dem High-Downforce-Kurs von Montmelo sehen würde.
Die Gesamtabtriebswerte dieser Testautos werden den Spezifikationen für Anfang 2026 relativ nahekommen. Dennoch bleibt es für Pirelli schwierig, die exakten Belastungen der Reifen korrekt zu simulieren.
Daher ist Pirelli darauf angewiesen, von den Teams regelmäßig mit Simulationen versorgt zu werden, um der Entwicklung einen Schritt voraus zu sein.
Regelmäßiger Austausch mit den Teams
"Die ersten Tests dienten vor allem dazu, zu verstehen, wie die Testautos funktionieren, denn sie sind natürlich anders", sagt Pirellis Motorsportchef Mario Isola gegenüber Autosport. "Das Einzige, was wir tun können, ist, die Teams ständig um aktualisierte 2026-Simulationen zu bitten. Wir müssen unser Know-how aktualisieren und unsere Konstruktion entsprechend den Daten, die wir erhalten, auf den neuesten Stand bringen."
"Wir können uns nicht nur auf die Testträger verlassen, denn das wäre nicht sinnvoll. Wir werden ihnen weiterhin ein virtuelles Modell des Reifens zur Verfügung stellen, das sie in ihren Simulatoren verwenden können, und sie kommen mit ihrem Feedback zu uns zurück. Und das ist die richtige Richtung, in die wir weiter gehen sollten", so Isola.
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Sowohl die Verringerung des Abtriebs insgesamt als auch die Änderung der Art und Weise, wie er erzeugt wird, wird maßgeblich beeinflussen, welchen Belastungen die kleineren Reifen des Jahres 2026 ausgesetzt sein werden.
Für Pirelli ist es daher von entscheidender Bedeutung, die innere Konstruktion der neuen Reifen in die richtige Richtung zu lenken. Jede weitere Feinabstimmung kann dann durch die Optimierung der Mischungen erfolgen.
Die Italiener berücksichtigen dabei nicht nur die für 2026 erwartete Leistung, da die Formel-1-Teams zu Beginn eines neuen Reglements immer zu schnellen Steigerungen neigen und Pirelli daher über genügend Spielraum verfügen muss, um später höhere Reifenbelastungen berücksichtigen zu können.
X- und Z-Modus nicht darstellbar
Eine wichtige Herausforderung ist der kommende X-Modus, eine DRS-ähnliche Form der aktiven Aerodynamik, die den Winkel der Front- und Heckflügel auf den Geraden verändert, um höhere Höchstgeschwindigkeiten zu erreichen, im Gegensatz zur Standardkonfiguration, die als Z-Modus bezeichnet wird.
"Wir können diese Abtriebswerte des X- und Z-Modus nicht erzeugen, das ist unmöglich", sagt Isola. "Wir müssen daher herausfinden, was der beste Kompromiss für die Tests ist, wenn wir versuchen, die Daten aus den Simulationen mit den auf der Strecke gesammelten Daten zu korrelieren."
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"Der erste Schritt besteht darin, das Profil und die Konstruktion zu definieren. Nach dem Test mit Aston Martin haben wir eine gute Ausgangsbasis, würde ich sagen. Die Entwicklung der Mischung ist der zweite Schritt", so der Italiener.
"Wir wissen, dass es eine Herausforderung ist, denn die Teams wollen auf keinen Fall Leistungseinbußen im Vergleich zu den aktuellen Autos, und die Reifen sind kleiner, haben eine geringere Belastungsfähigkeit und so weiter. Wir testen auch wieder neue Materialien und neue Ideen, um einen Reifen zu haben, der nicht schwerer ist, aber trotzdem die Belastung aushält und die gleiche Leistung wie die aktuellen Reifen hat."
Situation aus Vorjahren bekannt
Es ist nicht das erste Mal, dass Pirelli mit einer Hand auf dem Rücken einem sich ständig ändernden Ziel hinterherjagt. Isola weist jedoch darauf hin, dass die Herausforderung für 2026 vielleicht etwas einfacher ist als 2017, als die Formel 1 zu größeren und breiteren Autos mit viel mehr Abtrieb wechselte, was damals mit einem Testauto unmöglich zu reproduzieren war.
Auch die Umstellung der Formel 1 auf Fahrzeuge mit Ground-Effect für 2022 war eine Herausforderung.
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"Dies ist eine sehr ähnliche Situation wie für 2017 und 2022, als wir einen komplett neuen Reifen für ein komplett neues Auto entwickeln mussten, es ist also nichts Neues für uns", sagt Isola.
"2016 war es sehr schwierig, denn man erwartete Autos mit viel mehr Abtrieb und die Performance war fünf oder sechs Sekunden schneller als im Vorjahr, also war es unmöglich, diese Leistung zu simulieren."
"Aber die Art und Weise, wie man die Last mit den aktuellen Autos erreicht, ist völlig anders als zum Beispiel mit dem neuen Auto. Und auf den Geraden haben wir jetzt viel Last, während wir im Jahr 2026 bei hoher Geschwindigkeit weniger Last haben sollten. Der Vergleich ist also nicht derselbe."