"Transformer" McLaren: Viele Änderungen, viele Fragezeichen
Viele Änderungen am Motor, viele Änderungen am Auto: Bis Melbourne ändert sich bei McLaren einiges, nur die Fragezeichen bleiben bis dahin bestehen
(Motorsport-Total.com) - "Ich weiß, dass ich nichts weiß" - dieses berühmte Zitat der griechischen Philosophen Sokrates lässt sich in diesen Tagen auch auf das McLaren-Team anwenden. Dass Mercedes vorne sein wird, lässt sich bereits jetzt absehen, doch wo sich der Rennstall von Ron Dennis einsortieren wird, ist ein großes Rätsel. Zwar erklärt Rennleiter Eric Boullier immer, dass er "glücklicher" sei, doch das ist angesichts der Leistung im Vorjahr nicht wirklich schwierig umzusetzen.
Ansonsten herrschen derzeit noch viele Fragezeichen. McLaren tüftelt und probiert und besitzt eigentlich ständig ein neues Auto. Diverse Motorenspezifikationen wurden bereits getestet, und auch der MP4-31 bekommt stets neue Aerodynamik-Upgrades. "Heute hatten wir einen neuen Heckflügel, Unterboden, Bremsschächte, Frontflügel - in Melbourne wird es ein neues Auto sein", meint Boullier nach dem gestrigen sechsten Testtag.
Zumindest deuten die Zahlen von der Strecke darauf hin, dass das Auto wie vorgesehen performt. "Wenn die Korrelation stimmt, dann sollten wir ein gutes Auto haben", meint der Rennleiter, tappt bezüglich der Erwartungen aber ebenso im Dunkeln: "Wir müssen erst schauen, wie gut die anderen sind." Die Testfahrten in Barcelona sind dafür zwar ein erster Indikator, doch weil es so viele Parameter gibt, lässt sich das Kräfteverhältnis vor Melbourne kaum vorhersagen.
Motor: Erst Zuverlässigkeit, dann Performance
Beispiel Motor: Mit den verschiedenen Ausbaustufen von Honda versucht McLaren derzeit Zuverlässigkeit und Performance zu verbessern, weil man noch nicht dort ist, wo man diesbezüglich sein möchte. Die Architektur des Antriebs steht zwar fest, doch über die Mappings ist immer noch Spielraum. "Das Problem mit der Power-Unit ist, dass man viel mit den Mappings spielen kann, was einen großen Unterschied ausmachen kann", so Boullier bei 'Sky Sport F1'. "Solange wir aber bei der Zuverlässigkeit nicht absolut auf der sicheren Seite sind, müssen wir vorsichtig sein."
Jenson Button, der den gestrigen Tag auf dem fünften Rang abschloss, kann die Unterschiede der neuen Power-Unit spüren, weiß aber ebenso, dass an den letzten beiden Testtagen noch viel Arbeit auf McLaren wartet, um bereit für das erste Rennen in Melbourne zu sein. Dabei geht es wie immer um zwei Parameter: Zuverlässigkeit und Performance. "Die Elektronik und das Verständnis der Fahrer über die Einstellungen sind im Griff, dafür haben wir noch nicht genug Setup-Arbeiten gemacht, um das Auto feinzutunen", sagt der Brite.
Denn natürlich muss nicht nur der Motor auf dem besten Stand sein, auch das Chassis, dessen Stärke im vergangenen Jahr immer wieder betont wurde, spielt eine große Rolle. "Es ist gut, auch wenn noch viel Arbeit notwendig ist, damit es konkurrenzfähig ist. Hoffentlich können wir in den zwei Tagen noch mehr über das Auto lernen und ein Setup finden, das damit funktioniert", spricht Button über die Arbeitscheckliste für Donnerstag und Freitag. Mit den neuen Aero-Paketen, die bis Melbourne an das Auto kommen sollen, scheint McLaren seine Hausaufgaben zumindest zu erfüllen.
Prognose: Wo McLaren ist, ist nicht ganz vorne
Für was es dann beim Saisonauftakt im Albert Park reichen wird, wird die Zukunft zeigen. Eine Prognose möchte man eigentlich noch nicht abgeben, nachdem man mit den großspurigen Ankündigungen des Vorjahres auf die Nase gefallen war. Zumindest geht man nicht davon aus, 2016 ganz vorne einzugreifen. Auf Mercedes schaut man nicht, "weil wir weit hinter ihnen sind. Die ersten zwei oder drei Teams sind für uns nicht relevant", sagt Button.
Fotostrecke: Formel-1-Autos 2016 im Vorgänger-Check
Wir zeigen die 2015er und die 2016er Modelle der Formel-1-Teams im direkten Foto-Vergleich und beginnen mit den Weltmeistern. Mercedes hat mit dem neuen Silberpfeil W07 gegenüber dem W06 kleine Verbesserungen verpasst. Auffällig: Der Lufteinlass der Airbox ist bulliger. Fotostrecke
Auch bei Eric Boullier ist bezüglich des Blicks in die Glaskugel ein Reißverschluss vor dem Mund: "Wir wissen nicht, wo wir stehen, und unser Auto hat so viel Potenzial, das wir noch freimachen müssen, dass ich es nicht sagen kann", erläutert der Franzose, der weiß, dass er nach dem Seuchenjahr 2015 unter großem Druck steht. "Klar ist, dass wir erheblich besser sein müssen als 2015, das sollte einfach sein, weil wir viel zu weit hinten waren. Unser Ziel ist es, immer in Q3 zu kommen und in die vorderen Punkteränge zu fahren."
Doch das könnte eher Zukunftsmusik sein als ein zeitgenössischer Song der Gegenwart. Für den Auftakt in drei Wochen werden jedenfalls erst einmal leise Töne gespielt: "Das Mittelfeld ist ziemlich konkurrenzfähig, von daher sollte das erste Rennen wenigstens Spaß machen", sagt Button, "auch wenn wir unser ultimatives Ziel nicht erreichen - zu gewinnen." Bleibt für McLaren zu hoffen, dass am Ende nicht wieder das Klagelied erschallt.