"Gutes Zeichen", aber: Vettel relativiert Bestzeit
Noch kein Kosename für das neue Chassis, aber ein gelungener Testauftakt für Sebastian Vettel: "So viele Runden sind uns noch nie gelungen"
(Motorsport-Total.com) - Man muss kein Formel-1-Experte sein, um einschätzen zu können, wie wenig die Bestzeit am ersten Tag der Wintertestfahrten zu bedeuten hat. Aber fest steht auch: Man kann einen schlechteren Start erwischen als Weltmeister Sebastian Vettel mit dem neuen Red-Bull-Renault RB7. Der Deutsche sicherte sich heute in Valencia die Tagesbestzeit, fast eine Sekunde vor dem zweitschnellsten Neuwagen (Fernando Alonso im Ferrari).
"Es war der erste Tag, in den darf man nicht zu viel hineininterpretieren", relativiert Vettel. "Wir konnten aber sehr viele Runden fahren, 93 Stück. Das ist uns - soweit ich weiß - bisher noch nie gelungen. Es waren ja nur zehn Wochen seit Abu Dhabi. In der Zeit ein Auto zu bauen, an die Strecke zu bringen und direkt so viele Runden zu fahren, ist ein gutes Zeichen. Aber vorschnell irgendwelche Schlüsse zu ziehen, wäre falsch."
Kein Gedanke an Titelverteidigung
Dementsprechend empfindlich reagiert er auf Fragen nach der erfolgreichen Titelverteidigung: "Das Ende des Jahres ist noch sehr weit weg, wir haben ja gerade erst angefangen", winkt der 23-Jährige ab. "Wir packen das an wie immer, Schritt für Schritt, und versuchen, uns stetig zu verbessern. Heute war ein wichtiger Schritt, ein guter Auftakt - aber mehr auch noch nicht. Man muss erstmal die Füße auf dem Boden lassen und langsam weitermachen."
"Es war ein sehr guter Tag für uns. Gegen Mitte des Tages kamen wir richtig ins Rollen. Das hat auch sehr viel Spaß gemacht, daraus mache ich gar keinen Hehl". strahlt Vettel, der um 10:05 Uhr Ortszeit, also knapp eineinhalb Stunden nach der Präsentation des RB7, erstmals auf die Strecke gegangen war und um kurz nach 14:00 Uhr die Führung übernommen hatte. Diese gab er in 1:13.769 Minuten bis zum Ende nicht mehr ab.
"Was den Speed angeht, ist es am ersten Tag besser, wenn man ganz oben ist als ganz unten - das streite ich nicht ab", räumt der Wahlschweizer ein. "Aber es heißt glaube ich noch nicht allzu viel. Heute ging es darum, alles zu checken, ob wirklich alles hält. Das Auto ist wirklich neu und hat nicht wirklich viel mit dem letztjährigen zu tun, was die ganzen Teile angeht. Von daher ist wichtig, dass das alles erst einmal funktioniert hat."
"Was am ersten Tag entscheidend ist, ist die Zuverlässigkeit. Das kann man nicht viel besser machen, denn wir hatten keine Probleme. Was den Speed angeht, ist es schwierig zu beurteilen, aber ein bisschen weiter oben zu stehen, ist tendenziell besser, als ein bisschen weiter unten zu stehen. Aber jetzt vorschnell zu sagen, dass dieses Jahr ein Spaziergang wird, dafür ist das Jahr noch viel zu frisch und der Weg viel zu weit. Da liegt noch sehr viel Arbeit vor uns - das wissen wir auch", ergänzt er.
Am wichtigsten war für den leidenschaftlichen Rennfahrer, nach der Winterpause endlich wieder im Formel-1-Auto zu sitzen. Sein neues Arbeitsgerät unterscheidet sich optisch doch deutlich vom Vorgängermodell - nicht nur wegen der Startnummer eins des Weltmeisters, sondern auch wegen des neuen Diffusors und der zusätzlichen Knöpfe am Lenkrad. Am ersten Tag ging es daher vor allem darum, sich zu akklimatisieren.
Weniger Grip als 2010
"Es haben sich einige Sachen geändert, man muss sich ja nur den Diffusor ansehen. Das kann man nicht mit letztem Jahr vergleichen, von daher muss man gedanklich schon Abstriche machen, bevor man einsteigt", analysiert Vettel. "Es hat nicht so viel Grip wie im letzten Jahr, aber das Auto lässt sich nicht viel anders fahren - und das ist ein gutes Zeichen. Wir sollten auf einem guten Weg sein. Es hat auf jeden Fall sehr viel Spaß gemacht, nach der langen Zeit wieder im Auto zu sitzen."
Erstmals als Weltmeister im Auto zu sitzen, sei "eigentlich nicht anders" gewesen: "Es war ein bisschen eng - vielleicht habe ich über den Winter ein bisschen zugenommen", grinst der Deutsche. "Als ich auf die Waage gestiegen bin, hat es mich nicht umgehauen, aber das eine oder andere Gramm muss vielleicht noch weg. Aber kein Grund zur Sorge: Es ist nicht so, dass ich ein Kilo zugenommen hätte, sondern ich glaube, ich war um ein halbes Kilo schwerer als in Abu Dhabi."
Erstmals mit der Startnummer eins des Weltmeisters zu fahren, war hingegen durchaus "ein gutes Gefühl" für den zweiten deutschen Formel-1-Champion nach Michael Schumacher: "Es macht einen stolz, wenn man die Startnummer eins sieht, aber Startnummer hin oder her: In Bahrain geht es bei null los - und das gilt für alle. Daher hilft mir die Startnummer nicht dabei, jede Runde zwei, drei Zehntel schneller zu sein", sagt er.
Sie sei aber "besser als jede andere Nummer - vor allem wenn man weiß, warum man sie hat. Wenn man sie sich verdient hat, dann ist es umso schöner, als wenn sie ausgelost wird, aber darauf verlassen kann ich mich dieses Jahr nicht. Auf den Anzug und auf das Auto zu schauen, wird mich nicht schneller machen. Man muss es nach wie vor richtig knacken lassen - und da liegt auch die Herausforderung. Aber es ist ein schönes Gefühl, auf jeden Fall", gesteht Vettel.
Bleibt noch die wichtigste Frage des ersten Testtags: Wie wird denn die Nachfolgerin von "Luscious Liz" heißen? Diesbezüglich hat sich der Red-Bull-Pilot noch keine Gedanken gemacht - aber er lässt sich diese Woche inspirieren: "Sie ist zäh und hält auf jeden Fall durch. Heute hatten wir keine Probleme mit der Zuverlässigkeit, von daher muss ich mir irgendeinen Namen einfallen lassen, der dafür steht, dass er durchhält..."