Jaime Alguersuari: Noch immer Albträume von wütendem Marko!
Jaime Alguersuari wurde von seiner Red-Bull-Zeit so nachhaltig geprägt, dass er immer noch Albträume von Helmut Marko hat: "Nichts war jemals gut genug ..."
(Motorsport-Total.com) - Auch zehn Jahre nach seinem Formel-1-Aus wacht Ex-Pilot Jaime Alguersuari nachts manchmal auf, weil er Albträume von seiner Zeit als Red-Bull-Pilot hat. Das hat der Spanier im Interview mit der Zeitung 'El Confidencial' verraten.
Alguersuari wurde 2009 zum damals jüngsten Formel-1-Piloten, als er in Ungarn ohne Vorerfahrung bei Toro Rosso ins kalte Wasser geschmissen wurde. Zweieinhalb Jahre später endete seine Zeit in der Königsklasse, bevor er seine Karriere 2015 nach einer Saison in der Formel E beendete.
An die Zeit im Kader von Red Bull hat er dabei nicht unbedingt gute Erinnerungen: "Bei Red Bull konntest du nie unbesorgt sein, selbst wenn du großartige Ergebnisse hattest", sagt er. "Selbst wenn du eine tolle Leistung gezeigt hattest, hattest du nie das Gefühl, dass die Arbeit erledigt war und alle zufrieden sind. Du wurdest eher von deinen Gegnern beglückwünscht als von deinem eigenen Team."
So ging es Alguersuari seitdem er 15 Jahre alt war. "Nichts war jemals gut genug. Und so geht es Max Verstappen auch mit seinem Vater. Das ist die Red-Bull-Schule", sagt er.
Alguersuari und Sainz nicht von Red Bull geliebt?
Hinzu kam bei ihm, dass er nie das Gefühl hatte, von Red Bull wirklich geliebt zu werden - und er glaubt, dass das auch bei Carlos Sainz der Fall war. "Sie haben uns geholfen, weil wir Talent hatten und es das wert war", sagt er. "Aber tief drin suchen sie nach einem anderen Fahrerprofil", meint der Spanier.
Laut ihm möchte Red Bull "Fahrer in der Mitte eines Sees" finden, die völlig unbekannt sind und die völlig abhängig von Red Bull sind. Alguersuari und Sainz haben hingegen Väter, die im Motorsport berühmt wurden. Jaime Alguersuari sen. war Motorradfahrer und kümmerte sich als Promoter unter anderem um die Renault-World-Series und hatte somit auch Einfluss im Motorsport.
Fotostrecke: Red-Bull-Junioren in der Formel 1
Christian Klien (2004-2010): Mit Unterstützung von Red Bull debütiert der Österreicher 2004 bei Jaguar in der Formel 1. Nach der Übernahme des Rennstalls durch den Engergy-Drink-Hersteller fährt Klien auch 2005 und 2006 bei den meisten Grands Prix für das nun Red-Bull-Racing genannte Team an der Seite von David Coulthard. Ende 2006 scheidet Klien nach Streitigkeiten über einen Wechsel in die ChampCar-Serie aus dem Red-Bull-Kader aus. Später ist der Österreicher Testfahrer für Honda und BMW-Sauber und fährt 2010 drei Rennen für HRT. Fotostrecke
"In meinem Fall wurde damals eigentlich mein Teamkollege Brendon Hartley bevorzugt, doch weil ich die Formel 3 gewonnen hatte, hatten sie keine andere Wahl", sagt Alguersuari, als es darum ging, wer Sebastien Bourdais bei Toro Rosso ersetzen sollte. "Und bei Toro Rosso habe ich Buemi geschlagen, aber ihm wurde weiter geholfen."
Albträume von Helmut Marko
Die Zeit damals habe Alguersuari derartig geprägt, dass er auch heute noch "sehr seltsame Träume" davon habe: "Ich träume vom Frust, dass ich nie irgendwo ankomme und Herr Marko immer böse ist und mich immer vollmeckert, als ob ich ein Kind wäre", erzählt er. "Das hat ein Trauma erschaffen, und ich bin überzeugt, dass es Buemi und vielen anderen genauso geht."
