• 24. Februar 2016 · 12:35 Uhr

Fahrer oder Auto: Wer geht bei Mercedes zuerst in die Knie?

Die Weltmeister von Mercedes liefern in den ersten Testtagen beeindruckende Kilometerzahlen - Das scheint mehr an den Piloten als am Auto zu zehren

(Motorsport-Total.com) - Die Boliden für die Formel-1-Saison 2016 sind (fast alle) fertig. Nun geht es darum, während der wenigen Testtage das Paket so schnell wie möglich zu machen. Der Mercedes ist aber schon schnell. Der von Lewis Hamilton und Nico Rosberg pilotierte W07 ist in Barcelona deshalb nicht auf Zeiten- sondern auf Kilometer-Rekordjagd. Die 328 Runden (über 1.500 Kilometer!) der ersten beiden Testtage zerren dabei bereits an den Fahrern. Derweil wartet man in der Garage darauf, dass das Auto endlich den Geist aufgibt.

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Dauerläufer: Der Mercedes W07 zeigt bisher keine Zuverlässigkeitsprobleme Zoom Download

"Wir haben tatsächlich einen Marathon hinter uns", so Rosberg, der am Dienstag den Rekordwert von 172 Runden fuhr und Mittwochmorgen bereits wieder am Steuer saß. "Fakt ist, dass wir momentan alles tun müssen, um so viele Kilometer wie möglich abzuspulen. Nur so kann man die Schwächen des Autos aufdecken. Irgendwann wird das Auto mal aufgeben und dann weiß man, ab wann der Zerfall einsetzt. Jetzt, wo das Testen so limitiert ist, ist das noch wichtiger geworden."

Der amtierende Vizeweltmeister bestätigt damit das unglaubliche Testziel: das Auto kaputt fahren! "Wir müssen wissen, nach wie vielen Kilometer welche Teile aufgeben", erklärt er. "An dieses Limit müssen wir unser Auto in nur acht Tagen bringen. Dann können wir in der Fabrik analysieren, wie wir die Lebensdauer der Teile verlängern können. Es ist besser, wenn man solche wichtigen Faktoren schon vor der Saison klären kann."

"Mehr Kilometer abgespult als geplant"

Damit die Konkurrenz nicht nur vor dem Speed des Silberpfeils erzittert, sondern auch jegliche Hoffnung auf einen Ausfall der Titelverteidiger verliert, setzt man bei Mercedes auf Perfektion . Dabei ist man teilweise selbst überrascht, wie gut das klappt.

"Wir haben mehr Kilometer abgespult als geplant, darüber bin ich sehr glücklich", so Technikchef Paddy Lowe. "Es sind mehr Kilometer als wir jemals mit dem V6 an einem Tag abgespult haben. Wir arbeiten hart hinter den Kulissen, um die Latte noch höher zu legen, wie gut wir das Fahrzeug designen und wie gut wir seine Upgrades testen, sodass sie sofort funktionieren, wenn wir sie auf die Strecke bringen. Das ist ein Prozess, der jedes Jahr besser geworden ist. Wie man sieht, werden die Fahrzeuge jedes Jahr standfester. Das ist das Ergebnis guter Ingenieursarbeit."

Rivalen und Zuschauer, die auf mehr Abwechslung und weniger silberne Dominanz in diesem Jahr hoffen, sehen ihre Felle bereits wegschwimmen. Nicht nur das Chassis scheint auf stabilem Fuß zu stehen, auch das Mercedes-Herz schlägt im zuverlässigen Takt. Das erklärt Motoren-Verantwortlicher Andy Cowell auch am Beispiel der Kundenteams Williams und Force India, die am Dienstag ebenfalls auf über 100 Runden kamen, und an Neukunde Manor, denen immerhin schon insgesamt über 120 Runden in den ersten beiden Tagen gelangen.

Hamilton klagt über Muskelkater

"Vier Fahrzeuge sind mit der jüngsten Spezifikation und den neuesten Schmiermitteln unterwegs gewesen", betont Cowell dabei die neue Gleichberechtigungs-Linie. "Es geht darum, so viele Runden wie möglich abzuspulen und Probleme möglichst frühzeitig festzustellen. Wir haben neue Teams wie Manor. Dass dieses Team aus dem Stand über 50 Runden absolviert hat, ist ein Indikator für einen guten Start."


