Williams-Auferstehung: Vom Sorgenkind zum Kilometerkönig
Williams begann die Formel-1-Testfahrten 2017 in Barcelona mit Pech und Drehern - Umso besser lief die zweite Woche mit Longruns und Tagesbestzeit
(Motorsport-Total.com) - An Spott hat es gegen das Williams-Team nach der ersten Testwoche wahrlich nicht gemangelt. Insbesondere Lance Stroll musste sich viel Kritik anhören, nachdem er den Williams FW40 gleich dreimal im Kiesbett versenkte. Mit den drittwenigsten Kilometern und der sechstbesten Zeit sah die Welt in Grove alles andere als rosig aus. Doch in der zweiten Woche wendete die Mannschaft von Clair Williams das Blatt: Eine Tagesbestzeit und die meisten Kilometer aller Teams für Felipe Massa und Stroll.
2.727,83 Kilometer oder neun Renndistanzen spulte das Williams-Team in der zweiten Testwoche ab, die meisten Kilometer von allen zehn Teams (Alle Statistiken zur zweiten Woche der Formel-1-Testfahrten in Barcelona 2017). "Alles in allem würden wir mit einem guten Tag morgen genau das erreichen, was wir uns vor acht Tagen vorgenommen haben", sagte Rob Smedley am Donnerstag. Und das Williams-Team erlebte am Freitag einen weiteren problemlosen Tag. Stroll komplettierte 131 Runden und war somit wieder Klassenbester.
Seine Zeit von 1:20.335 Minuten brachte ihm zwar nur die neuntbeste Zeit des Tages ein, doch der junge Kanadier hätte genauso gut Dritter sein können. "Ich war auf einer Killer-Runde, aber habe es in Kurve 13 weggeschmissen", sagt er. "Ich war schon acht Zehntelsekunden vorn. Es wäre ungefähr eine 1:19.5 geworden. Aber was soll's, es sind Testfahrten. Es hat Spaß gemacht, den Grip auf den Ultrasofts zu spüren." Wichtiger waren für ihn die Longruns am Nachmittag. "Wir können viel von dem, was wir da gelernt haben, nach Australien mitnehmen", freut sich der Rookie.
Gewaltprogramm vollständig durchgezogen
Doch wie viel konnte das Williams-Team nun wirklich von seinem Rückstand aus der ersten Testwoche aufholen? Alles, wenn man Rob Smedley glaubt: "Alles ist so neu, da kann man nicht mit acht problemlosen Tagen kalkulieren. Ja, wir mussten das Programm für die zweite Woche leicht anpassen, aber ich glaube nicht, dass wir zurückliegen. Wir wollten, dass sich beide Fahrer auf die 2017er-Autos einstellen. Das haben wir erreicht." Stroll und Massa betonten, dass sie sich sehr wohl im Auto fühlten. Letzterem kommt die neue Fahrzeuggeneration sogar sehr entgegen.
Chefingenieur Smedley zufolge ist die wichtigste Erkenntnis der Testfahrten, dass das Auto erstens zuverlässig ist und zweitens keine fundamentalen Probleme hat, wie sie etwa bei McLaren vorliegen. "Diese Saison wird ein Entwicklungsrennen", begründet er. "Und wenn man erst einmal Basisprobleme beheben muss, dann zwackt das Ressourcen von der Entwicklung ab. Wir haben solche Probleme nicht und können uns darauf konzentrieren, so schnell wie möglich Weiterentwicklungen ans Auto zu bekommen. Wir haben eine ausgezeichnete Basis."
Williams musste sich Kritik gefallen lassen, weil man keine Ersatzteile in der ersten Woche dabei hatte, als ein 18-jähriger Neuling zum ersten Mal im Cockpit saß. Smedley verteidigt die Entscheidung: "Jedes Team hat nur eine begrenzte Anzahl von Teilen (die es im Winter herstellen kann; Anm. d. Red.). Wir wollen die Teile so spät wie möglich anfertigen, um die letzte Ausbaustufe zu haben." Williams ließ Ersatzteile mit einem Privatjet einfliegen, weil es mit einem Linienflug zu lange gedauert hätte.
Schwächen der Vorgängermodelle ausgebügelt
Zwei große Schwächen der Autos der vergangenen Jahre hat Williams ausgemerzt, dessen ist sich Smedley sicher. Nachdem das Traditionsteam auf langsamen Kursen wie Monaco zuletzt erschreckend schwach aussah, wurde intensive Arbeit betrieben, um der Sache auf den Grund zu gehen. "Die Früchte dieser Arbeit werden wir jetzt ernten", glaubt er. Das neue Reglement tut ein Übriges dazu. "Wir waren in Sektor drei hier in den vergangenen drei bis vier Jahren noch nie so stark", jubelt der Brite. "Natürlich darf man bei aller Konzentration auf die Schwächen nicht die anderen Teile des Fahrzeugs vergessen."
Auch das Problemthema Reifenverschleiß sollte der Vergangenheit angehören: Erstens, weil der Umgang des Williams FW40 mit den Pirellis speziell auf der Hinterachse wesentlich sanfter ausfällt. Und zweitens, weil die Reifen ohnehin haltbar sind wie Diamanten. "Wir könnten noch vieles probieren, nur schränkt uns die begrenzte Testzeit ein", findet Lance Stroll. Das gilt allerdings für alle Teams.
Williams kann mit einem beruhigten Gefühl in den Großen Preis von Australien 2017 gehen. Das Auto ist zuverlässig und hat bislang auf keinem Reifentypen Schwächen gezeigt. Felipe Massa dämpfte am Mittwoch die Erwartungen, als er sagte, dass Williams nicht auf demselben Niveau wie Mercedes sei. Podiumsplätze seien aber sehr wohl das Ziel. Teamkollege Stroll sieht es entspannter: "Für Australien müssen wir ruhig bleiben und sollten uns keine Positionsziele setzen. Wir sollten einfach unser Ding durchziehen."
Mit seinen Fehlern aus der ersten Testwoche hat der Formel-3-Europameister schnell abgeschlossen: "Dinge passieren im Motorsport, aber man muss zurückschlagen. Und das ist uns diese Woche gelungen. Um Kritiker kümmere ich mich gar nicht erst. Wir hatten leichte Probleme, aber die sind Vergangenheit. Was zählt, ist die Gegenwart."