"Das habe ich nie überwunden. Ich war nach meiner Karriere bei diversen Psychologen, die mir dabei geholfen haben, ein neues Leben anzufangen. Ich wollte mit allem vorher aufräumen, aber jetzt kommen so seltsame Dinge in meinen Kopf. Ich wache manchmal weinend auf, nachdem ich eine tolle Runde gefahren habe, und sehe das Gesicht von Herr Marko, der sauer ist ..."
Helmut Marko, der für das Nachwuchsprogramm bei Red Bull verantwortlich ist, habe er nach seinem Rauswurf bei Red Bull nicht mehr gesehen. "Aber ich würde gern", sagt der Spanier. Das letzte Telefongespräch war jenes, als ihm der Österreicher erklärte, dass er raus sein würde. Das sei nicht seine Entscheidung gewesen, sondern die eines großes Gremiums mit verschiedenen Interessen, soll Marko da gesagt haben.
"Das war das letzte Mal, dass wir gesprochen haben. Als ich für die BBC kommentiert habe, habe ich ihn im Paddock gegrüßt, mehr aber nicht."
Alguersuari glättet auf Twitter die Wogen
Nachdem das Interview mit diesen Aussagen in der spanischen Zeitung 'El Confidencial' erschienen war, sah sich Alguersuari allerdings gezwungen, auf Twitter ein paar Dinge über Helmut Marko und Red Bull klarzustellen: "Ich bin zutiefst dankbar, dass ich ihn mit 15 Jahren kennengelernt habe", schreibt er.
"Helmut war mein Lehrer und jemand, der mich immer aufgefordert hat, Leistung zu erbringen, um mich zu pushen und zu fördern und darüber hinaus. Das ist das System des Juniorteams und es funktioniert", so Alguersuari. "Ich kann Red Bull und Helmut Marko gar nicht genug danken, denn sie haben mir einen Weg der Disziplin, der Hingabe und der harten Arbeit gezeigt, der mir hilft, andere Ziele in meinem Leben und in meiner Musik zu erreichen."
"Wenn man auf höchstem Niveau konkurriert, sei es in der Formel 1, im Fußball, im Rugby oder im Golf, braucht man einen extrem anspruchsvollen Verstand, um nach mehr Leistung zu streben. Selbst wenn du gewinnst, wird Red Bull dich immer weiter fordern, höher und höher und höher", schreibt er.
Moskau-Blackout als Zeichen für das Ende
Alguersuari selbst hatte seine Karriere 2015 im Alter von nur 25 Jahren beendet. Nachdem ihm beim Formel-E-Rennen in Moskau schwarz vor Augen geworden war, hatte man seine Rennlizenz aus gesundheitlichen Gründen gesperrt. Wenig später gab der Spanier sein endgültiges Karriereende bekannt und konzentrierte sich fortan auf seine Karriere als DJ.
"Ich glaube, dass der Körper die Seele repräsentiert, und letztendlich muss man auf sich selbst hören", sagt er rückblickend. Alguersuari wollte damals nicht mehr zu den Rennen reisen und hatte auch keinen Spaß mehr am Fahren. "Mein Kopf war immer noch in der Formel 1", gibt er zu, dass er sein Aus damals nicht überwunden hatte.
"Ich hatte eine riesige Frustration in mir, die mich nicht leben lassen wollte. Ich hatte einen Hass, der sich nicht nur gegen Helmut Marko und Red Bull richtete. Er richtete sich gegen die Welt des Motorsports", sagt er.
"Und mein Körper hat das alles somatisiert, hat ein Leben ertragen, das irgendwann explodiert ist. Moskau war eine körperliche Warnung, was mir in meinem Leben noch nie passiert war", so Alguersuari. "Ich musste aufhören. Denn es ging mir nicht gut. Ich brauchte einen Neustart in meinem Leben."
Seit 2021 hat der ehemalige Formel-1-Pilot zumindest wieder mit dem Kartsport begonnen.