Paddy Lowe: Mercedes will alle Bereiche optimieren

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Technisches Briefing mit Paddy Lowe über den neuen Mercedes F1 W07 Hybrid. Weitere Formel-1-Videos

Wenn technologisch, mechanisch und maschinell alles rund läuft, wird am Ende aber vielleicht wieder der menschliche Faktor eine Rolle spielen. Denn der zeigt bei den Tests die ersten Schwächen. So stellte Mercedes bereits seinen Belegungsplan um. Statt sich Tag für Tag abzuwechseln, teilen sich Rosberg und Hamilton jetzt das Tagespensum. Deshalb fährt Rosberg am Mittwochmorgen und übergibt das Cockpit am Mittag an seinen Teamkollegen. Am Donnerstag soll es umgedreht vonstattengehen - damit "die Jungs bis Melbourne fit bleiben", twittert das Team.

"Ich fühle mich gut, aber die Muskeln schmerzen", gab Hamilton am Dienstagabend zu. "Wenn man zum ersten Mal wieder in ein Formel-1-Auto steigt, macht es keinen Unterschied, wie sehr man trainiert hat. Es ist wie ein Workout, wenn man Monate lang nicht im Fitnessstudio war. Dann bekommt man eben Muskelkater. Ich merke vor allem meinen Nacken, wegen der g-Kräfte."

Limitierte Testtage sind schuld

Interessant daran: Hamilton hat nach seinen 154 Runden vom Montag eineinhalb Tage zum Ausruhen, während Rosberg nach über 800 Kilometern am Dienstag gleich wieder loslegen musste - ohne sich zu beschweren. Über die sozialen Medien hatte der dreimalige Weltmeister aber auch in den Tagen vor den Tests über Unwohlsein geklagt. An der Teststrecke kam er am Morgen ganz lässig mit Hund und futuristischem Gerät an.

Aber auch Hamilton weiß: Bis zum Saisonstart sind es keine vier Wochen mehr und die Testtage sind limitiert: "Ende 2006 und Anfang 2007, als ich in die Formel 1 kam, hatten wir noch 15 bis 20 Testtage. In diesem Jahr haben wir acht. Das bedeutet, ich bekomme nur vier Tage vor dem ersten Rennen. Das ist nicht gerade viel. In der kurzen Zeit müssen wir mehr Kilometer abspulen, um das Auto zu prüfen. Normalerweise geht das Auto in den ersten Tagen auch mal in die Knie. Aber im Moment läuft es einfach immer weiter. Das ist unglaublich."

"Wenn jetzt ein Auto wesentlich schneller wäre als alle anderen, dann hätte man wohl eine klare Antwort, aber dem ist nicht so."Paddy Lowe
"Wir versuchen einfach, dasselbe in zwei Dritteln der Zeit zu absolvieren", erklärt auch Lowe. "Das heißt also mehr Kilometer an einem Tag abspulen als wir es vergangenes Jahr getan haben. Gleichzeitig wollen wir denselben Lernprozess durchmachen. Die Zeit zwischen dem ersten Test und dem ersten Rennen ist deutlich geringer als es in der Vergangenheit der Fall gewesen ist. Das bedeutet auch, dass man zwischen dem Launch und dem ersten Rennen weniger Upgrades ans Auto bringen kann."

Tests mit Vorsicht zu genießen

Die Bestzeiten gingen bisher an Ferrari, die Standfestigkeit bewies Mercedes. In beiden Fällen ist es aber noch zu früh, ein Bild für die bevorstehende Saison daraus zu zeichnen.

"Man bekommt schon ein gewisses Bild, aber nichts Definitives", warnt Lowe. "Man sieht es ja an einem Rennwochenende: Die Zeiten am Freitag geben nicht zwangsweise die Startaufstellung wieder. Wir können es hier nicht eindeutig bemessen, weil alle mit unterschiedlichen Spritmengen auf unterschiedlichen Reifen unterschiedliche Programme fahren. Wenn jetzt ein Auto wesentlich schneller wäre als alle anderen, dann hätte man wohl eine klare Antwort, aber dem ist nicht so."

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