McLaren nach dem Debakel: Hoffnung heißt weiter Honda
Das Debüt des MP4-30 in der Analyse: Leidet der McLaren unter Kinderkrankheiten oder geht das Team am Stock? Fuhr das Auto in Jerez ganz ohne Hybrid?
(Motorsport-Total.com) - Angesichts desolater Rundenzeiten und mickriger Kilometerbilanzen bei den Testfahrten in Jerez in den vergangenen Tagen könnte McLaren für Piloten, Mechaniker und Fans eine Wagenladung Antidepressiva bereitstellen. Die Technokraten aus Woking ziehen es vor, zuversichtlich zu bleiben und lassen sich von den Ereignissen genauso wenig aus der Ruhe bringen wie Fernando Alonso und Jenson Button. Die Botschaft: Alles erwartete Kinderkrankheiten, keine fundamentalen Probleme.
Und im Handumdrehen beseitigt? So simpel scheint die Sache dann doch nicht zu sein. "Wir haben ein paar Dinge lösen können, aber schleppen auch noch ein paar Sorgen mit uns herum - einige davon liegen bei Honda, andere liegen bei uns", sagt Matt Morris. Der Ingenieursdirektor spricht von einem klaren Plan, um bis Melbourne auf der Höhe zu sein. Kernelemente des Antriebs sind nicht betroffen, vielmehr geht es um Nebenkriegsschauplätze wie Kabelstränge oder Ölleitungen.
Da passt es gar nicht ins Bild, dass im Fahrerlager von Jerez das Gerücht die Runde machte, dass der MP4-30 in Jerez ausschließlich auf dem Verbrennungsmotor gelaufen sein soll, die anfälligen Hybridsysteme also noch gar nicht in Betrieb waren. Auf die Frage, ob das ERS funktioniert, weicht Morris aus. "Ja, alles funktioniert recht gut", sagt der Brite, ohne von einem tatsächlichen Einsatz zu sprechen. "Es geht für uns im Moment darum, die Betriebsstrategien herauszufahren."
Keine Sprachbarrieren zwischen McLaren und Honda
Also noch einmal die gleiche Arbeit wie im Vorjahr, weil für Honda alles neu ist. Morris kommt wieder auf die Kleinigkeiten mit großer Wirkung zurück: "Es lag einfach nur am falschen Füllstand des Öls. Das hat uns zwei Stunden gekostet", erinnert er sich an einen wenig erfolgreichen Mittwochvormittag. Allerdings machte schon Renault die Erfahrung, dass winzige Defekte den kompletten Testbetrieb aufhalten und es so verhindern, dass an wichtigen Sachen gearbeitet wird.
Morris räumt ein, zumindest vom Ausmaß der Pannenserie überrascht worden zu sein: "Nach Abu Dhabi (wo McLaren beim letzten Test 2014 erstmals mit Honda-Power ausrückte; Anm. d. Red.) wussten wir von zwei oder drei grundlegenden Problemen, die wir für den Test hier aber aussortiert hatten. Wir waren zuversichtlich, dass wir hier ansatzweise problemfrei fahren könnten." Er lobt das Verhältnis zu Honda als enger als das zu Mercedes und spricht von schnellen Lösungen.
Morris: "Das können wir alles aufholen"
Verständigungsprobleme mit den Japanern gäbe es nicht: "Die Honda-Ingenieure an der Strecke sprechen alle ein sehr gutes Englisch - kein Problem." Morris sieht es nicht als Problem an, dass die Distanz zwischen Woking und dem Honda-Hauptsitz in Tokio so groß ist wie bei keinem anderen Team und seinem Antriebspartner - von der üppigen Zeitverschiebung ganz zu schweigen. Den Ablauf in der Kommunikation und bei der Behebung von Problemen beschreibt er als reibungslos.
"Die Erkenntnisse gehen an Honda. In Japan reagiert man und bringt neue Teile. Das wird bei den kommenden Tests genauso laufen", blickt er voraus. McLaren hat den Wechsel des Partners zum Anlass genommen, auch an Teilen fernab des Antriebsstrangs Dinge zu verändern, die das Team aus der Krise führen sollen. Viele Elemente waren aber zum Ende des vergangenen Jahres in ähnlicher Form im Einsatz. Bei der Hinterradaufhängung gibt es laut Morris mehr "Spielraum, um verschiedene Dinge ausprobieren zu können".
Das betrifft zum Beispiel Bremsbelüftungen oder Dämpferkonfigurationen. Unverändert geblieben sind allen voran Teile, die nicht leistungsrelevant sind. So will McLaren finanzielle und personelle Ressourcen sparen, schließlich sitzt das Geld in Abwesenheit eines Hauptsponsors in Woking nicht locker. "Gut ist, dass wir keine riesigen vor uns Brocken haben, die wir aus dem Weg räumen müssten", meint Morris und verweist darauf, dass es nicht nötig ist, Kernkomponenten wie etwa die Kühler komplett zu novellieren. Mit der schlanken Bauform im hinteren Teil des Autos sei sogar eine Punktlandung gelungen: "Das können wir alles aufholen."