Formel 1 2018: Mercedes sieht Red Bull als Hauptgegner
Nach sechs von insgesamt acht Testtagen des Formel-1-Winters 2018 gibt es erste ernsthafte Rundenzeiten und bei Mercedes den Verdacht eines neuen starken Rivalen
(Motorsport-Total.com) - Red-Bull-Pilot Daniel Ricciardo fuhr am Mittwoch in Barcelona die bisher schnellste Runde des Formel-1-Winters 2018. Doch nicht nur das. Mit einer Zeit von 1:18.047 Minuten legte der Australier am Steuer des RB14 die schnellste jemals gefahrene Runde auf der aktuellen Konfiguration des Circuit de Barcelona-Catalunya hin. Unterm Strich hatte Ricciardo mit seiner Fabelzeit einen Vorsprung von 0,353 Sekunden auf Titelverteidiger Lewis Hamilton im Mercedes F1 W09.
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Daniel Ricciardo fuhr am drittletzten Testtag eindrucksvoll Bestzeit vor Lewis Hamilton Zoom Download
Hinter Hamilton, der im Gegensatz zu Ricciardo nur am Vormittag unterwegs war, belegte Valtteri Bottas dank seines Nachmittagseinsatzes im Mercedes den dritten Rang. Der Finne lag etwas mehr als eine halbe Sekunde hinter Ricciardo zurück. Allerdings waren sowohl Hamilton als auch Bottas mit den Ultrasoft-Reifen unterwegs.
Ricciardo staunt: Kurve 9 geht problemlos voll
Im Gegensatz dazu legte Ricciardo die Tagesbestzeit mit der weichsten Mischung im Pirelli-Kontingent - Hypersoft - hin. Dabei stieß der Red-Bull-Pilot insbesondere in der schnellen Rechtskurve gegenüber der Start-Ziel-Gerade an die Grenzen der Fliehkräfte, wie er eindrucksvoll schildert: "Schneller ging es dort nicht. Ich bin Kurve 9 voll gefahren und hatte dabei das Gefühl, dass mein Kopf auf die Tribüne fliegen will".
Fuhr Ricciardo Kurve 9 grundsätzlich voll? "Nicht immer, aber sobald die Hypersoft-Reifen montiert sind, ist der Grip und Abtrieb dieser Autos wirklich beeindruckend. Man lenkt einfach ein und hält das Lenkrad fest. Ich erinnere mich noch, dass wir vor ein paar Jahren vor Kurve 9 sogar einen Gang runterschalteten."
Mercedes ist gewarnt
Bei Mercedes ist man ungeachtet der Tatsache, dass weder Hamilton noch Bottas am Mittwoch mit Hypersoft unterwegs waren, gewarnt. "Es gibt drei schnelle Teams. Und es besteht kein Zweifel daran, dass Red Bull dieses Jahr einer unserer Gegner sein wird", so Mercedes-Technikchef James Allison gegenüber 'Sky Sports F1'. Nach vier Jahren in Folge mit jeweils zwei WM-Titeln hat man im Lager der Silberpfeile nun also nicht nur Ferrari auf der Rechnung, wenn es darum geht, wer im WM-Kampf 2018 eine entscheidende Rolle spielen kann.
"Je länger die Wintertestfahrten dauern, desto besser versteht man die Kräfteverhältnisse", sinniert Allison und merkt an: "Doch selbst jetzt, bei nur noch zwei verbleibenden Testtagen, gibt es noch kein komplett klares Bild. Es ist nicht möglich zu sagen, ob wir die Nase noch vor ihnen haben oder ob sie ihre Nase vor uns haben. Fest steht nur, dass es eng zugeht."
Niki Lauda sieht es wie Allison. "Bis jetzt sieht es nach einem Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Red Bull und uns aus", sagt der Aufsichtsratsvorsitzende des Mercedes-Teams gegenüber 'auto motor und sport' und fügt hinzu: "Ferrari können wir schwer einschätzen, weil sie ein anderes Programm fahren."
Ricciardo bekräftigt Laudas Aussagen auch aus Red-Bull-Sicht: "Ich bin recht zuversichtlich, dass Mercedes nur knapp vor uns liegt. Ich gehe davon aus, dass wir deutlich näher dran sind als im vergangenen Jahr. Bei Ferrari bin ich mir aber nicht sicher. Ich weiß nicht, wo Ferrari einzuordnen ist.
Kann Red Bull noch zulegen?
In den Augen von Mercedes freilich ist derzeit nicht nur Ferrari noch nicht komplett einschätzbar. Gleiches gilt nämlich für Pace-Setter Red Bull. "Ich kenne ihre Motorenpläne nicht, aber wenn ich mir das Auto so anschaue, würde ich sagen, dass es bei ihnen bis Melbourne wohl noch ein paar neue Teile gegen wird", so Allison mit Blick auf den RB14.
Ricciardo bestätigt dies indirekt, indem er nach seiner Bestzeit betont: "Wir nahmen am Vormittag ein paar Veränderungen vor und jede Veränderung schien sich positiver als negativer auszuwirken. Ich glaube, wir haben das Auto heute schneller gemacht. Ich glaube noch immer, dass wir noch etwas finden müssen, um es ernsthaft mit Mercedes aufnehmen zu können, aber momentan liegen wir nicht zu weit zurück. Das ist positiv."
Doch nicht nur das ist aus Red-Bull-Sicht positiv. Mit 165 zurückgelegten Runden war der Tagesschnellste Ricciardo auch der fleißigste Fahrer des Tages. Rechnet man bei Mercedes das Pensum von Hamilton und Bottas zusammen, liegen sie mit 175 Runden zwar knapp über der Ricciardo-Marke. Das lag aber nicht zuletzt daran, dass Ricciardo die Rennsimulation am Nachmittag kurz unterbrach. Ungeachtet dessen hält der Australier zufrieden fest: "Die Zuverlässigkeit stimmt."
Dreikampf um den WM-Titel 2018?
Red Bulls Chef-Renningenieur offenbart in diesem Zusammenhang: "Gestern war Daniel nicht ganz fit. Das sind austrainierte Jungs, aber wenn du nicht in Topform bist, ist es ziemlich beeindruckend, so ein Pensum abzuspulen und dazu noch eine 1:18er-Zeit zu fahren. Hut ab! Morgen werden wir mit Max das gleiche Programm fahren." Sprich: Der angesprochene Max Verstappen soll am Donnerstag ebenfalls zunächst eine Qualifying- und anschließend eine Rennsimulation fahren.
Was die Kräfteverhältnisse betrifft mit Blick auf den Saisonauftakt am 25. März in Melbourne betrifft, so rechnet man beim Platzhirsch der vergangenen Jahre auch dort noch nicht mit einem glasklaren Bild. "Man muss zunächst verstehen, wo die Stärken und Schwächen der einzelnen Teams liegen", meint Mercedes-Technikchef Allison und stellt mit Verweis auf einem möglichen WM-Dreikampf zwischen Mercedes, Red Bull und Ferrari die Frage: "Wird der Abstand so groß sein, dass man an einem schwächeren Wochenende auf Rang drei in Reihen der Teams und auf Rang sechs in Reihen der Fahrer zurückfällt?"